Im Streaming-Angebots-Dschungel gibt es einen neuen Dienst. Amazon steht dahinter und nimmt Deutschlands Werbemarkt in den Blick. Wird kostenloses Streaming eine echte Konkurrenz zu den Abo-Modellen?
Im boomenden Streamingmarkt deutet sich ein Trend an. Für die Deutschen ist er an sich nichts Neues. Seit Jahrzehnten sind wir es gewohnt, dass im Privatfernsehen und punktuell im TV-Programm der Öffentlich-Rechtlichen Werbung in die Wohnzimmer flimmert.
Der US-Internetkonzern Amazon setzt mit einem neuen Streaming-Angebot auch auf Werbeeinnahmen. Die Nutzer sehen Serien mit Werbeunterbrechung, dafür ist das Ganze kostenlos. Wie stark wird dieser Trend hierzulande werden?
Ohne zusätzliche Kosten - dafür mit Werbung
Als sich Streaming - also das Abrufen von Bewegtbildinhalten im Netz auf Plattformen abseits von fortlaufendem, vorgegebenem TV-Programm - etablierte, setzten viele Anbieter auf Einnahmen durch Abos statt auf Werbung. Netflix, Disney+, Apple, DAZN, Sky und auch Amazon mit seinem Streaming-Dienst Prime Video setzen auf die Abo-Karte. Viele Deutsche streamen gern und haben gleich mehrere Abos - Netflix und Amazon liegen in Studien und bei Marktbeobachtern hierzulande vorn.
Es gibt auch Mischmodelle: Zum Beispiel kann man bei den Plattformen RTL+ der RTL-Gruppe und Joyn von ProSiebenSat.1 kostenlose werbefinanzierte Angebote sehen, es gibt auf diesen Plattformen zugleich Abo-Modelle. Jetzt bekommt Werbefinanzierung im Streaming mit Amazon einen gewichtigen Verstärker. Der Werbemarkt ist attraktiv für Bewegtbild-Anbieter, das sieht man seit Jahrzehnten im TV-Markt, wo Milliarden-Umsätze generiert werden. Oder auch bei Youtube.
Ein näherer Blick auf das Angebot Amazon Freevee, das am Mittwoch startete: Filme und Serien werden ohne zusätzliche Kosten, dafür mit Werbeunterbrechungen gezeigt. Nach den USA und Großbritannien ist Deutschland das dritte Land, in dem dieses Angebot platziert wird.
Eigene Produktionen, sowie externe Serien und Filme
«Wir bieten Nutzern ein Angebot an, das sie typischerweise hinter einer Paywall erwarten würden», sagte ein Amazon-Sprecher der Deutschen Presse-Agentur. Es werde ein Mix aus eigenen Produktionen, externen Filmen und Serien, die über Lizenzen im Portfolio sind, und perspektivisch linearen TV-Kanälen sein. Amazon Freevee biete zum Start thematisch programmierte lineare Live-Kanäle - zum Beispiel BBC Food oder BBC Travel. Alle Sender seien in deutscher Sprache verfügbar.
Der Co-Chef des Inhaltegeschäfts von Amazon, Ryan Pirozzi, sagte der dpa zum Ziel von Amazon Freevee: «Wir wollen möglichst viele Kundinnen und Kunden erreichen.» Eine Zielmarke für Amazon Freevee bei Kunden und Umsatz in Deutschland nannte der Konzern nicht. Österreich soll als weiteres europäisches Land zu einem späteren Zeitpunkt folgen.
Im Streamingmarkt ist Amazon bereits mit Prime Video präsent. Der Bewegtbild-Service ist Teil des Prime-Abos, mit dem man auch Musik hören oder Versandkosten beim Einkauf über die Amazon-Plattform sparen kann. Vor kurzem erhöhte sich der Abopreis.
Verschiedene Effekte auf Deutschlands TV-Landschaft
Das Beratungs- und Marktforschungsunternehmen Goldmedia sieht mögliche Effekte durch den neuen kostenlosen Amazon-Dienst. Goldmedia-Geschäftsführer Klaus Goldhammer sagte der dpa zu dem Angebot: «Das könnte den Streamingmarkt in Deutschland noch einmal neu aufstellen.» Diejenigen, die sich bis jetzt etwa vor einem Abo gescheut haben, könnten jetzt angezogen werden. Ebenso jüngere Leute, die nicht so kaufkräftig sind.
Goldhammer geht auch von Auswirkungen auf den klassischen Fernsehwerbemarkt aus. Lineare private TV-Sender wie zum Beispiel die RTL-Gruppe oder ProSiebenSat.1 könnten Konkurrenz bekommen, weil Werbekunden womöglich zu Amazon Freevee gehen. Für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk mit ARD und ZDF, die zurzeit ihre Mediatheken und Streaming-Angebote stark ausbauen, könnte darüber hinaus ein neuer Nutzungswettbewerbsdruck entstehen, ergänzte Goldhammer. Weil Leute, die ohne Abo streamen wollten und bei ARD und ZDF fündig wurden, nun als Auswahl ein weiteres Angebot hätten.
© dpa-infocom, dpa:220803-99-260611/3
Artikel kommentieren