Eine Legende von der Mosel
Weltberühmt und teuer: Die Weine des «Bernkasteler Doctors»

13.12.2022 | Stand 13.12.2022, 15:05 Uhr

«Bernkasteler Doctor» - Wein der Lage «Bernkasteler Doctor» fließt in ein Glas. Die Weinberge im nur 3,25 Hektar großen Anbaugebiet, das sich fünf Weingüter teilen, gilt als teuerster der Welt. - Foto: Harald Tittel/dpa

Einige große deutsche Weine leben auch von ihrem Namen. Der «Bernkasteler Doctor» von der Mosel gehört dazu. Neben dem Geschmack spielen auch Legenden eine Rolle.

Er ist als sehr klein, alt und edel bekannt. Der 3,25 Hektar kleine «Bernkasteler Doctor» an der Mosel gilt als teuerster Weinberg Deutschlands.

Spätestens seit Julius Wegeler 1900 ein großes Stück des «Doctors» für den Preis von 100 Goldmark pro Rebstock kaufte, wird dem «Doctorberg» der Preisrekord zugeschrieben. Insgesamt gingen nach heutigem Wert für einen Hektar 6,6 Millionen Euro über den Tisch, rechnen die Weingüter Wegeler auf ihrer Internetseite vor.

Der «Doctor» braucht keine Werbung

«Das ist sicherlich ein absoluter Superlativ», sagt der Sprecher des Deutschen Weininstituts (DWI), Ernst Büscher, in Bodenheim. Das Label «teuerster Weinberg» habe auch zu der großen Reputation dieser Lage beigetragen. Und seine Geschichte untermauere den Sonderstatus, den der Berg durch seinen Wert bekommen habe, sagt Büscher. Ganz klar: Werbung braucht der «Doctor» nicht.

Vom Steilhang schaut man hinunter auf Bernkastel-Kues und die Mosel, natürlich in jener süd-südwestlichen Richtung, die von großer Bedeutung für Wärme, Wind und Wetter der Weinlage ist. Nach wie vor besitzen die Weingüter Wegeler einen großen Teil des Berges. Und nur vier Spitzenweingüter teilen sich den Rest - wobei auch eine kleine Fläche aus kirchlichem Besitz verpachtet ist.

Die extreme Trockenheit im Sommer hätten die Reben gut verkraftet, sagt Maximilian Ferger, der Betriebsleiter des Weinguts Witwe Dr. H. Thanisch - Erben Müller-Burggraef. Sein Gut ist mit einem Hektar auch einer der größeren Besitzer des «Doctor»-Weinbergs. Die Pflanzen seien bis zu 200 Jahre alt und hätten daher sehr tiefe Wurzeln. Der Hang, an dem sie stehen, hat eine Neigung von bis zu 60 Prozent.

Wein mit heilender Wirkung

Ein «Doctor»-Wein lebt auch von der Legende und dem Flair, das mit ihm verbunden ist. Der Sage zufolge konnte der Trierer Kurfürst Boemund anno 1360 mit keiner der gereichten bitteren Arzneien von seinem Fieber, mit dem er auf der Burg in Bernkastel darniederlag, geheilt werden. Alleine ein kleines Fässchen mit dem Wein habe ihm geholfen und sei dann von dem dankbaren Erzbischof gleich zu seinem «Doctor» ernannt worden - so die Sage.

Tatsächlich allerdings wird der Name «Doctor» erst 1736 erstmals urkundlich erwähnt. Das Weingut Wwe. Dr. H. Thanisch - Erben Thanisch, das rund 8000 Quadratmeter des «Doctor»-Bergs besitzt, verweist gerne darauf, dass auch der englische König Edward VII., der 1910 starb, den Wein als «Medizin» verschrieben bekommen habe.

Sicher ist, dass Kaiser Wilhelm II. den Wein genoss und Bundeskanzler Konrad Adenauer ihn auf Staatsbesuche mitnahm. So etwa 1953 zum Antrittsbesuch in Washington: Da überreichte er Präsident Dwight D. Eisenhower ein paar Flaschen aus Bernkastel-Kues. Und später schenkte Adenauer auch dem sowjetischen Staatschef Nikita Chruschtschow den legendären Moselwein ein.

Weine im Wert eines kleinen Hauses

Im Berg gibt es zwei Keller, die vor knapp 400 Jahren bis zu 70 Meter tief in den Felsen getrieben wurden. In dem fest versperrten Gewölbe herrschen konstant zehn Grad und eine hohe Luftfeuchtigkeit. In der dortigen Schatzkammer des Weingutes lagern viele alte Weine, darunter auch ein paar Flaschen einer Trockenbeerenauslese aus dem Jahr 1921.

2021 hat Ferger eine Flasche davon verkauft: «Für den Preis hätte man nicht nur einen Urlaub machen, sondern sich auch ein nettes kleines Häuschen kaufen können», erzählt er. Mitte der 1980er Jahre ging eine Flasche davon bei einer Versteigerung für mehr als 11.000 Mark weg. Der Großteil seiner Weine gehe ins Ausland.

Dass die alten Schätze noch da seien, sei einem glücklichen Zufall zu verdanken. Im Zweiten Weltkrieg habe der damalige Betriebsleiter «Doctor»-Flaschen im Weinkeller vorsorglich eingemauert, um sie vor Plünderern zu schützen. Später gerieten sie in Vergessenheit und wurden erst Anfang der 1970er Jahre wieder entdeckt.

Früher süß - heute trocken

DWI-Sprecher Büscher sagt, der «Doctor» habe geschmacklich seine Besonderheiten. «Aber es gibt auch andere Lagen, die große Weine hervorbringen und ihre Fans haben.» Weinberge mit Weltruf in Deutschland seien auch die Lagen am Roten Hang in Nierstein (Rheinhessen), der Scharzhofberg an der Saar und der Rüdesheimer Berg Rottland (Rheingau).

Früher seien es ausschließlich fruchtige bis edelsüße Rieslinge gewesen, für die der Doctor-Weinberg weltweit bekannt war, sagt der Geschäftsführer des Vereins Moselwein, Ansgar Schmitz. Heute seien es auch trockene Weine. So produzierten die beiden Thanisch-Weingüter sowie Wegeler auch Riesling Großes Gewächs. Und die trockenen Riesling-Auslesen von Winzer Markus Molitor aus dem «Doctor» gingen bei Weinversteigerungen für mindestens 1000 Euro netto pro Flasche über den Tisch.

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