Aktien allein machen noch keine Anlagestrategie aus. Wer langfristig an der Börse investieren möchte, sollte sich ein Depot aus mehreren Bausteinen zusammenstellen. Auf diese Punkte kommt es dabei an.
Eine langfristige Geldanlage in Aktien kann sich lohnen - das belegen Untersuchungen wie die des Deutschen Aktieninstituts immer wieder. Trotz aller Risiken am Finanzmarkt lassen sich mit einem breit aufgestellten Depot also auch Durststrecken überwinden und am Ende einträgliche Renditen erwirtschaften. Damit das klappt, sollten Anlegerinnen und Anleger zwei Grundprinzipien folgen, rät Philipp Schreiber, Professor für Finanzwirtschaft an der Hochschule Esslingen. „Eine Geldanlage sollte diversifiziert sein und die Kosten gering.“ Wir erklären Ihnen, worauf es genau ankommt.
1. Verschiedene Anlageklassen wählen
Wer sein Depot breit aufstellt, senkt das Risiko von Verlusten. In der Praxis heißt das, die Investition nicht nur in ein Unternehmen oder eine Branche zu stecken und dann von dessen Entwicklung allein abhängig zu sein. Das Geld sollte besser auf viele Unternehmen, Branchen und Länder aufgeteilt werden.
Nun muss niemand hingehen und Aktien oder Anleihen von zig verschiedenen Unternehmen kaufen, um sein Depot zu diversifizieren. Einfacher geht es mit Fonds, die mehrere Wertpapiere bündeln. Am besten investieren Anleger in ETFs, empfiehlt Schreiber. Diese sind deutlich günstiger als aktiv gemanagte Fonds. „Gerade über einen langen Anlagezeitraum macht es viel aus, ob jedes Jahr anderthalb bis zwei Prozent an Gebühren abgezogen werden, oder nur ein halbes Prozent.“
Neben Aktien empfehlen Geldanlageexperten Anleihen als weiteren Renditebaustein - sie können Wertschwankungen bei Aktien abfedern, weil sie weniger volatil sind. „Im besten Fall sorgen Anleihen für Diversifikation und eine positive Rendite, während Aktien verlieren“, so Fabian Frey, Finanzberater beim Vermögensverwalter VZ Vermögenszentrum.
Anleihen sind Schuldscheine, die Unternehmen oder Staaten herausgeben können. Wer Anleihen kauft, gewährt dem Herausgeber einen Kredit. Während einer festgelegten Laufzeit zahlt der Herausgeber dafür einen festen Zins an Anlegerinnen und Anleger. Am Ende wird der geliehene Betrag zurückgezahlt.
Zusätzlich werden viele Anleihen an der Börse gehandelt. In der Vergangenheit war es oft so, dass sie Gewinne eingebrachten in Phasen, in denen Aktienkurse schwächelten. Auch Ali Masarwah, Geschäftsführer des Fondsvermittlers Envestor, bewertet Anleihen im Depot als positiv: „Diese Anlageklasse ist heute sehr spannend, da durch höhere Zinsen wieder hohe Renditen möglich sind.“
2. Auf mindestens zwei ETFs setzen
Doch nur über die Anlageklassen ist der Diversifikation des Depots nicht Genüge getan. Auch innerhalb der Anlageklassen sollten Anlegerinnen und Anleger sich möglichst breit aufstellen - und auf verschiedene Unternehmen, Branchen und Länder setzen. So kann das Risiko eines Verlusts besser gestreut werden. Besonders einfach und günstig geht das zum Beispiel mit entsprechenden ETFs, die Anteile hunderter verschiedener Unternehmen aus aller Welt bündeln.
Bei Aktien die Standard-Empfehlung schlechthin: ein ETF auf den MSCI World. Das sehen die drei Experten jedoch kritisch. Denn dieser ETF bildet zwar die Anteile von aktuell rund 1.400 Unternehmen ab. „Allerdings ist im MSCI World das Gewicht von Aktienunternehmen aus den USA sehr groß“, sagt Frey. „Das könnte für Anleger aus Europa nachteilig sein.“
Wer es möglichst einfach haben möchte, dem empfiehlt der Anlageexperte zumindest den MSCI All Country World oder einen ähnlichen Index zu nehmen, der nicht nur in hoch entwickelte Industrieländer, sondern auch in Unternehmen aus Schwellenländern investiert. „Man kann das auch selbst nachbauen und neben einem ETF etwa auf den amerikanischen S&P 500 einen auf den EuroStoxx 600 und einen auf Emerging Markets nehmen“, sagt Frey. So ließe sich ein Großteil der weltweiten Aktienmärkte abbilden.
Auch bei Anleihen sollten Anleger auf ETFs setzen, die breit streuen. Etwa den Bloomberg Barclays Euro Aggregate, der in europäische Staats- und Unternehmensanleihen investiert. Oder das globale Pendant, den Bloomberg Barclays Global Aggregate Bond Index. Allerdings sollten Anleger bei letzterem das Währungsrisiko wegen der Anlage in US-Dollar beachten.
3. Gewichtung entsprechend der Anlageziele und Risikobereitschaft wählen
Wer mehrere Anlage-Bausteine im Depot hat, muss sich überlegen, wie viel Geld in welchen Baustein fließen soll. „Grundsätzlich sollte mehr Gewicht auf Aktien liegen, da diese in der Regel mehr Rendite einbringen als Anleihen“, sagt Schreiber. Er empfiehlt als Daumenregel, 60 Prozent in Aktien, 40 Prozent in Anleihen zu investieren. Wissenschaftliche Studien zeigen, dass diese einfache Daumenregel genauso gute Ergebnisse erzielt wie Portfolios, die über deutlich komplexere Optimierungsmodelle zusammengestellt werden.
Die Gewichtung hängt aber auch vom Einzelfall ab, so Masarwah. „Die Frage ist, wie lange das Geld noch investiert bleiben kann. In der Ansparphase empfiehlt sich oft ein höherer Aktienanteil. Wenn die Entnahmephase näher rückt, kann Richtung Anleihen umgeschichtet werden.“ Auch Lebensumstände wie etwa ein sicherer Arbeitsplatz seien Argumente für einen höheren Aktienanteil im Depot.
Wer die Gewichtung der Anleihen im Depot hochschraubt, sollte jedoch auch das Zinsänderungsrisiko im Blick haben, gibt Masarwah zu bedenken. Je länger die durchschnittliche Laufzeit der Anleihen im Fonds ist, desto empfindlicher reagiert der Kurs mit Verlusten auf mögliche Zinserhöhungen.
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