Wenn ein Joint in der Familie kreist, könnte man auf die Idee kommen, das würde die gestörte Kommunikation mit Teenagern im schwierigen Alter verbessern. Und was sagt ein Erziehungsexperte dazu?
Bislang hörten Erziehungsberater von verunsicherten Eltern: „Was soll ich tun, wenn mein Kind kifft?“ Doch mit der Cannabis-Freigabe stellen sich Müttern und Vätern von Heranwachsenden ganz neue Fragen im Umgang mit ihren Kindern rund um Hasch, Gras und Co.
„Nur weil es legal ist, würde ich mit meinem Kind keinen Joint rauchen“, sagt Ulric Ritzer-Sachs von der Onlineberatung der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung (bke) im Interview und rät Eltern zu einer klaren Haltung.
Frage: Wenn das Gesetz zur Freigabe von Cannabis in Kraft tritt, dürfen dann Erwachsene in der Gegenwart von Kindern kiffen?
Ulric Ritzer-Sachs: Da verhält es sich wie mit anderen Suchtmitteln auch. Da würde ich mich fragen: Darf ich mich in Gegenwart von Kindern mit Alkohol volllaufen lassen? Verantwortungsvolle Eltern würden sagen: Nein.
Die meisten, die einen Joint rauchen, wollen ja in einen Rauschzustand kommen. Doch was zeigt das den Kindern, wenn ich ihnen das vorlebe? Eltern sollten sich der Vorbildrolle bewusst sein - auch wenn sie zu jedem Essen einen Wein trinken oder danach zur Zigarette greifen. Wenn das Kind dann mit 13 Jahren anfängt, zu rauchen oder zu kiffen und Eltern haben etwas dagegen, wird es sagen: Wieso, du machst das doch auch?
Die Vorbildrolle betrifft ja nicht nur Suchtmittel. Wenn ich jeden Tag Schokolade esse und das Kind sieht dann mein Lächeln im Gesicht, gebe ich das an das Kind weiter. Bin ich begeisterter Motorradfahrer, habe ich schlechte Argumente, dem Kind das Moped fahren zu verbieten.
Aber selbst wenn ich ein gutes Vorbild bin, ist das aber noch keine Garantie, dass mein 13- bis 16-jähriges Kind trotzdem nicht zu Drogen greift. Sie sind nun mal in der Welt und das Kind muss nur dreimal bei älteren Jugendlichen nachfragen, wo man die bekommt.
Frage: Dürfen Erwachsene daheim Cannabispflanzen anbauen, wenn Minderjährige im Haushalt leben?
Ritzer-Sachs: Auch da würde ich eine Gegenfrage stellen: Darf ich eine Hausbar haben? Man könnte sie abschließen oder verbieten, daranzugehen. Oder man bringt dem Nachwuchs bei, dass eine Hausbar nur was für Erwachsene ist. Aber letztlich verhält es sich ähnlich wie mit Putzmitteln und kleinen Kindern. Man sagt immer wieder, dass sie da nicht dran dürfen.
Man kann nach intensiven Gesprächen über die Gefahren von Cannabiskonsum für die Entwicklung des jugendlichen Gehirns nur hoffen, dass sie sich nichts von meinen drei Cannabispflanzen abmachen. Aber ob das hilft? Schließlich sind die Pflanzen im Garten, auf dem Balkon oder in der Wohnung leicht zu ernten. Am besten ist es natürlich, erst gar kein Gras anzubauen.
Frage: Was halten Sie davon, wenn man dem Kind ein gemeinsames, quasi ein betreutes Kiffen mit den Erziehungsberechtigten erlaubt, damit es das nicht unkontrolliert mit Freunden macht?
Ritzer-Sachs: Tatsächlich ist Kiffen nicht harmlos. Während der Erwachsene seinen Rauschzustand will, ist aber die Gehirnentwicklung seines oder seiner 16-Jährigen nicht abgeschlossen. Dort baut sich gerade alles noch um. Mir fällt aus medizinischer und pädagogischer Sicht nicht ein, warum man das fördern sollte und würde dringend davon abraten.
Wo ist das Problem zu sagen: „Du hast noch zwei Jahre, dann ist es deine Entscheidung“? Und wenn das Kind dann 18 ist, kann man nur hoffen, dass die Erziehung so angelegt war, dass es verantwortungsvoll mit seiner Gesundheit umgeht. Untersuchungen zeigen, dass sich das verwächst. Denn am meisten wird zwischen 16 und 25 Jahren gekifft, dann hören die meisten anders als beim Alkoholgenuss wieder auf.
Was aus meiner Sicht außerdem bedenklich an dem gemeinsamen Kiffen ist: Vielleicht hatte man als Familie einen wunderschönen gemeinsamen Tag und lässt ihn mit einem Joint ausklingen, weil es einem gerade so gut geht. Aber was ist, wenn der Teenager an schwierigen Tagen zum Joint greift, um sich aufzumuntern? Das halte ich für gefährlich.
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