Job-Protokoll
Was macht eigentlich ein Head of Grading?

09.08.2021 | Stand 16.08.2022, 8:29 Uhr

Smartphone-Bewertung - Johannes Meier bewertet gemeinsam mit einem Mitarbeiter den optischen Zustand eines Smartphones. - Foto: Zacharie Scheurer/dpa-tmn

Bewerten ist die Übersetzung für das englische Verb «to grade». Johannes Meier, Head of Grading, ist deswegen aber kein Juror. Nein sein Beruf hat mit gebrauchter Technik zu tun.

Das alte Smartphone. Der ausrangierte Laptop. Die Spiegelreflexkamera, die einfach viel zu unhandlich ist. Haben wir nicht alle mindestens ein ungenutztes Elektro-Gerät zu Hause?

Im Internet gibt es verschiedenste Unternehmen, die solche Geräte von Privatpersonen ankaufen, und sie auf ihrer Plattform oder anderen Handelsportalen zum Wiederverkauf anbieten. Das Geschäftsmodell nennt sich Recommerce. Neben Ebay lassen sich etwa Asgoodasnew, Clevertronic, Zoxs, Flip4new, Myswooop oder Wirkaufens nutzen.

Aber wer legt fest, wie gut das Gerät noch ist und wie viel es wert ist? In der noch relativ jungen Recommerce-Branche haben sich neue Berufsbilder herausgebildet. An dieser Stelle kommt zum Beispiel Johannes Meier, Head of Grading bei Rebuy ins Spiel. Im Job-Protokoll erzählt er, was hinter seinem ungewöhnlichen Job steckt.

Wie ich den Beruf meinem Opa erkläre:

Meinem Opa würde ich sagen: Ich bin in einem Recommerce-Unternehmen beschäftigt. Na gut, das ist schon ein schwieriges Wort für meinen Opa. Aber ich würde sagen, ich bin ein Typ, der zwischen zwei Kunden, zwischen einem, der etwas kauft und dem anderen, der etwas verkauft vermittelt und so Fairness und Sicherheit bietet.

Die etwas ausführlichere Version:

Dafür muss ich erst mal Grading erklären. Unter Grading verstehen wir eine Bewertung, das kommt aus dem Englischen von «to grade». Bei uns geht es um eine Bewertung von gebrauchter Technik.

Bei einem Handy zum Beispiel gucken wir, ob es Beschädigungen hat, ob es bei den technischen Komponenten irgendwelche Ausreißer gibt und ob das Zubehör, also Ladekabel oder Netzstecker, funktionsfähig ist. Diese Ergebnisse fließen zusammen in eine Bewertung, das Grading. Das Handy ist dann zum Beispiel «wie neu» oder «sehr gut».

Diesen Job übernehmen die sogenannten Grader. Das sind Menschen, die an unseren Logistik-Standorten arbeiten, die jeden Tag eine ganze Menge Geräte unterschiedlichster Art bekommen und nach einem Kriterienkatalog bewerten.

Ich bin als Head of Grading aber nicht etwa der, der die Grader leitet. Ich bin der, der die Kriterien, die Vorgaben, den Produkt-Katalog, das Trainingsmaterial, die Maschinen, Werkzeuge, alle Tools, die für das Grading verwendet werden, verantwortet.

So sieht ein Arbeitstag aus:

Auch wenn kein Tag wie der andere ist, gibt es eine Art Regelgeschäft. Das sind mehrere große Bereiche. Zum Beispiel die Erweiterung des Produktportfolios. Gibt es etwa ein neues Produkt auf dem Markt, das wir handeln wollen, ist es meine Verantwortung zu definieren, wie wir den Bewertungsprozess durchführen wollen.

Welche Kriterien sind bei diesem Produkt wirklich wichtig? Wie soll es bewertet werden? Was bedeuten die Eingaben, die der Grader gemacht hat, am Ende? Was ist bei älteren Produkten oder bei erst kürzlich auf dem Markt gekommenen Produkten akzeptabel?

Der Produktkatalog muss gepflegt werden. Wir haben über 30.000 elektronische Artikel da drin, da müssen regelmäßig Bewertungskriterien und Richtlinien einzelner Produkte angepasst werden.

Zu meiner Position gehört auch die Qualitätssicherung. Es gibt ein großes Team in der Qualitätssicherung in den einzelnen Standorten, die an mich berichten. Die gucken sich an, wie gut die Grader mit dem Prozess klarkommen, ob sie die Dinge, die sie herausfinden sollen, herausfinden. Da muss ich dann auch ab und zu die Entscheidung treffen: «Nee, das darf nicht mehr durch» oder «Hey, der Prozess ist noch optimierungsfähig».

Auch die Weiterentwicklung unserer Systeme ist Teil meines Tagesgeschäfts. Die Entwicklung unseres technischen Portfolios inklusive IT-Systemen und Maschinen. Wir haben zum Beispiel Roboter, die graden können. Ich mache mir regelmäßig Gedanken, was wir besser und schneller machen können, wo wir neue Tests einführen und neue Maschinen einsetzen können.

Der Weg in den Beruf:

Ich komme aus dem technischen Umfeld. Ich bin Ingenieur und habe Maschinenbau studiert und war ziemlich viele Jahre in der Automobilindustrie tätig. Gleichzeitig habe ich mich immer für Online-Märkte interessiert. Bei Rebuy habe ich zuerst im IT-Bereich angefangen, und mich dort um die digitalen Prozesse des Gradings gekümmert. Dann habe ich die kompletten Grading-Prozesse inhaltlich übernehmen können. Das bot sich an, ich hatte sie vorher technisch gestaltet. Warum sollte ich nicht den Rest auch machen?

Die besten Seiten des Jobs:

Für mich ist super spannend, dass ich die Chance habe, das Zünglein an der Waage, der Mittler zu sein, zwischen jemanden, der etwas verkauft und der Person, die etwas kauft - weil es für beide fair sein soll. Genau dieses Austarieren gefällt mir.

Ein weiterer wichtiger Punkt für mich: Wir sind eine Konsumgesellschaft und wir haben von allem zu viel. Nahezu bei jedem liegen Elektrogeräte ungenutzt im Schrank. Ich finde, Produkte, die wir haben, sind dafür da, benutzt zu werden, sie sind Gebrauchsgegenstände. Und ich trage gerne dazu bei, dass die Dinge weiter benutzt werden. Sie sind ja zum einen Ressource und zum anderen bares Geld.

Auch die Abteilungsleiter-Rolle an meinem Job ist super spannend. Ich kommuniziere gerne mit Menschen, ich führe gerne Diskussionen und bin gerne in fachlichen Konflikten. Dieses Moderieren zwischen einzelnen Teilen des Unternehmens, dem Vertrieb, der Logistik und der Qualitätsprüfung, das macht total Spaß.

Was nicht jeder an dem Beruf mögen wird:

Fakt ist, mein Job ist hochkomplex. Wir haben viele, viele, viele Produkte und ich kenne nicht alle. Freunde sagen oft «Du weißt doch, wie das funktioniert», aber ich weiß eben nicht, wie jedes Handy oder wie jeder Laptop und jede Kamera funktionieren. Trotzdem muss ich immer gucken, dass wir alles gut bewerten können. Das ist natürlich eine Herausforderung.

Man muss auch Spaß an Daten haben. Ich mache sehr viel Datenanalyse. Es sind extrem viele Daten, die wir sammeln oder generieren. Daneben braucht man ein gesundes Verständnis für Qualität. Wer das nicht hat, ist auch nicht die richtige Person für den Job. Und: Ich habe einen Bürojob - das mag nicht jeder.

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