Doppelqualifikation
Das Abitur neben der Ausbildung absolvieren

12.10.2022 | Stand 12.10.2022, 17:42 Uhr

Pascal Brungs - Pascal Brungs, angehende Fachkraft für Lagerlogistik bei der Firma Gilog, möchte sich mit seiner Doppelqualifikation ein gutes Sprungbrett für seine künftige Karriere verschaffen. - Foto: Henning Kaiser/dpa-tmn

Die Mittlere Reife in der Tasche - und jetzt? Was viele nicht wissen: In 9 von 16 Bundesländern ist eine Doppelqualifikation möglich - Ausbildung plus (Fach-)Abitur. Ein Weg, den Pascal Brungs geht.

Eine Ausbildung beginnen oder weiter zur Schule gehen und das (Fach-)Abitur machen? Eine Frage, die sich nach der zehnten Klasse und damit der Mittleren Reife viele junge Leute stellen. Pascal Brungs hat seine Wahl getroffen: Er macht beides.

Der 22-Jährige absolviert eine dreijährige Ausbildung zur Fachkraft für Lagerlogistik bei der Firma Gilog in Frechen (Nordrhein-Westfalen) und will parallel dazu die Fachhochschulreife erwerben.

Die Doppelqualifikation als Sprungbrett

Was heißt: Nach der Arbeit steht noch einmal Lernen auf dem Programm. «Klar, das ist manchmal alles ein bisschen anstrengend», sagt Pascal Brungs. Doch der zeitliche Aufwand, den er derzeit für einen gelungenen Einstieg ins Berufsleben investiert, wird sich eines Tages bezahlt machen, davon ist er überzeugt: «Mit der Doppelqualifikation verschaffe ich mir ein gutes Sprungbrett, um eines Tages auf der Karriereleiter möglichst weit oben zu landen.»

Gesellenabschluss plus Abitur oder Fachhochschulreife - nach Angaben des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH) ist das derzeit in 9 von 16 Bundesländern möglich. Und zwar in Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Sachsen.

Das auch als «BerufsAbitur» bezeichnete Modell, das der ZDH gemeinsam mit der Kultusministerkonferenz ins Leben gerufen hat, existiert seit dem Schuljahr 2017/2018.

Doppelabschluss in Handwerk, Industrie und Handel

Aber nicht nur im Handwerk kann die Doppelqualifikation für junge Leute eine Option sein, sondern auch in der Industrie und im Handel. Aus Sicht von Carsten Berg, Leiter Ausbildung operativ bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) in Köln, bietet das Modell einen großen Vorteil: «Den beruflichen Abschluss, den man erwirbt, kann einem keiner nehmen.»

Wer mit der erworbenen Fachhochschulreife oder allgemeinen Hochschulreife zur FH oder zur Uni geht und feststellt, dass ein Studium doch nicht das Richtige ist, hat zumindest eine abgeschlossene Ausbildung. «Man kann dann also in dem erlernten Beruf arbeiten und muss im Berufsleben nicht bei Null anfangen», so Berg.

Doch erst einmal muss man es wollen und schaffen, eine Ausbildung zu absolvieren und zusätzlich fürs (Fach-)Abi zu büffeln. Pascal Brungs ist mit viel Interesse und Elan dabei. «Ich habe noch nie so viel gelernt wie in den vergangenen Monaten», erzählt der 22-Jährige.

Drei Stunden Schulunterricht pro Woche extra

Während der Ausbildung ist der Besuch der Berufsschule obligatorisch. Pro Woche kommen noch einmal drei Stunden Schulunterricht für alle, die ein Fachabitur oder Abitur anstreben, hinzu. In dem Zusatzunterricht geht es darum, tiefer gehende Kenntnisse in Fächern wie Mathe, Deutsch, Englisch und Biologie zu erwerben. Auch zu Hause steht Lernen an. «Oft mache ich das gemeinsam mit meinen Kollegen, dann helfen und motivieren wir uns gegenseitig», sagt Brungs.

Das Engagement, das die jungen Leute im Bemühen um eine Doppelqualifikation zeigen, kommt bei Arbeitgebern «enorm gut an», wie Carsten Berg immer wieder feststellt. Wer neben der Ausbildung einen höheren Schulabschluss gemacht hat, habe in Bewerbungsgesprächen einen dicken Pluspunkt: «Weil man damit echte Leistungsbereitschaft zeigt».

Solche hoch motivierten Beschäftigten wollen viele Unternehmen laut Berg natürlich möglichst langfristig halten. Deshalb haben sie nach erfolgreichem Abschluss oftmals entweder die Möglichkeit, eine Tätigkeit als Fachkraft in der jeweiligen Firma aufzunehmen.

Und wer ein Studium aufnimmt, bleibe dem Ausbildungsbetrieb oft als Mitarbeitender oder Werkstudierender verbunden. «Daraus kann sich dann eines Tages die Möglichkeit ergeben, nach einem Studienabschluss zum Beispiel als Führungskraft in dem Ausbildungsbetrieb von einst aufzusteigen», so Berg.

Modell noch nicht flächendeckend bekannt

Pascal Brungs kann sich später ein duales Studium - also im Betrieb arbeiten und parallel dazu studieren - gut vorstellen. Denkbar wäre für ihn, dass er sich beispielsweise für das Studienfach Logistik einschreibt und daneben praktische Berufserfahrungen im Unternehmen sammelt.

Erst einmal muss er seine Ausbildung erfolgreich abschließen und zugleich ein gutes Fachabitur schaffen. Dafür lernt er unter der Woche abends viel. «Aber am Wochenende habe ich komplett frei und kann ausschlafen und mich mit meinen Freunden treffen.» Es sei denn, in der kommenden Woche stehe eine Klausur an, dann setzt er sich auch samstags und sonntags zwei Stunden hin.

Eine Ausbildung absolvieren und sich gleichzeitig auf das (Fach-)Abitur vorbereiten: «Die drei Jahre sind beruflich fordernd, aber es ist machbar», fasst Carsten Berg zusammen. Schade findet er, dass dieses Doppelqualifikationsmodell noch nicht sehr bekannt sei.

Schließlich profitierten Arbeitgeber, die händeringend Fachkräfte suchen, ebenso davon wie junge Erwachsene, denen mit der Doppelqualifikation viele Türen offen stehen.

Was Pascal Brungs antreibt? «Ich möchte einen Job haben, der mir Spaß macht, gerne eines Tages auch in leitender Position, mehr verdienen und vor allem genug Geld haben, um in absehbarer Zeit eine Familie gründen zu können.»

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