Sofas mit Teddyfell, Tische mit Marmorplatten und mächtigen Beinen: So wollen die in Mailand vorgestellten Neuheiten ein ganz bestimmtes Wohngefühl vermitteln.
Die vielen Trends der Designmesse in Mailand, Salone del Mobile (bis 23.4.), lassen sich zu einem Satz zusammenfassen: Angesagt sind Möbel zum Wohlfühlen in unsicheren Zeiten.
Möbel zum Kuscheln
Weicher Bouclé-Stoff ist der große Trend für Sitzmöbel. Er erinnert an einen jahrelang abgekuschelten Teddybär, der nicht mehr so flauschig-weich wie am Anfang ist - dafür aber das Gefühl vertrauter Nähe vermittelt.
Die plüschigen Textilien «stillen unsere Sehnsucht nach Geborgenheit in diesen doch recht unsicheren Zeiten», erklärt die Trendanalystin Gabriela Kaiser. «Das Kuschelige ist aber auch die Gegenbewegung zu all den cleanen super-glatten Oberflächen, von denen wir täglich über unsere technischen Equipments wie Smartphone und Co. umgeben sind.»
Diesen Trend gab es zuvor schon bei der Bekleidung. Modefans wickelten sich vergangenen Winter in Jacken und Mäntel aus Bouclé oder dem noch weicheren Teddyplüsch. Letzterer kommt nun auch auf Möbel. Quinti ist zum Beispiel eine Kooperation mit dem Modelabel Max Mara eingegangen, das Sofa Kyokusen trägt quasi Teddyjacke.
Der größere Trend aber sind Bouclé und ähnliche Stoffe mit Schlingen, Schlaufen und Knötchen. Kaum ein Einrichter bietet solche Bezüge nicht an, kaum ein Stand in Mailand war ohne ein entsprechendes Schaustück - ob Versace Home Collections, Porada, Minotti und Kare, um nur einige zu nennen.
Auch farblich bleibt es sanft. Die große Zahl der Sofas und Sessel trägt Eierschalen-Weiß oder sehr helles Beige, ab und an sieht man auch noch - klassische Kuscheltierfarbe - ein helles Braun. Bei den Stühlen findet man mehr melierte Farbstrukturen, auch in knalligen Tönen.
Übrigens: Das Gefühl, das diese Möbel haptisch vermitteln, wird in vielen Fällen von ihrer Form unterstützt. Die Sitzmöbel sind überwiegend gerundet. Sessel wirken oft auch so, als würden sie ihre Lehnen und Körper zu einer Umarmung ausbreiten. «Eine einfache Form, in der der Körper freundlich aufgenommen wird», so Naoto Fukasawa über seinen neuen Sessel Cinnamon für Molteni&C.
Möbel, die Stabilität vermitteln
Noch etwas bemerkt man bei den Sofas und Sesseln: Vor kurzem stellten die Hersteller sie oft auf dünne Beinchen - so dass sie wirkten, als schwebten sie über dem Boden. Jetzt fehlen die Beine oder sie sind so kurz, dass wohl zwar Staub, aber kein Staubsauger unter das Sitzmöbel kommt.
Auch mancher Sofaname soll offenbar eine gewisse Sicherheit suggerieren, zum Beispiel das neue Modell von Zanotta mit der englischen Bezeichnung «Bumper». Auf Deutsch: Stoßstange.
Auch die Tische geben sich unerschütterlich: Ihre Beine erinnern an Elefantenfüße, Brückenpfeiler oder Gebirgszüge. So stämmig, so stabil.
Sie stehen im Kontrast zu den Vorstellungen vor ein paar Jahren. Damals überschlugen sich die Möbeldesigner förmlich darin, möglichst große Tafeln zu kreieren, die auf sehr dünnen Beinen stehen können.
Jetzt setzen sie zunehmend auf solide Tischbeine, die betonen: Hier wird Last getragen. Auch das ist eine Folge des aktuellen Zeitgefühls, so die Trendforscherin Gabriela Kaiser. «Die dickeren Beine schenken uns buchstäblich stabile Sicherheit.»
Inspiriert sind die Möbel auch von Symbolen und Institutionen, die Beständigkeit verdeutlichen. So stehe etwa der breite Fuß des Tisches Mateo von Molteni&C für die fast 90-jährige Geschichte des italienischen Traditionsunternehmens, so Creative Director Vincent Van Duysen. Wie Wurzeln, die tief verankert seien und die die zukünftige Entwicklung unterstützten.
Auffallend: Viele Neuvorstellungen der letzten Jahre werden nun ausgebaut zu Serien. So ergänzt zum Beispiel das deutsche Designerduo Kaschkasch den Esstisch P.O.V. für den Einrichter TON um Couchtische mit konischen Beinen, der Tisch Tadao von Draenert erhält alternative Steinbeine.
Möbel mit Marmor
Neue Ess- und Beistelltische und oft auch Kommoden tragen stabile Marmor- oder andere Steinplatten. Wie so mancher Trend brauchte diese Entwicklung ein paar Jahre. Es fing an mit den kleinen Beistell- und Couchtischen, die zunehmend in Gruppen aus verschiedenen Materialien zusammengestellt wurden.
Neben Holz, Glas und Kunststoff war auch Stein darunter. Der ging über auf die Esstische und ist nun angekommen bei allen Möbeln mit Auflagen zum Arbeiten und Abstellen.
Das kommt offenbar so gut an, dass nicht nur Neuvorstellungen den oft stark strukturierten Stein tragen, auch beliebte Designklassiker wie etwa der Bell Table von Sebastian Herkner für ClassiCon werden nun in Marmor-Varianten herausgegeben.
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Sofa Modell von Ferri 1956 - Die Ausstellungsstücke auf der Mailänder Möbelmesse kommen oft in neutralen Tönen, so auch das Modell von Ferri 1956. - Foto: Simone A. Mayer/dpa-tmn

Couch Bumper von Zanotta - Viele neue Sofas haben keine Beine, sondern bleiben ganz auf dem Boden. So auch die Couch Bumper von Zanotta. - Foto: Simone Barberis/Zanotta/dpa-tmn

Sitzmöbel von Quinti für Max Mara - Einrichter Quinti ist eine Kooperation mit dem Modelabel Max Mara eingegangen. Dessen kuschlige Mantelstoffe schmeicheln jetzt Sitzmöbeln und Besitzern. - Foto: Quinti x Max Mara/dpa-tmn

Sessel Cinnamon von Molteni&C - Im Sessel Cinnamon von Molteni&C soll sich der darin Sitzende umarmt fühlen. - Foto: Molteni Group/dpa-tmn

Sessel Cinnamon von Molteni&C - Zum Kuscheln: Sitzmöbel wie der Sessel Cinnamon von Molteni&C tragen flauschige Bezüge. - Foto: Molteni Group/dpa-tmn

Acerbis von Due Più - Manche Möbel tragen jetzt Fell: Acerbis bringt Due Più auf den Markt. Der Entwurf aus dem Jahr 1971 wird erstmals für den breiten Markt verfügbar sein. - Foto: Alberto Strada/Acerbis/dpa-tmn

Sessel Calin von Porada - Wenig Holz, viel weicher Stoff und mit rundlichem Sitz: Sessel Calin von Porada. - Foto: Porada/dpa-tmn

Tisch Tadao von Draenert - Der Tisch Tadao steht fest auf Naturstein. Der neue alternative Unterbau aus drei sternförmig angeordneten Steinwangen wirkt wie ein Propeller. - Foto: Draenert/dpa-tmn

Tisch BOL von Zanotta - Tische mit einem massiven Bein sind im Trend. Auch Zanotta bringt mit BOL ein Modell heraus. - Foto: Simone Barberis/Zanotta/dpa-tmn

Outdoor-Sessel von Rever - Auch draußen muss es manchmal kuschelig sein: Rever zeigte auf der Mailänder Möbelmesse einen Outdoor-Sessel mit Plüsch. - Foto: Simone A. Mayer/dpa-tmn

Mateo der Molteni Group - Standfest: Der stabile Unterbau des Tisches Mateo der Molteni Group ist laut dem Designer vergleichbar mit einem Wurzelwerk. - Foto: Molteni Group/dpa-tmn

Tillow von Porada - Marmor liegt im Trend. Auch bei Kommoden oder Nachtschränken, wie zum Beispiel bei Tillow von Porada. - Foto: Porada/dpa-tmn

Bell Table von ClassiCon - Material-Update: Auch Klassiker wie der Bell Table von Sebastian Herkner für ClassiCon werden nun in Marmor aufgelegt. - Foto: Daniel Breidt/ClassiCon/dpa-tmn