Die ersten Wohngebäude aus dem 3D-Drucker sind bezogen. Doch ist das innovative Verfahren schon jetzt eine ernsthafte Alternative für Häuslebauerinnen und Häuslebauer?
Häuser baut man Stein auf Stein? Nicht unbedingt. Man kann sie beispielsweise auch drucken - mit Beton aus einem großformatigen 3D-Printer. Das Drucken in drei Dimensionen ist in der Baubranche angekommen. Bislang vor allem in Form einzelner Pilotprojekte. Aber sie machen deutlich, worin das Potenzial des Verfahrens liegen könnte.
„Noch steckt die Technologie in den Kinderschuhen. Aber wir haben Sieben-Meilen-Stiefel an“, sagt etwa Alexander Hoffmann. Der Architekt und Mitinhaber des Planungsbüros Mense-Korte war maßgeblich an der Realisierung des ersten Wohnhauses aus dem 3D-Drucker im nordrhein-westfälischen Beckum beteiligt. Im Sommer 2021 wurde es fertiggestellt.
Als würde der Konditor eine Torte dekorieren
In dem betongrauen Kubus verteilen sich 160 Quadratmeter Wohnfläche auf Erd- und Obergeschoss. Auffallend sind die abgerundeten Ecken und die feinlinierte Struktur der Wände: Beim 3D-Druck von Häusern trägt eine Düse das Baumaterial – meist eine Mischung aus Beton und verschiedenen Zusätzen – in zentimeterdünnen Schichten auf. So als würde ein Konditor mit einem Spritzbeutel voller Sahne eine Torte dekorieren.
Der Druckkopf hängt in einer Traversenkonstruktion, einem Gerüst, das die Außenmaße des Gebäudes definiert, und fährt automatisiert den digitalen Bauplan ab. Das eröffne deutlich mehr Gestaltungschancen als beim klassischen Hochbau, sagt Hoffmann: „Für den Drucker spielt es keine Rolle, ob eine Wand gerade oder geschwungen ist. Das wäre im herkömmlichen Bau unfassbar teuer.“
Und es würde deutlich länger dauern: Das Drucken nimmt weniger Zeit in Anspruch als die gängigen Bauverfahren. Auf rund 100 Stunden belief sich beim Haus in Beckum die reine Druckzeit. Acht Monate dauerte es, bis das Haus inklusive Innenausbau komplett fertig war. Ein Jahr lang stand es Interessierten zur Besichtigung offen, mittlerweile ist es bewohnt.
Ökologischer Fußabdruck noch ausbaubar
Neben der Zeitersparnis beim Bau sieht Architekt Hoffmann noch weitere Vorteile: Es ist weniger Material erforderlich, „weil nur das gedruckt wird, was man tatsächlich braucht“. Und man benötige weniger Personal auf der Baustelle. Zwei bis drei Personen, die den Druckvorgang am Laptop überwachen, reichten aus.
Dennoch wird das Bauen mit dem Drucker die klassischen Bautechniken so schnell nicht ablösen, sagt Sebastian Heine. Der Bauingenieur forscht an der Bauhaus-Universität Weimar zum robotergestützten 3D-Betondruck. Mal eben in ein paar Tagen fehlenden Wohnraum mit dem Drucker hinzustellen, das funktioniere noch nicht, so Heine. Denn die Anforderungen sind hoch, an die technische Infrastruktur, an die Ausführenden, an den Baustoff.
Hier erwartet Heine in den kommenden Jahren noch viel Entwicklungsarbeit, vor allem zu Möglichkeiten, den ökologischen Fußabdruck des Materials zu verbessern: Die Herstellung von Zement ist nach wie vor sehr energieintensiv und mit hohen CO2-Emissionen verbunden. Der Beton für den 3D-Druck ist aufgrund der üblicherweise hohen Zementgehalte also nicht besonders nachhaltig.
Den ursprünglich sehr hohen Zementgehalt der Druckmasse von 500 bis 600 Kilogramm pro Kubikmeter habe man immerhin bereits halbieren und damit auf die im konventionellen Betonbau übliche Menge reduzieren können, sagt Heine. Auch zu alternativen Materialien werde geforscht, beispielsweise mit Gips oder Holzbeton. Und die Recyclingmöglichkeiten seien gut, versprechen die Hersteller: Das Material könne für neue Häuser oder im Straßenbau wiederverwendet werden.
Vom Pilotprojekt zur Massentauglichkeit?
Heine sieht derzeit das Potenzial der Technologie vor allem in der Fertigung einzelner Bauteile. Deckendurchbrüche, Schächte oder geschwungene Elemente müssen nicht aufwendig vor Ort in eine Schalung gegossen werden, sondern lassen sich im 3D-Drucker vorfertigen. Komplette Häuser aus dem Drucker – das sind vorerst Pilotprojekte, an denen die neue Technologie für die Praxis erprobt wird. Ein Mehrfamilienhaus wurde in Weißenhorn bei Ulm errichtet und das europaweit bislang größte gedruckte Haus steht in Heidelberg, es dient als Rechenzentrum.
Beim Bund Deutscher Architektinnen und Architekten ist man in der Bewertung eher zurückhaltend: „Wir beobachten den 3D-Druck-Bau mit Beton sowie ähnliche Verfahren mit Interesse, da die Bauwende sowie die Verbesserung der angespannten Wohnungsmarktsituation in den Städten verschiedene parallele Ansätze benötigt“, heißt es von dort.
Der Beckumer Architekt Alexander Hoffmann ist allerdings überzeugt, dass sich Wohnungsnot mithilfe der neuen Technologie lindern ließe: „Schon in wenigen Jahren wird das Bauen aus dem Drucker preisgünstiger sein als der klassische Hochbau. Man muss einfach mal anfangen.“
© dpa-infocom, dpa:240917-930-235484/1
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