Könige im PS-Quartett
Supersportwagen von Bugatti über Ferrari bis Porsche

04.05.2022 | Stand 12.05.2022, 16:46 Uhr

Rimac Nevera - Raketenstarter: Der vollelektrische Rimac Nevera soll den Sprint von 0 auf Tempo 100 in unter 2 Sekunden und eine Spitze von 412 km/h schaffen. - Foto: Philipp Rupprecht/Rimac/dpa-tmn/Handout

In den 1980er Jahren gab es einen solchen Technologiesprung, dass seither von Supersportwagen die Rede ist. Mittlerweile sind wir bei Hyper-Sportwagen. Doch ewig wird das so nicht weitergehen.

Egal ob Leistung, Tempo oder Preis: Wer den Ferrari F40 auf der Hand hatte, der war im Autoquartett nicht zu schlagen. Mit dem Tiefflieger aus Maranello schuf Ferrari 1987 eine neue Fahrzeugkategorie. 352 kW/478 PS stark und 444.000 D-Mark teuer, war er damals das erste Straßenauto, das an den 200 Meilen pro Stunde kratzte. Mit einem Spitzentempo von 321 km/h wurde der F40 zum neuen Supersportwagen erklärt.

Aber er blieb nicht alleine, sagt Oldtimer-Spezialist und Marktbeobachter Frank Wilke von Classic Analytics. Er zählt in diese Kategorie noch mindestens zwei weitere Autos aus dieser Ära: Den um die gleiche Zeit vorgestellten Porsche 959 und den McLaren F1, der 1993 zum ersten Mal auf die Überholspur stürmte.

Über 600 PS und Formel-1-Feeling

Der 331 kW/450 PS starke Porsche kam kurz vor dem Ferrari und war so mit seinen 317 km/h für ein paar Monate das schnellste straßenzugelassene Serienauto der Welt. Und auch der Preis war mit 420 000 D-Mark vergleichbar.

Und der McLaren bot mit dem in die Mitte gerückten Fahrersitz zu seiner irrwitzigen Leistung von bis zu 461 kW/627 PS und seinen 370 km/h Spitze auch noch das Fahrgefühl wie in einem Formel 1-Rennwagen. Der Preis war mit 1,5 Millionen D-Mark (circa 766 000 Euro) ebenfalls einsame Spitze.

Natürlich gab es schon immer sportliche Autos, schreiben die Kuratoren der Brüsseler Autoworld. Sie haben dieser Fahrzeugkategorie über den Jahreswechsel eine Sonderausstellung in ihrem Museum gewidmet. Dabei schlagen sie den Bogen zurück bis zu den Lamborghini Miura (1966) und Countach (1971), die sie jeweils als Ikonen der Vollgasfraktion ihrer Zeit führen, oder dem Mercedes 300 SL von 1954.

Renn- und Sportwagen von Anfang an

Und auch vor dem Krieg gab es mit Autos wie dem Bugatti Typ 35 oder dem Mercedes SSK schon Kandidaten für diese Kategorie. Denn im Grunde ist der Sportwagen so alt wie das Auto selbst, weil das nahezu vom ersten Tag an auch für Rennen genutzt wurde. Selbst wenn der Simplex, mit dem Mercedes etwa 1901 die Konkurrenz beim Bergrennen von Nizza nach La Turbie deklassierte, laut Classic-Sprecher Ralph Wagenknecht noch mit 29 kW/40 PS auskommen musste.

Doch der Aktienboom in den 1980er Jahren habe so viel Geld in die Kassen der Superreichen gespült, dass es Zeit war für eine neue Kategorie an Fahrzeugen war. Mit noch größerem technischem Aufwand und noch kleineren Stückzahlen, erklärt der amerikanische Sportwagenhändler Marshall Goldmann aus Beverly Hills die Genese von F40, 959 und F1.

Echte Nachfolger der Superrenner folgten erst später

Im Windschatten dieser Modelle hätten sich danach eine ganze Reihe weiterer Tiefflieger aus der Deckung gewagt und um Aufnahme in den Kreis der Spitzentrümpfe gebeten, sagt Frank Wilke. Doch so spektakulär Autos wie der Jaguar XJ220 von 1992, der Lamborghini Diablo (1990) oder - etwas früher - der BMW M1 (1978) auch gewesen sein mögen, lässt der Experte sie nicht als Supersportwagen gelten.

«Die haben zwar jeden Blick gefangen, waren aber zu konventionell konstruiert. Für die erste Liga braucht es immer auch einzigartige Technik», sagt er mit Blick auf die damals einzigartige Carbonkarosserie des F40 oder dem Mittelsitz im F1.

Deshalb dauert es auch gute Jahrzehnte, bis die nächste Generation von Supersportwagen an den Start geht und die Grenzen dabei so weit verschiebt, dass sie gleich als Hypercars gefeiert werden. Und passenderweise sind es mit Ferrari, McLaren und Porsche die gleichen Protagonisten. Die einzigartige Technik, mit der sie den Sprung in die nächste Dimension schaffen, ist diesmal der Hybridantrieb.

Mit elektrischem Dampfhammer

Inspiriert von der zaghaften Elektrifizierung der Formel 1 können LaFerrari, P1 und 918 Spyder damit nicht nur flüsterleise und zunächst sparsam durch die Stadt rollen. Sondern zumindest kurzfristig erreichen sie damit auch eine Leistung und mit ihr Beschleunigungswerte und Geschwindigkeiten, die bis dato schier unvorstellbar waren:

708 kW/963 PS, unter drei Sekunden von 0 auf 100 und 350 km/h bei den Italienern. Bei den Briten sind es 674 kW/916 PS, 2,8 Sekunden und ebenfalls 350 km/h. Bei den Deutschen stehen 652 kW/887 PS, 2,6 Sekunden und 345 km/h im Datenblatt. Damit waren die Trümpfe im PS-Quartett schon wieder neu verteilt.

Fehlen darf indes auch nicht der Bugatti Veyron (2005 bis 2015). Der war nicht minder spektakulär, aber mit seinem zwar gewaltigen 16 Zylinder und 8,0 Liter Hubraum großen und damals unvorstellbaren 883 kW/1200 starken Verbrenner trotzdem vergleichsweise konventionell gestrickt. 2016 folgte der Chiron. Diese Hypercars können langsam zu Youngtimern reifen oder in Museen wie der Brüsseler Autoworld parken.

Voll elektrische Potenzprotze

Doch die nächste Generation von Spitzensportlern läuft sich schon warm. Und die Petrolheads suchen schon wieder einen neuen Gattungsbegriff. Denn erstmals voll elektrisch angetrieben, erreicht ihre Leistung mit Spitzenwerten von bis zu 1471 kW/2000 PS einmal mehr ein neues Level. Die Eckdaten sind besser als in der Formel 1: Von 0 auf 100 in weniger als zwei Sekunden und mit Bleifuß über 400 km/h - da kommen selbst die Herren Verstappen und Hamilton kaum mit.

Und die Vollgas-Fraktion muss sich dabei auch an neue Namen gewöhnen. Ferrari, Porsche und McLaren setzen bei ihren Topmodellen zumindest bis dato noch auf Verbrenner setzen. Newcomer und Außenseiter wie Rimac, Pininfarina und Lotus schwingen sich mit ihren Überfliegern Nevera, Battista und Evija zu den neuen Spitzentrümpfen auf.

Ob und wie das Wettrüsten weitergehen wird, lässt sich schwerlich vorhersagen. Doch Experten wie Jan Burgard vom Strategieberater Berylls hegen berechtigte Zweifel an einer nächsten und übernächsten Generation von Überfliegern. Zumindest, wenn man sie nach den althergebrachten Disziplinen beurteilt.

Hyper, Hyper - und dann genau so weiter?

«Denn in der elektrischen Welt ist Leistung zu billig geworden, als dass man ein Auto darüber definieren könnte», sagt Burgard. Nicht umsonst hätten heute schon Limousinen wie ein Mercedes EQS mit seinen 560 kW/761 PS mehr Leistung als früher ein Supersportwagen. Von den bis zu 750 kW/1020 PS des Tesla Model S oder den 817 kW/1111 PS des Lucid Air ganz zu schweigen.

«Selbst wenn das noch mal jemand verdoppelt oder gar verdreifacht, kommen wir damit in einen Bereich, in dem die Unterschiede nur noch theoretisch sind und sie niemand mehr in der Praxis herausfahren kann», sagt Burgard und ergänzt:

«Wenn sich nicht jemand etwas grundsätzlich neues einfallen lässt und der Wettstreit sich auf andere Disziplinen wie das schnelle Laden der Batterien oder das Erlebnis jenseits des Fahrens verlagert, könnten die nächsten Hypercars deshalb auch die letzten sein.»

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