Schlichtweg atemberaubend

Ozma aus Straßburg im Ingolstädter Diagonal

17.11.2022 | Stand 19.09.2023, 5:08 Uhr

Sternstunde im Diagonal: Die Gruppe Ozma. Foto: Leitner

Von Karl Leitner

Ingolstadt – Was für eine schlichtweg atemberaubende Musik, welch kompositorische Finesse, welch inhaltliche Vielfalt. Ozma kommen aus Straßburg und räumen gnadenlos ab im Diagonal. Fintenreich, hochkonzentriert und hellwach präsentiert sich das vielleicht noch am ehesten dem hochelektrifizierten Rock-Jazz mit Electronics-Bestückung zuzurechnende Quintett. Und als das Konzert nach knapp zwei Stunden zu Ende ist, muss man erst einmal durchatmen.

Man kann und darf eigentlich Ozma, die bereits seit 20 Jahren existieren und auf immerhin acht Alben zurückblicken, eigentlich mit nichts und niemandem vergleichen, denn was sie von sich geben, ist absolut einzigartig, aber all diejenigen die an diesem Abend nicht anwesend sind, sollen zumindest wissen, was sie Großartiges versäumt haben, nämlich Stücke, bei denen die notierten Passagen quasi ohne Nahtstellen übergehen in die Phasen der Improvisation, in denen jeder einzelne Musiker als Solist Herausragendes leistet, bei denen aber letztendlich doch die Band zählt, die diese so überaus fintenreich angelegten und verwegen arrangierten Komposition als Gesamtkunstwerke präsentiert, ungemein souverän und doch voller Feuer, perfekt auf den Punkt gespielt und doch absolut locker.

Man sollte daraus keine Regel ableiten, aber manchmal ergeben sich doch überraschende Parallelen. In diesem Fall: Immer diese Schlagzeuger! Man nehme nur Bill Brufords Earthworks, Simon Phillips' Protocol oder Steve Smiths Vital Information. Diese einst oder auch auch heute noch ungleich bekannteren Bands gehen in eine ähnliche Richtung, spielen hochkomplexe, ja labyrinthartig angelegte Musik, oftmals Jazz, der sich der Sprache, des Instrumentariums und des Sounds des Rock bedient und ab geht wie die Post, dies allerdings nicht unbedingt auf bestens asphaltierten Straßen, sondern über Stock und Stein und scheinbar ohne Rücksicht auf irgendwelche Grenzen.

Wobei dieses Bild sogar ganz konkret zu Ozma passt, denn Stéphane Scharlé (Schlagzeug und Komponist aller Stücke), Edouard Séro-Guillaume (E-Bass, Electronics), Alois Benoit (Posaune) Julien Soro (Tenorsaxofon, Electronics) und Tam deVilliers (E-Gitarre) haben in Anlehnung an ihre letzte CD jedes Stück des Abends einer anderen Stadt gewidmet. „Dust City“ gehört zu Peking, „Clay Army“ zu Xi’An und der dort zu besichtigenden Terrakotta-Armee, „Hyperlapse“ zu Hamburg, das verrückt-wahnwitzige „Tuk – Tuk Madness“, in dem in einem Fort Rhythmen und Melodien – aber nur auf den ersten Blick – konzeptlos durcheinanderzulaufen scheinen, absolut passend der indischen Metropole Mumbai. Und mit dem speziell für Straßburg geschriebenen „Elevation“ in der Zugabe schließt sich dann der Kreis, in dem alles seinen Platz hat und sich doch dreht, teils in derart rasanter Abfolge, dass einem als Zuhörer mitunter durchaus schwindelig werden könnte.

Was für eine tolle Band, was für vielschichtige Kompositionen, die sich einem letzten Endes wohl nur durch mehrmaliges Hören vollständig erschließen, was für ein in allen Belangen herausragendes Konzert und in der Summe: Welch rundum schöner Abend im Diagonal.

DK



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