Zwischen Licht und Finsternis

Märchenhaftes Kinderstück: Standing Ovations für „Rose mit Dornen“ im Stadttheater Ingolstadt

13.11.2022 | Stand 20.09.2023, 2:18 Uhr

Das Märchen von Dornröschen lieferte die Grundlage für Charles Ways Bearbeitung „Rose mit Dornen“. Unter der Regie von Martina van Boxen spielen Ralf Lichtenberg, Jan Beller, Victoria Voss und Jessica Maderski (von links). Foto: Herbert

Von Anja Witzke

Ingolstadt – Es war einmal ein Königspaar, das wünschte sich sehnlichst ein Kind… Wer „Dornröschen“ kennt, weiß, wie es weitergeht. Der Wunsch wird erfüllt, aber bei der Taufe macht eine böse Fee Stress und verdonnert das Mädchen samt Hofstaat zu 100 Jahren Schlaf – bis am Ende ein Prinz zum erlösenden Kuss herbeieilt. Soweit die Fassung der Brüder Grimm. Das Stadttheater Ingolstadt hat für das Wintermärchen zwar den „Sleeping Beauty“-Stoff gewählt, sich aber für die Überschreibung von Charles Way entschieden, die nicht nur der magischen Welt mit Hexen, Waldgelichter und Halbdrachen mehr Raum einräumt, sondern vor allem eine Geschichte über Freundschaft, Mut und Selbstbestimmung erzählt. Ein bisschen Grusel gibt’s obendrein. Martina von Boxen hat „Rose mit Dornen“ im Großen Haus in Szene gesetzt. Bei der Premiere am Samstagnachmittag gab es viel Jubel und – eher ungewöhnlich bei einem Kinderstück – Standing Ovations. Autor Charles Way (67) war extra aus Wales angereist.

Schon der erste Blick auf den Zauberwald (Bühne: Michael Habelitz) ist verheißungsvoll: Pflanzenranken auf langen, schmalen Stoffbahnen verwehren die Sicht auf das Königsschloss und bilden ein perfektes Labyrinth zum Drin-verloren-gehen. Rechts und links fungieren zwei durchlässige White Cubes als moderne Hexenhäuschen. Hier schmieden Branwen, die Hexe des Lichts, und Modron, die Hexe der Finsternis, ihre Pläne. Zwei, die sich – unter Schwestern nicht unüblich – gern mal einen Zickenkrieg liefern. Dumm nur, dass ausgerechnet die fiese Hexe besser zaubern kann. Dafür hat die gute ein niedliches Haustier, einen Halbdrachen, der weder Feuer spucken noch fliegen kann. Aber weil Jan Beller ihm clowneske Gestalt verleiht, wird er rasend schnell zum Publikumsliebling. Denn ausgerechnet dieser Gryff soll – unsichtbar für erwachsene Augen – auf Prinzessin Rose aufpassen. Nicht so einfach, denn Rose ist als Teenager ziemlich gelangweilt vom Prinzessinnen-Dasein und sinnt auf Abenteuer – am liebsten im nah gelegenen Zauberwald. Als die Eltern sich ausgerechnet Owain aus dem benachbarten Königreich als (Spiel)Gefährten ausgucken, ist sie zunächst gar nicht begeistert – so farblos, schüchtern, desinteressiert und tölpelhaft er zunächst scheint. Trotzdem freunden sich die beiden an – und als der Fluch der bösen Hexe sich erfüllt, ist es schließlich Owain, der über seinen Schatten springt und alle retten wird.

Wunderbar hat Regisseurin Martina von Boxen dieses magische Abenteuer eingerichtet, indem sie das Märchenhafte mit Witz bedient, aber mit einer zweiten Ebene bricht: Mögen Peridur und Guinevere noch agieren wie ein mittelalterliches Königspaar aus dem Märchenbuch, so ist die junge Generation doch in der Jetztzeit verankert. Und die Fabelwesen haben sich ihre zauberischen Showauftritte sicherlich bei entsprechenden Netflix-Serien abgeguckt.

Und wie sie spielen! Klar liegt das Hexenduo in der Gunst der Zuschauer weit vorn: Paula Gendrisch als Branwen ist Sympathieträgerin par excellence, darf dann aber als Spinnenkönigin ins Unheimliche wechseln. Sophie Meinecke verleiht der Hexe der Finsternis abgründige Züge. Ralf Lichtenberg und Victoria Voss sind als Königspaar formidabel und dürfen als impertinente Feen ein bisschen flippen. Jessica Maderski gibt eine trotzige Prinzessin in Nöten, Tim-Fabian Hoffmann einen liebenswerten Loser-Prinz.

Die fantastischen Kostüme von Ulrike Obermüller, die frech Schottenkaro mit Steampunk kombinieren, die flirrenden, pochenden, dunklen Soundscapes von Thorsten Drücker und Vincent Hammel, das Spiel mit Licht- und Toneffekten, der Mix aus Poesie und Komik, die opulente Bildsprache und der Einfallsreichtum des Ensembles geben dem Kinderbuchklassiker ein aufregend modernes Gepränge. So muss Theater sein: wild, bunt und märchenhaft!

DK






ZUR PRODUKTION

Theater:

Großes Haus,

Stadttheater Ingolstadt

Regie:
Martina van Boxen
Komposition und

musikalische Leitung:

Vincent Hammel,

Thorsten Drücker
Bühne:
Michael Habelitz
Kostüme:
Ulrike Obermüller

Vorstellungen

im freien Verkauf:


26. Dezember, 14./15. Januar

Kartentelefon:

(0841) 30547200

URL: https://www.donaukurier.de/nachrichten/kultur/zwischen-licht-und-finsternis-7308824
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