Kleines Dorf ganz groß

In Sankt Johann steht das größte Hopfenverarbeitungswerk der Welt

28.10.2022 | Stand 22.09.2023, 4:03 Uhr

Im Spätsommer findet die Hopfenernte statt. Weigel, dpa-Archiv Fotos: BarthHaas/HVG, Weigel, dpa-Archiv

Von Nicole Gigler

Nur knapp über 1900 Einwohner zählt die niederbayerische Gemeinde Train (Landkreis Kelheim). Und doch ist es der Nabel der Welt – genauer gesagt der Hopfenwelt.



Denn dort im Gemeindeteil Sankt Johann steht das weltweit größte Hopfenverarbeitungswerk. Es gehört dem Joint Venture von BarthHaas (60 Prozent) und der Hopfenverwertungsgenossenschaft HVG (40 Prozent).

26 Prozent der Welternte landet in Sankt Johann

In dem kleinen Dorf werden 26 Prozent der weltweiten Hopfenernte zu Pellets verarbeitet oder extrahiert – pro Jahr zirka 30000 Tonnen. Der Hopfen kommt unter anderem aus deutschen Anbaugebieten wie der Hallertau und Tettenang. Es wird aber auch Hopfen aus anderen Ländern verarbeitet. Darunter Tschechien, Polen und Slowenien, in selteneren Fällen sogar aus den USA und Australien.

Das Endziel der Pellets und Extrakte: Brauereien in über 100 Ländern. Um die Größenordnung des Werks einzuordnen, nennt Johann Pichlmaier (kleines Bild), Vorstandsvorsitzender der HVG Hopfenverwertungsgenossenschaft, folgendes Beispiel: „Wenn Sie heute irgendwo auf der Welt ein Bier trinken, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Hopfen dieses Werk verlassen hat, bei einer Größenordnung von 50 Prozent.“ Die hohe Wahrscheinlichkeit liege vor allem daran, dass man viele „volumenstarke, große Biermarken“ beliefere.

Bevor es sich Bierliebhaber schmecken lassen können, müssen erst die 190 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Sankt Johann ran. Bei der Pelletierung muss der Hopfen gemahlen und gepresst werden. Für den Hopfenextrakt kommt Kohlendioxid und pelletierter Hopfen zum Einsatz. Dieser wird in einen großen Behälter gefüllt. Mit Hilfe von CO2 werden unter hohem Druck Bitterstoffe und Hopfenöle extrahiert. „Damit erhält das Bier den Geschmack, das Aroma, die Schaumstabilität“, erklärt Pichlmaier.

Neues Extraktionswerk seit 2020 in Betrieb

Erst seit 2020 wird der Hopfen in Sankt Johann extrahiert. Zuvor erfolgte diese Art der Verarbeitung im 25 Kilometer entfernten Wolnzach. Umständlich war das. Schließlich mussten die Dolden zuvor in Sankt Johann pelletiert werden. „Wir haben es aus logistischen Gründen zusammengelegt. So sparen wir auch Kosten und Energie“, sagt Pichlmaier. In der neuen Anlage sieht Pichlmaier aber noch viel mehr als eine Einsparmöglichkeit, es sei ein Bekenntnis zur Hallertau: „Wenn man bedenkt, dass BarthHaas auch in den USA und in Australien in der Hopfenverarbeitung engagiert ist, spricht eine so große Investition hier in der Hallertau eine klare Sprache.“ Zudem glaube er, so „vor allem auch bei der Extraktion weltweit Benchmarks setzen“ zu können. Rund 60 Millionen Euro ließen sich die Hopfenhandelsfirma BarthHaas und die Hopfenverwertungsgenossenschaft HVG das Ganze kosten. Die Fertigstellung – eigentlich ein Grund zum Feiern. Aufgrund der Corona-Pandemie war dies damals nicht möglich. Kommenden Montag wird es aber soweit sein: Eine feierliche Eröffnung samt Bier- und Hopfentalkrunde findet statt.

Ob der Endverbraucher schließlich ein Bier gemacht aus Pellets oder Extrakt in der Hand hält, hängt laut dem Vorstandsvorsitzenden ganz von der Philosophie und der Technik des Herstellers ab. „Sehr häufig ist es ein ,sowohl als auch‘ anstatt eines ,entweder oder‘. Der wesentliche Vorteil von Extrakt liegt sowohl im geringeren Volumen als auch in der längeren Haltbarkeit und der einfachen Dosierung.“ Fakt ist: Egal ob aus Pellets oder Extrakt – nach Bier schmeckt es trotzdem.

In Wolnzach setzt man auf Naturstoffe

In Wolnzach wird nun gar kein Hopfen mehr verarbeitet. Stattdessen legt man dort nun den Fokus auf Naturstoffe. „Mehr als 20 Dinge werden in Wolnzach extrahiert“, sagt Pichlmaier. Lupinen, Hirse, Sonnenblumen, Kakao und Hanf sind nur wenige Beispiele. Das meiste fließt in die Bereiche Nahrungsergänzungsmittel, Kosmetik und in die Vorstufen von Pharmaprodukten, beispielsweise CBD-Öl. Welche Produkte daraus genau entstehen, weiß Pichlmaier hingegen nicht. „Das verfolgen wir nicht mehr nach.“

Für die Zukunft wird den Worten des Vorstandsvorsitzenden nach weiter an der Digitalisierung getüftelt. Zudem wünsche man sich unabhängiger von den Energiepreisschwankungen zu werden, denn die Hopfenverarbeitung sei sehr energieintensiv.

DK



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