Volksmusikpreis 2022

LaBrassBanda: „Wenn die Leute Gaudi haben, ist es Volksmusik“

Chiemgauer Band LaBrassBanda bekommt Auszeichnung der Mediengruppe Bayern - Stefan Dettl im Interview

21.09.2022 | Stand 22.09.2023, 5:26 Uhr

„Wenn wir als Markenbotschafter wahrgenommen werden, wenn Bayern ein bissl bunter offener und vielfältiger wird, dann finde ich das super“ sagt Stefan Dettl (Mitte) von LaBrassBanda. −Foto: David Königsmann

Von Raimund Meisenberger

Sie kommen aus dem Chiemgau und sie sind eine Institution in ganz Bayern und weit darüber hinaus: Die Blechbläserband LaBrassBanda um Sänger und Bandleader Stefan Dettl. Im Interview spricht er über Volksmusik, Grenzen, Dialekt und kulturelle Aneignung.



Für die Verdienste um die bayerische Kultur wird LaBrassBanda 2022 mit dem Internationalen Volksmusikpreis der Mediengruppe Bayern mit den Zeitungen Passauer Neue Presse, Donaukurier und Mittelbayerische Zeitung ausgezeichnet.

Herr Dettl, LaBrassBanda bekommt den „Menschen in Europa“-Volksmusikpreis der Mediengruppe Bayern. Ihre Band spielt alles von Reggae und Soul bis Techno. Welche Rolle spielt Volksmusik dafür, dass es LaBrassBanda gibt und wie die Band klingt?
Stefan Dettl: Die beste Beschreibung dafür stammt von unserem ersten Bassisten, der als Techno-DJ zur Band gekommen ist und mit Blechbläsern überhaupt nix zu tun hatte. Auf die Frage „Spielt ihr eigentlich Volksmusik?“ hat er gesagt: „Na ja, das ist ja Musik fürs Volk – und darum spielen wir auf jeden Fall Volksmusik!“ Es bringt ja nix, Volksmusik in so Kategorien wie „alte“, „ehrliche“, „echte“ und „neue“ zu stampfen. Das finde ich alles einen Schmarrn. Wenn die Leute eine Gaudi haben, dann ist es Volksmusik – so würde ich das definieren.

Wann kamen Sie in Berührung mit Volksmusik?
Dettl: Ich war als kleiner Bub in der Blasmusik bei uns daheim in Grassau, wir haben bei den ganzen Festen gespielt. Es gab da zwei Gruppen: Eine hat mehr konzertante Sachen gespielt, man hat auf einen Auftritt hingeprobt, das Publikum ist gesessen und hat zugehört. Die zweite Gruppe war für Unterhaltungsmusik zuständig – da hat das Publikum Brotzeit gemacht, gelacht, mitgesungen und getanzt. Das ist für mich Volksmusik. Das macht mir immer noch am meisten Spaß: Wenn die Leute uns anlachen und aufgehen und einen schönen Tag haben.

Bevor man auftritt, muss man erst mal ein Instrument lernen.
Dettl: Das stimmt. Aber das geht relativ schnell. Ich hab’ daheim eine Trompete vom Opa gehab, da hab’ ich reingeblasen. Oder du hörst im Fernsehen ein Stück und spielst mit. Dann gehst du zur Blasmusik und bist sofort dabei. Es kann sein, dass du in zwei Wochen schon auf der Bühne stehst und es geht dahin! Der Opa hat das geliebt, dass er mit seiner Trompete durch die Lande fährt, das hab ich eindeutig von ihm geerbt.

Sie haben Trompete klassisch und im Jazz studiert. Warum ist die Volksmusik noch reizvoll?
Dettl: Ich glaube, man kann die Frage fast umdrehen: Wenn man Klassik nach Noten spielt und die Leute klatschen, das ist das erst mal relativ simpel. Die höchste Herausforderung ist es, dass man Leute begeistert, egal in welchem Fach. In der Hinsicht ist Volksmusik genau so schwierig wie Klassik und Jazz – und Straßenmusik ist das Allerschwierigste. Nur wenn du ganz fremde Leute ansprechen und begeistern kannst, hast du eine Chance, Musik als Beruf auszuüben. Du kannst jahrelang im Kammerl noch so fleißig üben, aber das Entscheidende ist der Kontakt zum Publikum.

Durch Bands wie LaBrassBanda und Festivals wie das Woodstock der Blasmusik in Oberösterreich, bei dem ihr Stammgast seid, feiern junge Leute ganz selbstverständlich Landler und Hip-Hop gleichermaßen. Sind die Grenzen zwischen Volksmusik und Pop fließend geworden?
Dettl: Das ist auf alle Fälle fließender geworden! Im Radio und im Fernsehen oder in den Medien, wo man Dinge immer so einordnen muss, waren das ganz verschiedene Geschichten. Aber in der Praxis war’s immer schon fließend. Das hat’s immer schon gegeben, dass ein Jazzmusiker von der Bühne runtergeht, und da steht einer mit der Ziach und dann spielen sie Volksmusik. Oder dass klassische Musiker privat total gern Blas- oder Tanzlmusi spielen. Neu ist, dass jetzt die Aufmerksamkeit da ist, dass das okay ist. Man könnte jetzt im Radio eine bayerische Band spielen und danach ein klassische Stück und dann was Modernes – da hoffe ich, dass sich das in den Medien verändert in den nächsten Jahren.

Ihr habt eure Blechblasmusik – mitsamt Lederhosen – erfolgreich in andere Kontinente getragen. Was kann man richtig oder falsch machen, damit bayerische Kultur im Ausland gut ankommt?
Dettl: Das Einzige, was man falsch machen kann, ist, dass man zu lange überlegt, bevor man eine Reise angeht (lacht). Wir haben das am Anfang aus der Not heraus gemacht, weil in Bayern noch nicht so die Nachfrage war nach der Art der Musik, die wir gemacht haben. Aber in Kroatien, Bosnien und England halt schon. Seitdem versuchen wir, alle paar Jahre eine große Reise zu machen.

Welche Reaktionen bekommt ihr im Ausland auf den Dialekt?
Dettl: Das mit dem bairischen Dialekt und den Lederhosen ist lustigerweise nur in Bayern ein Thema. Mich hat noch nie ein Journalist außerhalb von Bayern gefragt, warum wir Bairisch singen und warum wir Lederhosen anhaben. Einen Neuseeländer fragst du auch nicht, warum der seine Tracht anhat und in seiner Sprache singt. Uns hat nur mal ein Neuseeländer gefragt, woher genau aus Neuseeland wir kommen, weil er den Dialekt nicht kannte. Das ist für mich das größte Kompliment, dass wir da überhaupt nicht mehr verortet wurden, sondern einfach als Musiker wahrgenommen worden sind.

Können Sie eigentlich akzentfrei Hochdeutsch sprechen?
Dettl: Nur in Notsituationen! Wenn mich jemand auf der Straße fragt „Wo geht’s zum Krankenhaus?“, dann funktioniert’s. Aber Hochdeutsch ist keine Sprache, die Spaß macht.

Ihr werdet gelobt als Botschafter der bayerischen Kultur – inwiefern war das ein Anliegen?
Dettl: Als Musiker willst du natürlich schon eine Aussage machen. Unsere Aussage war schon immer die Vielfalt und das Bunte und das Spannende. Wenn wir damit als Markenbotschafter wahrgenommen werden, wenn Bayern ein bissl bunter offener und vielfältiger wird, dann finde ich das super!

Ihr lasst euch inspirieren von Musik anderer Kulturen, von schwarzer und karibischer und Balkanmusik. Was sagen Sie zur Debatte über kulturelle Aneignung? Wann darf man Elemente einer anderen Kultur übernehmen und wo beginnt die Ausbeutung?
Dettl: Ich finde es gut und wichtig, dass man darüber überhaupt debattiert. Aber man sollte immer schauen, wer was sagt und wie er es sagt. Wenn man Menschen und Gruppen, die nicht so im Rampenlicht stehen, ein bissl mehr Aufmerksamkeit schenkt, dann ist auf jeden Fall das nicht schlecht.

Ist es in Ordnung, wenn ein deutscher Musiker Dreadlocks auf dem Kopf trägt?
Dettl: Ich find’ das super. Und es kommt auf den konkreten Typen an: Was macht der in seinem Leben, wie verhält der sich, was leistet er für die Gesellschaft? Das ist mir wichtiger als das, wie er ausschaut. Ich habe früher in einer Reggae-Band gespielt, die Hälfte der Band hatte Dreadlocks, das war damals eben das neue Hippietum. Wenn das jemand schlimm findet, muss man halt drüber reden. Das schadet nie.

Viele Künstler, die auf dem Land aufwachsen, zieht es in die Metropolen. Sie leben auf einem Bauernhof in Truchtlaching im Chiemgau. Warum?
Dettl: Ich glaube, weil wir eh so viel unterwegs sind. Wir erleben ja andere Orte und andere Bands und andere Menschen. Und dann wieder daheim sein aufm Land und herunterfahren, das ist für mich optimal.

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