Greding/Thalmässing

Später Respekt für den „Mässinger Haufen“

12.08.2022 | Stand 12.08.2022, 15:59 Uhr

Buchstäblich in eine Sackgasse manövrierten sich die aufständischen Bauern vor knapp 500 Jahren am Hofberg hoch über Obermässing. Entsteht hier zum Jubiläum ein Denkmal? Foto: Auer

Obermässing Die Gegend um Thalmässing war im Bauernkrieg eine Zelle des Aufstands – doch die Erinnerung an die dramatischen Ereignisse vor knapp 500 Jahren ist in der Bevölkerung kaum vorhanden und wenn, dann meist einseitig. Einigen Geschichtsfreunden ist das schon lange ein Dorn im Auge. Rechtzeitig vor dem Gedenkjahr 2025 mobilisieren sie die Menschen im weiten Umkreis. Ihr Ziel: späte Ehre für frühe Vorkämpfer der Demokratie

Geschichte wird von den Siegern geschrieben, und die entscheiden, in welch trübem Licht die Verlierer dastehen und ob man sich künftig überhaupt noch an sie erinnert. Nur so lässt sich erklären, dass ein dramatisches Ereignis in der Geschichte unserer Region im kollektiven Gedächtnis fast völlig in Vergessenheit geraten ist. Der Bauernkrieg versetzte 1525 auch das Gebiet im Dreieck zwischen Berching, Greding und Beilngries in hellen Aufruhr. Er endete in einem Blutbad. Noch drei Jahre, dann ist das 500 Jahre her.

Wolfgang Brand (73), Allgemeinmediziner aus Beilngries, und sein alter Freund Thomas Kaiser (73), Unternehmer aus München mit Wohnsitz in Denkendorf, haben als junge, aufmüpfige Studenten erlebt, wie reaktionär das 450-jährige Jubiläum des Bauernkriegs in einer Ausstellung behandelt wurde und wie schlecht die Bauern und ihre berechtigten Forderungen dabei wegkamen.

Thomas Kaiser erinnert sich: „Wir waren damals völlig entsetzt und enttäuscht.“ Sie schworen sich in jugendlichem Übermut: Falls sie beide das 500-Jährige noch erleben sollten, würden sie dafür sorgen, dass mit diesem Thema, dem „Aufstand des gemeinen Mannes“, angemessen umgegangen würde. Wolfgang Brand sagt: „Wir haben uns so geärgert über das Bauern-Bashing in dieser Ausstellung, wir hatten so eine Wut im Bauch: Die wurden als dumpfe, plumpe, sengende, versoffene Bauern dargestellt.“ Und das habe sich auch in den Jahrzehnten danach nur langsam geändert.

Jetzt ist es Zeit, das alte Versprechen, den Schwur von 1975, einzulösen. „Hopp, jetzt packen wir das an!“, sagte Kaiser zu Brand. Es sind noch drei Jahre bis zum Jubiläum, gerade genug Zeit für eine ordentliche Vorbereitung, und sie haben sich Verstärkung geholt. Zum dreiköpfigen Kernteam gehört nun auch noch Gerlinde Delacroix aus Berching, der weitere Zirkel besteht derzeit aus einem Dutzend geschichtsbegeisterten Menschen aus der Region. Tendenz steigend. Seit etwa einem halben Jahr ist die lose Gruppe unter dem Namen „Initiative 1525“ aktiv, berichtet auf ihrer Homepage www.maessinger-haufen.de über ihr Anliegen und ihre Aktivitäten und schildert die historischen Zusammenhänge. Konkretes Ziel ist es, zum 500-Jährigen in drei Jahren in der ganzen Region, aus der die Bauern damals zum Hofberg strömten, eine angemessene Erinnerungskultur zuwege zu bringen.

„Es ist unglaublich, welche Türen wir einrennen“, sagt Wolfgang Brand fassungslos. Gerlinde Delacroix konnte mit dem Thema sogar Bayerns Landtagspräsidentin Ilse Aigner faszinieren. Vor kurzem kamen zu einer Infoveranstaltung in Obermässing rund 40 Leute zusammen, alle hoch interessiert. Die Katholische Universität in Eichstätt nimmt sich der Sache an, der Verfasser des längst vergriffenen Buchs „Der Bauernkrieg im Hofstift Eichstätt“, Josef Seger, ist mit an Bord, nachdem er sich von der Seriosität des Unternehmens überzeugt hat. Soeben hat die Initiative sein Werk nachdrucken lassen – man kann es über die Homepage dort nun für 25 Euro endlich wieder kaufen.

Vielen Menschen in der Region werde klar, sagen Kaiser, Brand und Delacroix, dass ihre unmittelbaren Vorfahren aus den Dörfern im weiten Umkreis, von Neumarkt bis Ingolstadt und Altmannstein, von Nürnberg bis Wellheim, damals mit all ihrem Mut für berechtigte demokratische Forderungen am Hofberg auf die Barrikaden gingen. Der Bauernkrieg: Er war weniger ein Krieg, also vielmehr eine soziale Erhebung – und nicht weniger als einer der frühesten deutschen Kämpfe um Menschenrechte.

Der „Initiative 1525“ geht es darum, „unsere Vorfahren, die Bauern, zu rehabilitieren und ihre Darstellung in der Geschichte zurechtzurücken“. Sie seien in ihrer großen Mehrheit friedliche Menschen gewesen, die verhandeln, nicht kämpfen wollten und sich schließlich auch nicht fanatisch einem Massaker stellten, sondern lieber in letzter Minute das Weite suchten. „Die Unseren haben mit ihrem Abzug vom Hofberg eine gewisse fränkische Schläue bewiesen“, meint Thomas Kaiser. Bis 2025 solle ihnen an möglichst vielen Orten sichtbar Respekt erwiesen werden.

Es soll Erinnerungsorte geben, einen davon ganz sicher direkt auf dem Hofberg, der bisher laut Thomas Kaiser „völlig unterspielt ist“. Vielleicht wird es dort ein Denkmal geben, aber das bleibt den Menschen vor Ort überlassen. Eines ist aber jetzt schon sicher: Der Aufstand des „Mässinger Haufens“ wird nie mehr das sein, was er so lange war: ein blinder Fleck in der bayerischen Geschichte.

DK

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