Fragen und Antworten

Alle drei Monate impfen? Alles rund um die neuen Corona-Regeln

05.08.2022 | Stand 22.09.2023, 20:17 Uhr

Die Fülle ungelöster Fragen, die die geplanten neuen Corona-Regeln aufwerfen, die ab 1. Oktober gelten sollen, ist selbst für einen Kompromiss bemerkenswert. −Symbolbild: dpa

Von Thomas Vitzthum

Ab Herbst sind neue Corona-Regeln geplant. Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick:



Das Wesen des politischen Kompromisses ist es, dass er Ideen und Formeln hervorbringt, die der Interpretation und Präzisierung bedürfen. Der Plan für ein neues Infektionsschutzgesetz von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und Justizminister Marco Buschmann (FDP) ist ein solcher Kompromiss.

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Doch die Fülle ungelöster Fragen, die die geplanten neuen Corona-Regeln aufwerfen, die ab 1. Oktober gelten sollen, ist selbst für einen Kompromiss bemerkenswert. Schließlich hat Deutschland mit der Pandemie doch schon zweieinhalb Jahre Erfahrung.

In erster Linie erweckt der bisherige Plan den Eindruck, dass die beiden Minister bemüht waren, jeweils über Umwege ihre Auffassung doch noch durchzusetzen. Dieser politischen Konkurrenzsituation ist ein Katalog an Maßnahmen geschuldet, der wenig Orientierung bietet.

Wer hat sich durchgesetzt?

Prinzipiell steht das gesamte Instrumentarium von Corona-Maßnahmen zur Verfügung. Also Maskenpflichten, Testpflichten, Abstandsgebote, Vorgaben zu Impfungen und Genesenenstatus, auch Personenobergrenzen für Veranstaltungen sind möglich. Lockdowns, Schulschließungen und Ausgangssperren soll es nicht mehr geben. Schon im vergangenen Winter wurden diese drei Maßnahmen nicht mehr flächendeckend angewendet.

Der Regel-Katalog trägt die Handschrift Lauterbachs. Der FDP ist es zuzuschreiben, dass die meisten Regeln nicht bundesweit erlassen werden. Die Liberalen wollten damit vermeiden, dass sich der Bundestag oder das Kabinett als Ort präsentiert, wo den Bürgern Pflichten auferlegt werden, die sicher viele Menschen nur noch nerven. Die Regelfestsetzung wird deshalb an die Länder delegiert. Lauterbach nahm das hin. In der Hoffnung, dass die Länder exekutieren, was er gegen die FDP nicht durchsetzen konnte. Sein Kalkül könnte aufgehen.

Sind die Regeln ausreichend?

Die Bürger zahlen den Preis für dieses politische Manöver. Wieder einmal müssen sie sich darauf einstellen, dass die Regeln von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich ausfallen. Die Länder üben erwartbar Kritik. Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) kritisiert die Pläne als „vage“ und zum Teil nicht praxistauglich. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) hält der FDP vor, in das Gesundheitsministerium hineinzuregieren.

Insgesamt erwecken die Reaktionen der Länder aber nicht den Eindruck, dass ihnen die Pläne zu weit gingen. Im Gegenteil. Es hat den Anschein, als hätten sich einige gewünscht, noch viel härtere Maßnahmen ergreifen zu können – wie etwa Lockdowns. Kritik gibt es auch daran, dass Grundschulkinder nicht mit Maskenpflicht belegt werden sollen. Lockdowns gab es im vergangenen Jahr noch in Bayern oder Sachsen. Sie fußten noch auf Regelungen des alten Infektionsschutzgesetzes aus schwarz-roten Regierungszeiten.

Wie werden die Maßnahmen ausgelöst?

Mühe gegeben hat man sich bei der „Vermarktung“ des neuen Regelkatalogs. So werden die nach Auffassung der Ressorts weniger einschneidenden Maßnahmen als „Winterreifen“ bezeichnet. Die weitergehenden firmieren unter „Schneeketten“. Die sollen zum Einsatz kommen, wenn eine „konkrete Gefahr für Gesundheitssystem und Kritis“ besteht. Mit „Kritis“ ist die kritische Infrastruktur gemeint, die im vergangenen Herbst und Winter, aber auch in diesem Sommer regional immer mal wieder schwer belastet war. Systemische Komplettausfälle gab es indes nicht.

Wann die Überlastung aber vorliegt, wird nicht an konkreten Kennzahlen festgemacht. Das sorgt nachvollziehbar für Kritik. Gerald Gaß von der Deutschen Krankenhausgesellschaft sagte dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“: „Unklar bleibt noch immer, anhand welcher Indikatoren tatsächlich Gefährdung festgestellt werden muss.“

Wie geht es weiter mit Masken, Tests und Impfungen?

Ausgerechnet da, wo die Corona-Regeln den Alltag der Bürger am empfindlichsten tangieren, wirft der Kompromiss die meisten Fragen auf. Die FFP2-Maske soll generell in Fern- und Flugverkehr, in Krankenhäusern und Pflegeeinrichten getragen werden. Die Länder können festlegen, ob auch in „öffentlich zugänglichen Innenräumen“ Maskenpflicht eingeführt wird. Doch was ist ein öffentlich zugänglicher Innenraum? Das ist nicht näher definiert.

Restaurants, Bars, Kultur- und Freizeiteinrichtungen sowie der Sport können nach Länder-Beschluss ebenfalls mit Maskenpflicht oder Testpflicht belegt werden. Allerdings soll es hier „zwingend“ Ausnahmen geben für Getestete sowie „frisch“ Geimpfte und Genesene. Einfacher wird dadurch aber nichts. Denn der Status gilt jeweils nur drei Monate. Heißt, wer etwa im Juni als vierfach Geimpfter Corona bekam, einen PCR-Test hat machen lassen, profitiert zum Start des Gesetzes nicht mehr davon.

Auch sollen die Gastronomen den Status ihrer Gäste kontrollieren. Allen Ernstes hat Justizminister Buschmann dabei ins Spiel gebracht, dass die frisch Geimpften, Getesteten und Genesenen Aufkleber bekommen sollten, damit sie sich von den übrigen unterschieden. Ob man dies als Stigmatisierung begreifen muss, steht dahin. Jedenfalls gab es in der Pandemie noch nie eine Kennzeichnungsidee dieser Art.

Kommt der indirekte Zwang zu regelmäßigen Impfungen?

Wer dann Tests und Masken vermeiden will, muss sich in der Logik des Plans entweder regelmäßig mit Corona anstecken oder alle drei Monate impfen lassen. Der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Gassen, sagte im „Deutschlandfunk“, dass man die Bürger aber nicht alle drei Monate impfen könne. Auch die Ständige Impfkommission spricht sich aktuell nicht einmal für die vierte Impfung für Menschen unter 60 Jahren aus. Zahlreiche Virologen wie Hendrik Streeck sehen keinen Anlass dafür. Lauterbach hingegen empfahl die nächste Booster-Impfung für alle schon vor einigen Wochen. Mit dem neuen Plan erhöht er nun den Druck auf alle, dem nachzukommen. Und zwar regelmäßig.

Wer zahlt für die Tests?

Wer nicht ständig nachimpfen will, muss sich testen lassen, sollte dies ein Bundesland beschließen. Das bringt ebenfalls Probleme. Tests für Gesunde kosten seit 30. Juni Geld. Eine Sprecherin des Gesundheitsministers sagte am Mittwoch, die geltende Testverordnung „gilt so lang wie sie gilt“. Wer nach Gesetzeserlass also ins Konzert gehen will, müsste drei Euro extra für einen Test einplanen. Für die immer noch darbende Kulturbranche wäre das wohl ein Desaster. Zumal die Länder auch die Zahl der Besucher und Abstandsregeln verhängen können.

Ist der Plan schon endgültig?

Nein. Der Plan stellt den Kompromiss dar, der innerhalb der Bundesregierung möglich war. Nun wird im parlamentarischen Verfahren darum gerungen. Da den Plänen aber bereits Absprachen zwischen Justiz- und Gesundheitsministerium zugrunde liegen, dürfte sich nicht mehr sehr viel ändern. Aus den Regierungsfraktionen kommt viel Lob.

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