Wie soll unser Kulturleben künftig aussehen?

Ein ganzes Jahr lang dreht sich im neuen bayerischen Städtefestival alles um die Themen Kunstklima und Klimakunst

04.08.2022 | Stand 22.09.2023, 20:18 Uhr

Dr. Christine Fuchs leitet die Geschäftsstelle des Netzwerks STADTKULTUR. Das Kultur-Forum ermöglicht kollegialen Austausch, Vernetzung, Fortbildungen und gemeinsame Veranstaltungen, Projekte und Festivals. Foto: Klotzeck

Von Anja Witzke

Ingolstadt –Eine Schwimmbecken-Leiter im blauen Nichts. Und links oben drei Wörter aufeinandergeschichtet: Kunst Klima Kunst. So sieht das Plakat für ein neue Festival der Künste aus, das in rund 20 bayerischen Städten vom Sommer 2022 bis zum Sommer 2023 stattfindet. Initiiert hat es der Verein Stadtkultur – Netzwerk Bayerischer Städte –, dessen Geschäftsstellenleiterin Christine Fuchs in Ingolstadt beheimatet ist. Der Gestaltungsentwurf des Plakats ist an der Akademie in Nürnberg entstanden, in der Grafikklasse von Holger Felten. „In den Gesprächen hat sich schnell ergeben, dass es gut ist, das Festival ,Kunst. Klima. Kunst‘ zu nennen. Weil es sowohl Kunstklima meint als auch Klimakunst – und gleichzeitig das Thema Klima von den Künsten umrahmt wird“, erklärt Christine Fuchs. Dass jeder Schriftzug für sich hat etwas sehr Instabiles hat, soll auf die gegenwärtige unsichere Situation der Kultur in den Nach-Corona-Zeiten hinweisen. „Doch durch das Zusammenwirken kann es zu einer dynamischen, kraftvollen Einheit werden.“

Und die Leiter? Klar: Man assoziiert sehr schnell ein Schwimmbad. Aber die Frage ist doch: Wie ist das mit dem Wasser? Ist da überhaupt Wasser? „Wir haben das Problem in den Städten, dass viele Städte darüber nachdenken, ihre Schwimmbäder zu schließen, weil sie die einfach nicht mehr unterhalten können. Oder zumindest die Temperatur zu reduzieren. Das ist gerade ein großes Thema“, erklärt Christine Fuchs. Die Leiter könnte aber auch bedeuten: Es gibt einen Weg raus!

Das Netzwerk Stadtkultur ist das Kultur-Forum von fast 60 bayerischen Städten und Gemeinden. Es ermöglicht kollegialen Austausch, Vernetzung, Fortbildungen, gemeinsame Veranstaltungen, Projekte und Festivals. Heuer geht es dabei um das Klima. Wie soll unser Kulturleben künftig aussehen? Und welches Klima schaffen wir? Wie können Großereignisse, internationale Events, Konzerte und Projekte wieder ihr Publikum finden und zu klimaneutralen Formaten entwickelt werden? Welche Art von kultureller Veranstaltung kann in Zukunft sowohl für den Menschen als auch für unsere Umwelt funktionieren? Wie schlägt sich das Klima in den Künsten nieder?

Seit eineinhalb Jahren befasst sich das Netzwerk Stadtkultur bereits mit all den Fragestellungen rund um Klimawandel, Nachhaltigkeit und Kunst. „Es ist dringend notwendig, dass sich die Kultureinrichtungen dieses Themas annehmen, weil sonst die entsprechenden Schritte ohne die Kulturverantwortlichen gemacht werden. Wir wollen aber diese Prozesse kulturell begleiten und mitgestalten“, sagt Christine Fuchs.

Und dabei geht es um ganz pragmatische Fragen – etwa nach der Betriebsökologie. „Die erste Frage ist: Was produziere ich noch – außer Kultur? Der CO2- Rechner wird das kuratorische Instrument der Zukunft sein“, ist Christine Fuchs überzeugt. „Neben dem Finanzbudget wird es um die Frage gehen: Wie viel CO2 produziert jede einzelne Veranstaltung? Wo gibt es Einsparmöglichkeiten? Wie kann man klimatechnische Anforderungen bei einer Ausstellungskonzeption mitbedenken? Damit werden sich die Kultureinrichtungen und Festivals auseinandersetzen müssen.“

Denn: „Wir befinden uns – weltweit – in einer Situation, in der wir es uns nicht leisten können, eine Zusammenarbeit zu verweigern. Unser Festival arbeitet deshalb auf verschiedenen Ebenen.“ Die Künste arbeiten, indem sie Kunst produzieren. Es gibt aber auch eine begleitende Schulungsreihe „Kulturarbeit im Klimawandel“, die sich an Kulturpolitik, Verwaltung, Einrichtungen, freie Künstler richtet.

Der offizielle Auftakt der Festivalreihe war vergangene Woche in Augsburg mit dem Festival „Water & Sound“. Die Stadt Kempten plant in der Kunstnacht (24. September) das Projekt „Lebendige Bibliothek für Nature Writing“. Eine Tagung in der Evangelischen Akademie Tutzing dreht sich um „Stadtnatur und Kulturlandschaft“ (14. bis 16. Oktober). Die Stadt Nürnberg rückt mit ihrer Reihe „11xGRÜN“ das Thema Nachhaltigkeit ins Licht. Und das „Ander Art Festival“ der Stadt München (24. September) will einen Leitfaden für klimafreundliche Veranstaltungen erstellen. Das offene Festivalformat des „work in progress“ erlaubt die Entwicklung weiterer Veranstaltungsformate.

Ist Christine Fuchs zufrieden mit der Entwicklung des Netzwerks? „Nachdem im letzten Jahr Augsburg und Regensburg dazugekommen sind, sind mittlerweile fast 60 Städte dabei. Mehr können wir mit unserem Personalstamm gar nicht managen“, antwortet sie. Aber: „Was wir brauchen, ist eine sichere Finanzierung. Wir sind vollkommen abhängig von den 60 Kämmerern unserer Mitgliedsstädte. Und von der Frage, ob wir mit unseren Projekten Fördermittel bekommen. Wir haben keinerlei strukturelle Unterstützung. Für diese wichtige Arbeit für die Kulturabteilungen in den Kommunen würde ich mir eine kontinuierliche Förderung vom Freistaat wünschen.“

DK



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