„Mit Offenheit, Neugierde und Freude“

Andrea Marton über ihr dreitägiges Tanzprojekt im Lechner-Museum, an dem jeder teilnehmen kann

26.06.2022 | Stand 22.09.2023, 21:52 Uhr

Performance im Lechner-Museum in Ingolstadt: Einen ersten Eindruck bietet ein Video eines vorangegangenen Projekts auf der Homepage www.andrea-marton.de. Foto: oh

Ingolstadt – Das Lechner-Museum wird vom 1. bis 3. Juli zum Kreativort für ein ganz besonderes, zeitgenössisches Tanzprojekt, an dem Interessierte zwischen 14 und 99 Jahren teilnehmen können. Geleitet wird der Workshop „Bewegtes Museum – Museum bewegt“ von Andrea Marton und Stephanie Felber. Die öffentliche Aufführung der Performance am 3. Juli um 21 Uhr ist die Eröffnung des zweiten Moduls der Ingolstädter Tanztage22, die von Yashmine Lamar kuratiert werden. Wir haben mit Andrea Marton, freie Tanzschaffende aus München geredet.

Frau Marton, Sie werden mit Stephanie Felber und den Teilnehmern eine „Site-specific-Performance-Installation“ gestalten. Was genau ist das?
Andrea Marton: Wir werden uns gemeinsam den Kunstwerken in Verbindung mit dem Raum nähern und das dann in einer prozessorientierten Arbeitsweise über Bewegung, Wahrnehmung und Gespräch in eine Performance umsetzen. Zu zweit, zu dritt und als gemeinsame Gruppe. Es geht um die Textur und das Gewicht der Werke, deren Wirkkraft im Raum, um Temperatur, um Form. Es geht um Räumlichkeit, um den Raum zwischen den Kunstwerken. Es geht viel um die eigene Wahrnehmung, denn jeder sieht und interpretiert moderne oder zeitgenössische Kunst unterschiedlich. Wir spielen mit Kontrast und Fokus im Verhältnis zum Werk: also rund und eckig, groß und klein, hart und weich... Zu tanzen ist, wie eine Sprache zu lernen: Wir brauchen Vokabeln. Gemeinsam werden wir ein Bewegungsvokabular entwickeln und dies in eine performative Gestaltung bringen.

Die meisten Menschen sagen von sich, dass sie nicht singen und nicht tanzen können. Was nicht immer stimmt. Welche Voraussetzungen sollten die Teilnehmer erfüllen?
Marton: Sie müssen keinerlei Tanz- und Performance-Erfahrung haben. Es kann tatsächlich jede und jeder mitmachen. Jeder hat einen anderen, seinen Zugang zu Bewegung. Das kann auch im Rollstuhl sein, ich kann auch mit der Nasenspitzen oder dem Knie tänzerisch gestalten, unabhängig von physischen Möglichkeiten, egal ob jung oder alt. Was man mitbringen sollte? Offenheit, Freude und Interesse an der Kunst und am Raum, Neugierde auf das Projekt und die daran beteiligten Menschen sowie für den Prozess, eigene Ideen zu erschaffen und diese in individuelle Bewegungen und künstlerische Formen, gemeinsam mit den anderen umzusetzen. Wir kommen nicht mit einem fertigen Konzept, sondern entwickeln die Performance gemeinsam.

Was begeistert Sie am Lechner-Museum und an der Kunst?
Marton: Das Gebäude ist ästhetisch großartig. Der Raum in seiner Offenheit ist selbst schon ein Kunstwerk, er atmet, da ist viel Luft zwischen den Kunstwerken, die sich in den Raum fügen, ihn formen. Die Werke kommunizieren miteinander. Sie sind in ihrer Materialität schwer und hart, in ihrer Formgebung oft weich und rund. Der Kontrast ist spannend. Im Objekt aber auch für unsere Umsetzung in Körper und Bewegung. Es entstehen Bilder des Fließens, aber auch der Abgrenzung. Für uns ist es ein großes Geschenk, im Lechner-Museum arbeiten zu dürfen.

Sie arbeiten im öffentlichen Raum, bieten inklusive Tanzprojekte, arbeiten mit älteren Menschen oder mit Geflüchteten. Was kann Tanz besonders gut?
Marton: Grundsätzlich glaube ich, dass Kunst immer Zugänge zu kultureller Teilhabe schaffen. Zeitgenössischer Tanz steht für prozesshafte Arbeitsweise, jenseits vorgefertigte Form, jenseits von gut und schlecht, von richtig und falsch. Der Zugang über Wahrnehmung und Bewegung ist für viele Menschen oft niedrigschwelliger, es passiert jenseits der Kognition über Bewegungserfahrung und kann soziale Barrieren abbauen. Gerade die partizipative Arbeitsweise ermöglicht einen Dialog auf Augenhöhe, jenseits hierarchische Strukturen.

Worauf kann sich das Publikum freuen?
Marton: Für das Publikum öffnet sich ein weiteres Fenster zur Kunst von Alf Lechner: Das Werk wird über Bewegung interpretiert. Jeder Zuschauende entscheidet selbst, in welcher Art und Weise er die Performance erleben möchte. Die Besucher bewegen sich frei im Raum, bekommen Kopfhörer mit zwei, drei Kanälen. Und wir arbeiten mit einer Live-Kamera, die die Tanzenden oder Ausschnitte von ihnen zusätzlich auf eine Wand projiziert. Eine weitere Ebene zwischen Kunstwerk, Körper und gefilmten Ausschnitt: auf vielen Ebenen ein bewegtes Museum!

DK



Das Interview
führte Katrin Fehr.


Bewegtes Museum – Museum bewegt: Performance am Sonntag, 3. Juli, um 21 Uhr im Lechner-Museum. Proben auch nach kurzfristiger Anmeldung am 1. Juli, 18 bis 21 Uhr, 2. Juli, 11 bis 14 Uhr und 17 bis 22 Uhr, 3. Juli,
12 bis 15 und 19 bis 20.30 Uhr.
La Mécanique des Ombres: 6. Juli, 20 Uhr, im Kulturzentrum neun mit Naïf-Production. Schülervorstellung auch für andere Interessierte 7. Juli 11 Uhr. Karten hierfür gibt es unter linda.goellner@ingolstadt.de oder unter (0841)305 47227.
Tickets: Tourist Information am Rathausplatz, Westpark, Schanzer Ludwig Store und www.ticket-regional.de. Infos unter www.kulturamt-ingolstadt.de.

DK



URL: https://www.donaukurier.de/nachrichten/kultur/mit-offenheit-neugierde-und-freude-6381345
© 2024 Donaukurier.de