Kösching

Indoktrination und Kriegseinsatz

Reihe Kösching im Krieg: Schülerinnen und Schüler

26.06.2022 | Stand 22.09.2023, 21:56 Uhr
Friedrich Lenhardt

Schülerzeichnungen zur Ausstellung 1940, die die politische Indoktrination belegen. Foto: Lenhardt

Mit dem Ende des „Köschinger Anzeigers“ 1936 gab es in Kösching keine legale unabhängige Informationsmöglichkeit. Die Partei hatte die Druckmedien gleichgeschaltet, über den Rundfunk besaß sie das akustische Monopol und über die Gau- und Kreisbildstelle konnte die NSDAP die Bevölkerung mit Bildern in ihrem Sinn beeinflussen.

Dazu saßen an den technischen Schaltstellen Vertreter des Systems als Amtsträger, die den Weisungen ihrer vorgesetzten Stellen zu folgen hatten. Dort konnten sie allerdings auch ihre Verantwortung ablegen. Genauso war es bei den Lehrern, die neben ihrem staatlichen Unterrichtsauftrag über solche Amtsstellen in die Befehlshierarchie der Partei eingebunden waren. Mithilfe der Lehrerschaft und deren altgrundgelegten Autorität konnten die jungen Menschen leicht indoktriniert werden.

Das begann alle Tage mit der Flaggenhissung vor der Schule, mit einem „Heil Hitler“ zu Unterrichtsbeginn, ab Juni 1941 wurde statt des Schulgebetes ein nationalsozialistischer Morgenspruch angeordnet. Dazu kamen schulische Veranstaltungen außerhalb des Lehrplans. Der Unterricht selbst stützte je nach persönlichem Engagement oder Karrierestreben mehr oder weniger verstärkt, geschickt oder plump das System. Dieses trat mithilfe der neuesten Technik noch selbst in Erscheinung. 1933 wurden die Klassen an die anfangs noch privaten Rundfunkapparate gerufen, um „der großen Friedensrede des Führers zu lauschen“ oder sie hörten 1934 nach einer Ansprache des Schulleiters der „Übertragung der Führerrede zur 2. Arbeitsschlacht“ zu. Solches war auch an der klösterlich geleiteten Mädchenschule nicht anders, wie die Schulchronik zum 21. März 1934 vermerkte: „Jahrestag von Potsdam. Sämtliche Schülerinnen der Haupt- u. Fortbildungs-Schule versammelten sich in der Oberklasse am Radio, wo H. Reichskanzler anläßlich des Beginns der Arbeitsschlacht sprach.“

Solches geriet zu einer öffentlichen Demonstration, als sich zum 1. Mai die gesamte Schuljugend am Marktplatz die „Radio-Ansprache von Dr. Goebbels und des Führers“ anhörte. Der Reichspropagandaminister wandte sich 1937 noch einmal durch einen Gemeinschaftsempfang direkt an die deutsche Schuljugend. Am 28. April 1939 war von 12 bis 13.30 Uhr ein Gemeinschaftsempfang aller Lehrkräfte und der Schüler und Schülerinnen des 7. und 8. Jahrgangs der „großen Reichstagsrede unseres Führers“. 1940, am 3. April, war nochmals Gemeinschaftsempfang der Reichssendung „Generalfeldmarschall Göring spricht zur deutschen Jugend“.
Zu besonderen Anlässen wurden eigene Schulveranstaltungen angeordnet: „1933. 11. November. Friedenskundgebung der Mädchenschule im Schulsaal der Oberabteilung. Nach einleitenden Worten der Schulleitung über Sinn und Bedeutung der Kundgebung stimmten sämtliche Schülerinnen begeistert ein in den markigen Sprechchor: Wir wollen keinen Krieg, wir wollen Freiheit und gleiches Recht für unser deutsches Vaterland! etc. Deutschland- u. Horst-Wessellied beschlossen die Feier.“

Eine besondere Einrichtung waren die jährlichen Schulausstellungen, zu denen die Schüler wochenlang mit systemrelevanten Themen beschäftigt waren. 1937: Wir helfen dem Führer. 1938: Wie mache ich mein Volk stark und mächtig. 1939: Wir wollen gesund sein. 1940: Auch wir kämpfen für den Sieg.

Letztere wurde mit 16 Fotografien des Hilfslehrers Domke aus Kasing dokumentiert. Sie belegen die subtile Art der Beeinflussung. So wurde das Hören von Feindsendern, was gerade in der Spätzeit auch den Tod des so betitelten Wehrkraftzersetzers zur Folge haben konnte, weitergegeben: „Hört keine fremden Sender! Schaut, wie Müller die Ohren spitzt, weil Großmaul Churchill seine Lügen verspritzt! Gleich hat Müller sich aufgemacht und die Neuigkeit unter die Leut gebracht. Doch das Ende von dem Liede ist, daß Herr Müller eine Zeitlang sitzt.“

Die Mädchen ergänzten die Ausstellung zum Unterthema: „Die Frau sichert das Leben der Heimat“ mit Handarbeiten zum Thema: „Aus Altem wird Neues!“ und der „politischen Lehrschau: Raubstaat England“ und stimmten ins Motto ein „Siegen wird nur einer, und das sind wir“. Im Verlauf des Krieges wurden die besonderen schulischen Indoktrinationen eingestellt. Die Schuljugend war jetzt im praktischen Einsatz gefordert. Bei der „Verpflichtung der Jugend 1942“ nahm die Schulgemeinde Kösching an der Feier im Turnsaal der Pestalozzischule in Ingolstadt teil. Danach waren auch die Köschinger Schüler im „Kriegseinsatz“.

URL: https://www.donaukurier.de/lokales/ingolstadt/indoktrination-und-kriegseinsatz-6376584
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