Ingolstadt

Patrick MacAllister: „Ich wollte immer Geschichten erzählen“

Der Wahl-Ingolstädter ist Autor, Zeichner und Dozent für Comics sowie Designer von Spielen und 3D-Animationen

23.06.2022 | Stand 22.09.2023, 21:57 Uhr

Lebt seit acht Jahren in Ingolstadt: Der Comic-Zeichner, Grafiker, Spieledesigner und Illustrator Patrick MacAllister. Foto: Pehl

„Der Luitpoldpark war meine Spielwiese“, sagt Patrick MacAllister. Im März 1966 geboren, hat er dort in seiner Jugend einen großen Teil seiner Freizeit verbracht. Allerdings nicht im ältesten Park von Ingolstadt, sondern in der gleichnamigen Grünanlage in München. Und er heißt auch nicht MacAllister. Also nicht schon immer. „Das ist ein eingetragener Künstlername“, erzählt er bei einem langen Gespräch in einem Ingolstädter Café. Dass dieser sofort an Schottland erinnert, ist natürlich kein Zufall – er hat ein großes Faible für den Norden von Großbritannien.

Diesen anglophilen Hang hat er von seinem Vater – wie auch die Liebe zu Comics. Der Wahl-Ingolstädter, der über verschiedene Stationen vor acht Jahren in die Schanz kam, ist in einem überaus Kunst-affinen Elternhaus in der Landeshauptstadt der 60er- und 70-Jahre aufgewachsen. „Ich bin als Kind bei Joseph Beuys auf dem Schoß gesessen“, erinnert er sich. Der Vater besaß nicht nur eine reichhaltige Büchersammlung, sondern auch eine Sammlung französischer Comics der 60er-Jahre, wie etwa „Barbarella“. Und das hat Patrick MacAllister entscheidend geprägt.

„Ich habe mich nie für etwas anderes interessiert“, erzählt er. Schon früh hat er seine Leidenschaft umgesetzt, er zeichnet seit seinem achten Lebensjahr Comics. Und dabei ging MacAllister damals schon sehr ungewöhnliche Wege: Der Stummfilmfan zeichnete Filme nach. Schon mit 14 Jahren wurde er Layouter beim Verlag Gruner + Jahr. Nach einem Grafikstudium konzentrierte er sich aufs Illustrieren und ist seitdem in unterschiedlichsten Bereichen tätig. Er war fürs Fernsehen und fürs Theater tätig, hat für Zeitungen und Magazine gearbeitet, Drehbücher geschrieben und Filme gemacht. Ganze zehn Jahre, von 1990 bis 2000, hat er für das Comic-Magazin „Yps“ gezeichnet, außerdem für eine Jugendseite in einer Lokalausgabe der „Süddeutschen Zeitung“ oder für das „PM Magazin“, für das er viele Illustrationen beisteuerte.

Als Patrick MacAllister begann, wurde noch mit der Hand gezeichnet. Doch auch in diesem Genre hat natürlich längst der Computer Einzug gehalten. Auch MacAllister zeichnet digital auf einem Bildschirm. „Aber die Flächen male ich noch selber aus“, erzählt er. Das ist nie perfekt, sondern immer mit kleinen Fehlern behaftet – und das soll der Leser auch sehen.

Die Entstehung eines Comics aus der Feder MacAllisters ist ein mehrstufiger Prozess. „Zunächst bekomme ich ein Script, also wie ein Drehbuch“, sagt er. Dann die ersten Skizzen, die immer weiter ausgebaut werden. „Ich stelle mir die Geschichten wie in einem Film vor“, beschreibt er sein Vorgehen. „Ich wollte immer Geschichten erzählen.“

Nach Jahrzehnten an Berufserfahrung hat MacAllister natürlich seinen ganz eigenen Stil entwickelt. Doch auch er entwickle sich immer noch weiter, wie er einräumt. Gleichzeitig kennt er natürlich einen Haufen Tricks und Kniffe. So arbeitet er beispielsweise mit Fotos als Vorlagen oder reduziert schon mal die Farbintensität, wenn er zu tief in den Farbtopf gegriffen hat. Für die Gesichter, die immer wieder zu sehen sind, baut er sich Vorlagen und versucht, sie aufs Wesentliche zu reduzieren. Gleiches gilt auch für die Vermittlung der Informationen, die zum Verständnis und Fortgang der Geschichten erforderlich sind. „Texte nur, wenn es notwendig ist“, lautet sein persönliches Credo: „Was man mit dem Bild erzählen kann, soll man mit dem Bild erzählen.“

Die diversen Hefte mit den bunten Bildern hat wohl fast jeder in seiner Jugend gelesen. Doch auch nach vielen Jahrzehnten würden Comics immer noch nicht als eine eigene Literaturgattung wahrgenommen, klagt MacAllister. Dabei sei das Genre seit den 60ern, spätestens aber seit den 80er-Jahren nicht mehr nur schnelles Lesefutter für Kinder. Es gibt viele Fans und Sammler, aber auch zahlreiche Zeichner und auch Kleinstverlage, weiß MacAllister. Davon seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, sei äußerst schwierig, so der überzeugte Freiberufler. Daher weist sein Lebenslauf eine erstaunliche Bandbreite auf. Er schreibt und zeichnet nicht nur eigene Geschichten, er ist als Comic-Dozent tätig, entwickelt und illustriert Spiele und Filme sowie 3D-Animationen, unter anderem auch für Museen, sowie Flyer, Grafiken, Postkarten und Web-Design.

Sein neuestes Projekt nach „Druckluft“ ist ein Thriller, der ungemein spannend klingt: Was passiert, wenn ein Psychopath auf einen anderen Psychopathen trifft? Man darf gespannt sein. Patrick MacAllister ist damit seinem Lebensmotto treu geblieben: „Ich habe immer versucht, das zu machen, was mir Spaß macht. Im Großen und Ganzen ist mir das auch gelungen.“

„Druckluft“: Graphic-Novel gegen Rechtsextremismus

Dortmund, eine Frühlingsnacht: Beim Sprayen wird die junge Punkerin Paula von rechten Schlägern überrascht – kein Wunder, immerhin hat sie sich für ihre Aktion den stadtbekannten Nazikiez ausgesucht. Bei der anschließenden Verfolgungsjagd entkommt sie nur knapp mit der Hilfe eines unbekannten Mopedfahrers. Der stellt sich später als Francesco vor und scheint beeindruckt von Paulas Wagemut, allein in der rechten Hochburg zu sprayen. Bald darauf treffen sie sich bei einer Ska-Party wieder, zu der sich auch Paulas verkopfter Bruder Jonas und die Kampfsportlerin Lan Dai gesellen. Die Gruppe feiert, tanzt und flirtet ausgelassen und ist sich bei allem Spaß schnell einig: Man muss was tun gegen diese Nazis, ihnen zeigen, dass die Stadt nicht ihnen gehört. Und es dauert nicht lang, bis eine Reihe von Ereignissen sie zum Handeln zwingt.

Der Comic „Druckluft“ erzählt eine rasante Geschichte, deren reale Bezugspunkte die Schicksale von Opfern rechter Gewalt in Dortmund bilden: Thomas Schulz, erstochen von einem rechtsextremen Schläger; Mehmet Kuba, ermordet vom NSU; die Polizeibeamten Thomas Goretzky, Yvonne Hachtkemper und Matthias Larisch von Woitowitz, erschossen von einem Neonazi.

Ihnen setzen Heiko Koch und Patrick MacAllister ein Denkmal und verweisen eindringlich auf die Bedeutung von Erinnerungsarbeit. Zugleich richten sie den Blick nach vorn und fragen: Wie kann sich jeder Einzelne heute und zukünftig stark machen gegen rechte Gewalt und nationalsozialistisches Gedankengut? Der Band liefert dafür kein Patentrezept, zeigt aber: Es gilt, sich zu politisieren, zu solidarisieren, aktiv zu werden.

Heiko Koch las schon in den 70er-Jahren Comics unter der Bettdecke und ist seitdem treuer Fan dieses Genres. Er ist Mitbegründer und Autor diverser antifaschistischer Zeitungen, engagiert sich als Teamer und Dozent gegen Rechtsextremismus und ist darüber hinaus als Sozialpädagoge sowie systemischer Berater tätig.

Heiko Koch, Patrick MacAllister: „Druckluft“, eine Publikation der Rosa-Luxemburg-Stiftung und des Ventil Verlags, 1. Auflage April 2022; Broschur, farbig, 64 Seiten; Ventil Verlag UG, ISBN 978-3-95575-171-2.



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