American Football, GFL 2

Nervenkitzel und zugleich Entspannung

Für Eugen Haaf ist ein Leben ohne American Football „unvorstellbar“ – Am Samstag Zittersieg in Fürstenfeldbruck

06.06.2022 | Stand 22.09.2023, 22:31 Uhr

„Yeees, Siiir“: Eugen Haaf (dunkle Kleidung), der Headcoach der Ingolstadt Dukes, im Kreise seiner Spieler. Foto: S. Olfen

Von Roland Kaufmann

Fürstenfeldbruck/Peutenhausen – Zunächst mal eine Zigarette. Wobei Eugen Haaf rein äußerlich gar nicht mal so wirkt, als ob er besonders aufgewühlt wäre. „Aber das täuscht gewaltig“, gibt der 55-Jährige ehrlich zu. In der Tat: Der American-Football-Thriller seiner Ingolstadt Dukes am Samstagnachmittag in Fürstenfeldbruck hat auch dem Peutenhausener einiges abverlangt. Aber egal: Am Ende stand ja ein 24:23-Auswärtssieg bei den Fursty Razorbacks zu Buche. Also alles gut.

Seit der Gründung der Dukes im Oktober 2007 fungiert Haaf nun bereits als deren Mastermind. Egal, ob in Sachen Kaderzusammenstellung oder Coaching: Ohne ihn geht bei den „Herzögen“ nichts. Haaf lebt förmlich für American Football, investiert jede Minute seiner Freizeit in den Sport. Dabei ist er als Unternehmer in der Logistikbranche sowieso schon gut beschäftigt. „Aber mich nur mehr auf der Couch liegend, das geht nicht“, verrät der 55-Jährige schmunzelnd: „Für mich ist American Football Entspannung pur. Es wäre für mich unvorstellbar, irgendwie darauf verzichten zu müssen.“

Bevor er mit einigen Kumpels damals die Dukes aus der Taufe hob, war Haaf bereits viele Jahre lang selbst als Spieler aktiv gewesen, hatte sich in der höchsten deutschen Klasse (GFL 1) einen mehr als guten Namen gemacht. Und dann: sieben Aufstiege als Ingolstädter Headcoach. Zwischen 2017 und 2019 spielten die „Herzöge“ sogar selbst in der GFL 1.

Nach einem freiwilligen Rückzug in die Drittklassigkeit vor der Saison 2021 sind die Ingolstädter inzwischen schon wieder in der GFL 2 Süd angelangt. Und wieso sollte es heuer nicht auch gleich mit dem erneuten Aufstieg ins deutsche American-Football-Oberhaus klappen? Nun gut, Haaf persönlich hört so etwas nicht gerne („Es gibt außer uns noch einige andere Topteams, wir sollten also demütig bleiben“) – aber Fakt ist trotzdem, dass die „Herzöge“ nach ihrem jüngsten Auswärtssieg bei den Fursty Razorbacks mehr denn je Tabellenführer sind, nach drei Partien 6:0 Punkte auf ihrem Konto haben.

Womit wir also wieder beim Match in Fürstenfeldbruck sind. Dass das Spielfeld dort eher einem Kartoffelacker denn einem GFL-2-Spielfeld glich, dass unglaubliche Unebenheiten sowie Kieselsteine auf dem Platz fast schon gefährlich für alle Aktiven wirkten – Haaf nahm’s zwar mit einem verständnislosen Kopfschütteln zur Kenntnis, aber groß thematisieren wollte er es nicht. „Ich glaube an Euch zu 100 Prozent, dass Ihr die Aufgabe löst“, so der 55-Jährige stattdessen in seiner Mannschaftsansprache direkt vor Matchbeginn. Dann noch ein lautes „Yeees, Siiir“ vom Team, und los ging’s.

Dass die Partie zunächst nicht wirklich sehenswert war –– natürlich hatte die Fürstenfeldbrucksche Hoppelwiese ihren Anteil daran. Aber nicht nur. Das extrem physische Auftreten der Razorbacks sowie ihr stetiges Setzen auf Laufspiele schmeckten Haafs Truppe überhaupt nicht. Und im Laufe des ersten Viertels fiel auch noch Quarterback Luis Wittmann aufgrund einer Schulterverletzung aus. Nein, viel dümmer hätte es aus Ingolstädter Sicht nicht laufen können – zumal sie keinen Ersatz-Quarterback in ihrem Kader hatten.

Also musste American-Football-Fuchs Haaf gemeinsam mit seinen Assistenten „zaubern“. Oder, wie es der Peutenhausener nun schmunzelnd formuliert: „Wir probierten mit Gabriel Boccella einen Blindflug auf dieser Position.“ Der Wide-Receiver aus den USA hatte zuvor in seiner Karriere in der Tat noch nie als Spielmacher fungiert – um dann, bei seiner Premiere als Quarterback, schnell mal drei Touchdownpässe zu werfen. Zweimal glänzte Leo Blumentritt als Empfänger, einmal Normen Schumm. Die restlichen sechs Dukes-Zähler an diesem Tag wurden von Philipp Ponader (drei PAT, ein Field Goal) erzielt.

Der Spielverlauf aus Ingolstädter Sicht: eine wahre Achterbahnfahrt der Gefühle (0:7, 7:7, 14:7, 14:14, 14:17: 17:17, 24:17, 24:23). Und das bei gnadenloser Hitze. „Das war ein Wahnsinnsspiel von Euch. Mit fehlen fast die Worte“, so Haaf im Huddle unmittelbar nach der Partie – gerichtet an ein Team, das dann zwar glücklicher denn je das obligatorische „Yeees, Siiir“ folgen ließ, das sich zum Teil aber kaum noch auf den Beinen halten konnte.

Folgerichtig fällt das Mittwochstraining in dieser Woche aus. „Meine Mannen haben alles in die Waagschale geworfen, es gab in keiner Phase irgendein Gemaule“, berichtet der Headcoach stolz – während er erstmals an der anfangs bereits erwähnten Zigarette zieht. Seine ganz persönliche Belohnung nach diesem sportlichen Krimi? „Ganz einfach den Abend danach auf der Couch liegen und zumindest ein paar Stunden lang nicht an American Football denken“, sagt der 55-Jährige – um sich bereits nach wenigen Augenblicken doch wieder zu korrigieren: „Nachdem der Verletzung von Luis ist mir nun mehr denn je klar geworden, dass wir schnellstens einen echten Backup-Quarterback benötigen.“ Und das bedeute für ihn selbst: Er müsse schnellstens seine Kontakte ins In- und Ausland spielen lassen, um in dieser Angelegenheit schnellstens Vollzug melden zu können. Also doch nichts mit einem gemütlichen Hochlegen der Beine am Pfingstwochenende.

SZ

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