Corona-Pandemie

Ohne Impfung keine Arbeit: Was bedeutet das für die Kliniken und ihr Personal?

Ab März gilt die Impfpflicht im Gesundheitswesen

20.01.2022 | Stand 22.09.2023, 23:23 Uhr
Eine Ärztin lässt sich gegen Corona impfen. Für ihre ungeimpften Kollegen im Gesundheitswesen wird es langsam eng: Ab dem 15. März gilt die sogenannte einrichtungsbezogene Impfpflicht. Dann müssen Beschäftigte in Einrichtungen wie Arztpraxen, Kliniken und Pflegeheimen nachweisen, dass sie geimpft oder genesen sind. −Foto: Murat, dpa

München - Die Leser des Traunsteiner Tagblatts trauten am vergangenen Wochenende ihren Augen kaum: Obwohl in kaum einem anderen Berufsstand solcher Personalmangel herrscht wie in der Pflege, hatten rund 30 Krankenschwestern eine Annonce geschaltet: Sie suchen alle eine neue Stelle; viele sind am örtlichen Klinikum beschäftigt.

Überall steht ausdrücklich dabei, dass der oder die Jobsuchende ungeimpft sei. Die von Bundestag und Bundesrat beschlossene Impfpflicht für den Gesundheits- und Pflegebereich - sie soll am 15. März dieses Jahres in Kraft treten - erschüttert die Kliniklandschaft. Freilich nicht überall. Am Ingolstädter Klinikum seien 90 Prozent geimpft oder genesen, heißt es dort; man rechnet also nicht mit einer Kündigungswelle.

Beschäftigungsverbot bei fehlendem Impfnachweis

Auch wenn sie ihre Fachkräfte gern behalten würden, bleibt den Kliniken keine andere Wahl. "Arbeitgeber, auf deren Unternehmen die Impfpflicht zutrifft, haben ab dem 15.3. die Pflicht, ihre ungeimpften Beschäftigten dem Gesundheitsamt zu melden. Wenn Beschäftigte binnen einer vom Gesundheitsamt festgelegten Frist keinen Impfnachweis vorlegen, verhängt das Gesundheitsamt ein Beschäftigungsverbot", erläutert Sabine Karg, Sprecherin des Landesverbands Bayern vom Berufsverband für Pflegeberufe.

Dann seien Betroffene unbezahlt freigestellt, erhalten keine Bezüge mehr und sind nicht mehr sozialversichert. Noch nicht geklärt sei, ob die Beschäftigten dann ein Anrecht auf Arbeitslosengeld 1 haben. Trotz Anfrage hüllten sich Bundesarbeits- wie Bundesgesundheitsministerium in Schweigen, berichtet die Sprecherin. Ob das Hausrecht des Klinikums oder das Recht der Krankenschwestern höher zu bewerten ist, werde von Verbandsjuristen unterschiedlich eingeschätzt.

Nach Erteilen des Beschäftigungsverbots können Beschäftigte laut Berufsverband auch nicht mehr gegen den Arbeitgeber klagen. Sie könnten allenfalls eine Verfassungsbeschwerde gegen den Bund einreichen. Klagen könne nur, wer bereits jetzt unbezahlt freigestellt wurde. Immerhin: Einige Kliniken waren so kulant, Ungeimpfte auch bezahlt freizustellen, berichtet Sabine Karg. Das Kalkül dahinter: Sollte eine Klage gegen die Impfpflicht erfolgreich sein - und die Freigestellten theoretisch wieder an ihren Arbeitsplatz zurückkehren können -, dann würden sie das auch tun. Unter den Beschäftigten herrscht vor allem Unverständnis, warum nicht nur Ärzte und Schwestern sich impfen lassen sollen - sondern alle Beschäftigten, also auch der Hausmeister und die Sachbearbeiterin in der Buchhaltung.

Ob es zu einer Klagewelle kommt, ist noch offen

Natürlich können auch Geimpfte Corona übertragen - aber die Wahrscheinlichkeit ist deutlich geringer als bei Ungeimpften. Bei Geimpften ist die Virenlast - die Anzahl der Viren je Milliliter Blut - aufgrund der Antikörper niedriger; sie sind also weniger ansteckend. Den Krankenhausbetreibern wiederum hilft die verpflichtende Impfung, sich vor Klagen von Angehörigen zu schützen. Wer an einer Krebs- oder Herzerkrankung leidet, hat meist auch ein geschwächtes Immunsystem. Sollte eine solche Person nach einer Ansteckung durch Ungeimpfte sterben, drohen dem Krankenhaus hohe Schadensersatzforderungen.

Bei manchen Klinikchefs geht freilich trotzdem die Angst um, sich langwierige Arbeitsrechtsprozesse einzuhandeln. "Bereits jetzt mehren sich in der Beratungspraxis die Anfragen von Unternehmen, die der einrichtungsbezogenen Impfpflicht unterfallen, wie sie mit sich weigernden Beschäftigten rechtlich verfahren sollen", sagt Michael Fuhlrott, Sprecher des Bundesverbands der Fachanwälte für Arbeitsrecht. Er gehe aber davon aus, dass vermehrt arbeitgeberseitige Kündigungen folgen werden. Ließe die Klinik die Ungeimpften weiter arbeiten, drohten Konsequenzen von Geldbußen bis zur Untersagung des Betriebs. Aus dem bayerischen Arbeits- und Sozialministerium ist zu erfahren, es sei "noch nicht absehbar, ob und inwieweit es im Zuge der Impfpflicht in Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen tatsächlich zu einer Klagewelle an den bayerischen Arbeitsgerichten kommen wird".

Derweil hat Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) die Bundesregierung aufgefordert, die Frist zur Einführung einer Impfpflicht nochmals zu überdenken. Die Bayerische Krankenhausgesellschaft wiederum hält sie aufgrund der milderen Omikron-Variante nicht mehr für nötig.

DK



Andre Paul

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