4800 Gäste sahen "Umbrüche"

06.10.2008 | Stand 03.12.2020, 5:32 Uhr

Paul Segerer (r.) erzählt seinen Zuhörern aus den letzten Kriegstagen und dem Einmarsch der Amerikaner in Neuburg. - Fotos: Reinr

Neuburg (r) Der Aufwand hat sich gelohnt: Rund 4800 Besucher schauten sich die Ausstellung "Umbrüche" im Neuburger Stadtmuseum an. Am Wochenende war Schluss, und eine stattliche Gästeschar nutzte die letzte Gelegenheit, einen Blick auf die Zeugnisse der bewegten Zeit von 1918 bis 1948 zu werfen.

Bei weitem nicht alle Neuburger schauten im Weveldhaus vorbei. Doch in den vergangenen sechs Monaten interessierten sich dennoch etliche Einheimische, Historiker von auswärts und jede Menge Schulklassen für die "Umbrüche". Nicht nur die Einträge im Gästebuch bescheinigen dem Historischen Verein eine anschauliche Umsetzung der Vor- und Nachkriegsjahre in Deutschland und vor Ort in Neuburg. "Unsere Arbeit ist anerkannt worden", nickt Hauptorganisatorin Barbara Höglmeier zufrieden. Mit der Mannschaft des Historischen Vereins und der Uni Eichstätt hatte sie das Projekt aufwendig vorbereitet. Ein 500-Seiten-Katalog zur Ausstellung gehört dazu. Er streift viele Themen und bringt kritische Abhandlungen über die Zeit des Nationalsozialismus in Neuburg.

"Die Darstellung der Nazi-Zeit mit lokalen Einblicken" hält Martin Becher (Nürnberg) für besonders gelungen. Er ist Landesgeschäftsführer der Aktionsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen (afa) in der evangelischen Landeskirche. Im Rahmen eines Seminars besuchten die afa-Leute als letzte Gruppe die "Umbrüche". Die Ausstellung spanne weite Bögen und bleibe nicht oberflächlich, urteilen die Besucher. Die evangelische afa bezeichnet es als "Pflicht der Zivilgesellschaft, sich mit neuen Rechtsextremen und ihrem undemokratischen Treiben auseinanderzusetzen".

Als Zeitzeuge erzählte Paul Segerer (73) Erinnerungen aus seiner Kindheit. Als neunjähriger Bub erlebte er in der Oberen Stadt, wie "Tiefflieger auf alles schossen, was sich bewegte". Bei Fliegeralarm musste der kleine Paul mit den daheimgebliebenen Müttern und Omas in die Gewölbekeller der Altstadthäuser flüchten. Er sah einen tödlich getroffenen Soldaten auf der Amalienstraße und die Exekution eines KZ-Häftlings, der aus dem Gefängnis geflohen war. "Do you have watches (Uhren) und Mein Kampf", fragte der erste amerikanische Soldat, der bei Familie Segerer Ende April 1945 plötzlich im Haus stand. Am 26. April setzten die US-Truppen über die Donau und nahmen die Stadt rasch ein. Die letzten deutschen Soldaten starben bei Widerstandsgefechten zwischen Ried und Nassenfels. "Auch wenn ich ein Kind war", sagt Paul Segerer, "die Bilder dieser Zeit bleiben lebenslang unvergessen".

 

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