Bücher-Zelle für Leseratten

03.08.2009 | Stand 03.12.2020, 4:45 Uhr

Mit Farbe und Pinsel bemalen Nicolas, Elis und und Soraya unter Anleitung der Künstlerin Helga Dick (links) die Telefonkabine, aus der eine Bücher-Zelle wird – die kleinste Bibliothek der Stadt . - Foto: Schattenhofer

Ingolstadt (DK) Auf dem Pausenhof der Grundschule an der Stollstraße verwandelt sich eine Telefonzelle in die kleinste Bücherei der Stadt. 300 Bücher sollen dort ab Herbst für Kinder bereit liegen – ohne das übliche Ausleihprozedere, einfach zum Mitnehmen. Die Idee stammt von der Freiwilligen-Agentur.

Wer geht schon in den Sommerferien freiwillig zur Schule? Soraya, Elis, John und Nicolas zum Beispiel. Aber nicht, um zu lernen, sondern um zu malen: Unter der Anleitung der Künstlerin Helga Dick verwandeln sie eine gelbe Telefonzelle, die auf dem Pausenhof der Grundschule an der Stollstraße steht, in eine so genannte Bücher-Zelle.

Sie soll mit rund 300 Büchern die kleinste Bibliothek der Stadt werden – eine unkonventionelle Idee der Freiwilligen-Agentur Ingolstadt, um jene Kinder zum Lesen zu bringen, die sonst eher nicht zum Buch greifen. Auf das übliche Prozedere bei der Ausleihe wird bewusst verzichtet, auch auf das Risiko hin, dass manches Exemplar vielleicht nicht mehr den Weg zurück findet und verschwindet. Das nehme er gern in Kauf, so Bernhard Thoma, Geschäftsführer der Freiwilligen-Agentur: "Wenn ein Buch mitgenommen wird, dann ist doch auch schon was gewonnen." Wie steht es so schön auf der Zelle: "Hol dier eins!" Das e ist nachträglich durchgestrichen.

Die Kinder haben noch andere Sprüche aufgemalt wie "Lesen ist wie Fernsehen im Kopf" oder "nimm 1, lies 1, bring 1" oder "Das Heim der Leseratte". In einer großen Sprechblase steht: "Zu Risiken und Nebenwirkungen fragt die Rektorin oder den Konrektor".

Schulleiterin Evi Raith freut sich über die Aktion und versorgt die Kinder mit Getränken. "Am Freitag haben sie bei der größten Hitze hier gemalt", lobt Helga Dick den Einsatz der Mädchen und Buben. "Die Eltern haben sogar Eis vorbeigebracht."

Soraya erklärt, warum es ihr und den anderen Kindern so Spaß macht: "Ich verewige mich hier. Denn ich geh’ ab September aufs Apian-Gymnasium und bin froh, wenn man sich dann noch an mich erinnert." Evi Raith bestätigt das: "Alle Kinder, die bei der Aktion mitmachen, verlassen die Schule. Es ist ihr Abschiedsgeschenk."

Bernhard Thoma ist glücklich, dass seine Idee so gut ankommt. Bücher-Zellen gibt es auch in anderen deutschen Städten, aber nur für Erwachsene. Vom Projekt Lesepaten, das über die Freiwilligen-Agentur an der Herschelschule läuft, weiß der Geschäftsführer, wie wichtig es ist, dass Kinder lesen. Wenn das Projekt gut läuft, dann sollen weitere Mini-Büchereien eröffnet werden. "Es ist nur schwierig, an die Telefonzellen zu kommen", so Thoma. "Die Telekom verschrottet die alten Kabinen." Vor allem aber benötigt die Freiwilligen-Agentur Bücher. Ab September können Spenden in der Geschäftsstelle im Bürgerhaus Alte Post oder in der Schule abgegeben werden.

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