Edle Träume aus "V2A 4301"

17.09.2009 | Stand 03.12.2020, 4:39 Uhr

Edelstahl nach Maß: Ob Grundstückszaun oder Christbaum, Schmuckstücke oder Gartenbrunnen – in der Welt des Metalls ist nichts unmöglich.

Ingolstadt (DK) Es gibt Träume, die müssen einfach verwirklicht werden: Jürgen Zinner gab seinen sicheren Job als Bereichsleiter auf, um exklusive Edelstahl-Kreationen anzufertigen. Dabei baut der erfolgreiche Existenzgründer auf die Hilfe der Ingolstädter Aktivsenioren.

Die weite Werkstatt in Oberhaunstadt ist hell und pikobello sauber. Der Gesichtsschutz für das Schweißen liegt am Rande eines Arbeitstisches, alle anderen Geräte und Utensilien sind ordentlich verstaut. Gleich neben dem Eingang hat Jürgen Zinner sein vorläufiges Büro aufgebaut, mit Notebook, Drucker und Aktenregalen. Und überall im Raum findet sich "V2A 4301", rostfreier Edelstahl. "Das ist ein tolles Material", schwärmt Zinner von dem Rohstoff, mit dem er hochglanzpolierte Kreationen herstellt. Die Vielfalt der Produkte ist grenzenlos: Ob Schmuckstücke oder Grundstückszaun, Gartenbrunnen oder Weihnachtsbaum – in der Welt des Metalls ist nichts unmöglich.

Wenn der 49-jährige Handwerker durch den gelben Aktenordner blättert, in dem er Fotos seiner schönsten Arbeiten sammelt, sprudeln die Ideen nur so aus ihm heraus. Sogar eine Klobürste mit auswechselbarem Griff hat Jürgen Zinner schon angefertigt. "So etwas gibt es nirgends zu kaufen", berichtet der Existenzgründer stolz, der sich im Oktober 2008 selbständig gemacht hat und ausschließlich Sonderanfertigungen anbietet . "Ein Unternehmer muss Visionen haben und wissen, wohin er will", bekräftigt Hans-Jürgen Wulf vom Verein Aktivsenioren Bayern. Als der 69-jährige "Helfer in Wirtschaft und Technik" das erste Mal von Zinners Geschäftsidee hörte, war er allerdings noch skeptisch. "Tische und Stühle aus Edelstahl gibt es ja schon genug."

Heute sind Hans-Jürgen Wulf und sein 70-jähriger Vereinskollege Eberhardt Teubner selbst erstaunt, wie erfolgreich ihr Schützling sich entwickelt hat. Die Metallarbeiten in Top-Qualität erfreuen sich allein durch Mundpropaganda wachsender Beliebtheit. Doch bei aller Liebe zu perfekten Schweißnähten – von Buchhaltung, Krediten oder Förderanträgen hatte Jürgen Zinner keinen blassen Schimmer. Da geht es ihm wie vielen anderen visionären Existenzgründern: "Viele unterschätzen die betriebswirtschaftliche Aspekte hinter ihrer Geschäftsidee", weiß Teubner. Genau hier springen die Aktivsenioren, allesamt erfolgreiche Manager und Experten im Ruhestand, mit Rat und Tat ein.

Die Hürden auf dem Weg zum Unternehmertum sind mannigfaltig und die größte lauert gleich am Start: Ein führendes Geldinstitut lehnte es rundweg ab, Jürgen Zinner 15 000 Euro für die Anschaffung einer Spezialsäge zu leihen. "Dabei ist es die Aufgabe der Bank, kleinere und mittlere Unternehmen zu fördern", wunderte sich nicht nur Hans–Jürgen Wulf. Als dann ein Konkurrenzinstitut das Geld bewilligte, gab es auch Unterstützung von der staatlichen Förderbank KfW. Aktivsenior Eberhardt Teubner warnt jedoch: "Ohne Sicherheiten haben Existenzgründer keine Chance."

Jürgen Zinner, der zuletzt als Betriebsleiter einen gesicherten Job hatte, ließ sich jedoch nicht unterkriegen und setzte zielstrebig seinen Traum in die Wirklichkeit um. Einen festangestellten Mitarbeiter und drei Aushilfen beschäftigt der Gründer derzeit. Weiteres Fachpersonal sucht er händeringend. Auf die Hilfe von Leiharbeitsfirmen will er jedoch verzichten. "Lieber stelle ich einen guten Mann selbst ein und zahle mehr." Denn sein nächstes Ziel hat er klar vor Augen: "Ich muss mehr ’raus zu den Kunden und Aufträge akquirieren." In der Region, aber auch im Ausland: "Ich will nach Dubai und Rumänien!"

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