Freispruch für Angelika Reich

23.09.2009 | Stand 03.12.2020, 4:38 Uhr
Freude über den Freispruch im September: die Leiterin der Uni-Bibliothek, Angelika Reich, und ihr Verteidiger Karl Degenhard. Jetzt wird das Verfahren neu aufgerollt. −Foto: Chloupek

Ingolstadt/Eichstätt (DK) Mit einem Freispruch vor dem Ingolstädter Amtsgericht fand gestern
ein Eklat an der Eichstätter Uni-Bibliothek sein Ende, der seit gut drei Jahren bundesweit für Aufsehen gesorgt hatte.

Da gab es jene, die – hinter vorgehaltener Hand – kein gutes Haar an der Angeklagten ließen, jene, die durchaus auf der Seite der Chefin standen, und auch jene, die eigentlich nur in Ruhe ihren Job machen wollen.
 
Diese Aufgabe wäre auch groß genug: Über 350 000 Bände hat Reichs Vorgänger als Bibliotheksleiter, Dr. Hermann Holzbauer, 1999 mit der Bayerischen Kapuzinerbibliothek nach Eichstätt geholt. Die schlimmst-verschimmelten – gut 50 Tonnen – wurden schon in Altötting auf den Müll geworfen.

An der Altmühl sollte es nun darum gehen, die restliche Büchermasse zu sortieren und zu katalogisieren, also entweder dem Eichstätter Bestand einzuverleiben, Doubletten zu verkaufen oder der Staatsbibliothek anzubieten. "Ein an sich lobenswertes Unterfangen", so die Sachverständige Dr. Karin Knabl von der Bayerischen Staatsbibliothek, jedoch mit bis zu 400 000 Bänden auch ein sehr ehrgeiziges Projekt. Bis 2014 sollte der Bestand sortiert sein, hatte der ehemalige Bibliotheksleiter Dr. Hermann Holzbauer als Zeuge vor Gericht erklärt. Und auch wenn es vor dem Schöffengericht in Ingolstadt konkret um den Vorwurf der Untreue nur einer Bücherkiste ging, so wurden doch die Differenzen zwischen ihm und Reich bei der Bewertung der Kapuzinerbestände und des Umgangs mit ihnen deutlich.

Holzbauer hatte verschiedene Lagerstätten angemietet, darunter die so genannten Stibolitzki-Hallen, die er als gut geeignet bezeichnete. Dem hatte seine Nachfolgerin vehement widersprochen, und sie bekam hier Unterstützung durch die Sachverständige Karin Knabl: "Diese Hallen waren ungeeignet, höchstens zur vorübergehenden Lagerung von bis zu fünf Jahren grenzwertig möglich", meinte sie.

Reich hatte vor Gericht erklärt, als sie das Amt im Februar 2005 angetreten habe, habe sie nichts von den unsortierten Kapuzinerbeständen in den verschiedenen Lagerhallen gewusst. "Hätte ich gewusst, was da auf mich zukommt, so hätte ich die Stelle nicht angetreten."

Die ihrer Ansicht nach oft unsachgemäße Aufbewahrung der Bände habe ihr Sorge bereitet. Es sei ihr klar gewesen, dass man zügig handeln müsse, um weitere Schäden zu vermeiden. Auch hier bekam Reich Unterstützung durch die Sachverständige der Bayerischen Staatsbibliothek, die dem vorsitzenden Richter Roland Walentin bestätigte: "Frau Reich hat den Handlungsdruck fachlich richtig erkannt und die Arbeiten forciert, was aus unserer Sicht auf alle Fälle richtig war."

Auch der Vorwurf, dass die Bibliothekschefin wohl zu viel aus dem Kapuziner-Beständen aussortiert habe, konnte Knabl nicht nachvollziehen. Die Aussagen der Sachverständigen wurde im Auditorium der öffentlichen Verhandlung mit einigem Widerwillen, aber auch halblautem "Bravo"-Murmeln quittiert. Der Angeklagten kam es auch zugute, dass sich die als Zeugen geladenen Bibliotheksmitarbeiter in einigen relevanten Detailfragen widersprachen oder sich nicht mehr erinnern konnten.

Oberstaatsanwalt Christian Veh gestand in seinem Plädoyer dann angesichts der teilweise verworrenen Schilderungen der Zeugen auch ein: "Es wäre der Eindruck möglich, dass an der Bibliothek alles drunter und drüber geht."
 

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