Ingolstadt

Personalnot knebelt die Polizei

Angespannte Personalsituation:

17.12.2009 | Stand 03.12.2020, 4:24 Uhr

Die Polizei will wie hier in der Ingolstädter Fußgängerzone Präsenz zeigen – doch weil Personal fehlt, ist es schwierig einen geordneten Dienstbetrieb aufrechtzuerhalten. Besserung ist in Sicht, aber die Probleme sind stellenweise immer noch groß. - Foto: Bösl

Ingolstadt (DK) Ein knappes Jahr nach Auflösung der früheren Polizeidirektion und Inbetriebnahme des neuen Polizeipräsidiums Oberbayern Nord in Ingolstadt sind die Anfangsschwierigkeiten weitgehend Vergangenheit. Ein Problem bleibt aber aktuell: die angespannte Personalsituation bei der Polizei.

Anders als 2008 sprechen die Verantwortlichen bei Polizei und in der Politik die Misere inzwischen offen an. Damals waren die an die Substanz gehenden Defizite sowohl vom früheren Direktionsleiter Ludwig Egner als auch von der Staatsregierung in München schön geredet oder abgestritten worden. Der jetzige Polizeipräsident Johann Rast reflektierte heuer in einem internen Mitarbeitermagazin die Stimmung in seinem Haus. Gerade für die kleineren Inspektionen werde es "schwieriger, einen geordneten Dienstbetrieb insbesondere im Schichtdienst aufrechtzuerhalten. Diese klar erkannte vor uns liegende personelle Durststrecke gilt es zu überstehen", hatte er seine Leute im Sommer wissen lassen.

In der Zwischenzeit hat Rast die Zusage auf weitere Personalzuteilung "in nicht erwarteter Höhe" zum 1. März 2010 erhalten, so dass er beruhigter in die Zukunft blickt. "Trotzdem bleiben Wünsche offen", stellt der Polizeipräsident fest. Allein die Tatsache, dass Vorgesetzte die Sorgen der Mannschaft nun erkannt haben, wirkt sich positiv aus. "Wir fühlen uns wieder ernst genommen", sagt ein Oberkommissar.

Weitere Verstärkung

Doch nicht nur bei der Polizei an der Esplanade gab es einen Wechsel. In München hat seit Oktober 2008 mit Horst Seehofer ein Ingolstädter das Ruder übernommen. Als Ministerpräsident reagierte er umgehend auf die Personalmisere bei der Polizei und versprach für die nächsten zwei Jahre jeweils 500 Beamte in Bayern mehr einzustellen. "Es kann nicht sein, dass dort, wo vier Streifenwagen sein sollten, nur noch einer die Runde macht", hatte er bei einem CSU-Parteitag erklärt.

Solche Aussichten auf Verstärkung sind im Moment aber nur Lichtblicke, denn nach wie vor droht die Polizei auszubluten, wenn die Politik die Weichen nicht dauerhaft anders stellt, sagen Kenner der Situation. Denn die Personalnot ist kein Problem der Ingolstädter Polizei, sondern fast aller Dienststellen in Bayern. "Es muss etwas geschehen, denn so wie es im Moment läuft, gehen mehr Beamte in Pension als neue dazu kommen", sagt Friedrich Lummer, Vorsitzender des Bezirksverbandes Oberbayern der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG). "Der Umkehrschwung ist mit Horst Seehofer erfolgt. Er darf nun ausbaden, was Stoiber ihm eingebrockt hat."

Lummer hofft darauf, dass die bayerische Polizei in künftigen Doppelhaushalten wieder jeweils mit 1000 Neueinstellungen bedacht wird. "Sonst wird es das Chaos. Schon jetzt ist es in den Dienststellen auf dem Land manchmal kaum noch möglich, den Schichtdienst zu organisieren." Bei Sportereignissen und Großveranstaltungen müssten Bereitschaftspolizisten "von überall her zusammengeholt werden, damit genügend Leute vor Ort sind. Die kommen schon jetzt nicht mehr aus den Stiefeln."

Lange Ausbildung

Die von Seehofer versprochenen neuen Beamten müssen allerdings erst einmal die Ausbildung durchlaufen. Vier Jahre dauert es, bis sie vollwertig einsetzbar sind – auch diese Zeit gilt es mit vorhandenen Kräften zu überbrücken. Die vom ehemaligen Innenminister Günther Beckstein eingeleitete Polizeireform und Sparpolitik hat außerdem dazu geführt, dass es mittlerweile an Ausbildungskräften fehlt. Die zuvor reduzierte Infrastruktur muss erst wieder neu aufgebaut werden, um die Personalmisere bei der Polizei nachhaltig zu beenden. "Mit Seehofer erfolgt hoffentlich eine Trendwende", sagt Klaus Bittl, örtlicher DPolG-Vorsitzender für die Polizei in Ingolstadt.

Die Ingolstädter Inspektion ist zwischenzeitlich aufgestockt worden, doch Grund zum Jubeln gibt es dennoch nicht. Waren 2008 von 169 Sollstellen zeitweise nur 125 besetzt, liegt das Verhältnis jetzt bei 171 zu 136. "Wir haben den gleichen Mangel wie fast alle Dienststellen in Bayern", bestätigt Polizeichef Ignaz Brunner. Trotzdem ist er optimistisch, dass "sich das Problem mittelfristig löst." Gewerkschaftsmann Bittl räumt ein, "dass es seit 2008 tatsächlich etwas besser geworden ist". Der oft von auswärts kommende Nachwuchs müsse aber erst angelernt werden und lasse sich danach oft gleich wieder heimatnah versetzen.

Ständiges Jonglieren

Gegenseitige Hilfe gehört zum Alltag. So müssen Beamte der Ingolstädter Inspektion zwischendurch andere Dienststellen in der Region unterstützen. Denn in Eichstätt, Beilngries, Geisenfeld, Pfaffenhofen, Schrobenhausen und Neuburg ist es oft nicht viel besser. Manchmal fehlen Kräfte im Tagesdienst, dann wieder im Schichtbetrieb. "Es ist ein ständiges Hin- und Herjonglieren", sagt ein hoher Beamter.

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