Wurstsemmeln zur Aufstellung des "Monstrums"

08.10.2009 | Stand 03.12.2020, 4:36 Uhr

Wo ist der Rotor? Jung und Alt interessierten sich für die Montage der Anlage auf dem 500 Meter hohen Jurahügel. Zeitweise verfolgten 300 Zuschauer die Arbeit der Enercon-Monteure aus Niedersachsen.

Neuburg (r) "Kleiner Zug nach oben, Miro". Der Kranführer erhält seine Anweisungen aus 140 Metern Höhe. Dort hängt ein Riesenrotor und drei Monteure der Firma Enercon ziehen ihn in Millimeterarbeit an die Nabe heran. Das Manöver klappt: Seit gestern ist das vieldiskutierte Windrad von Kienberg komplett.


Es handelt sich um das südlichste dieses Kalibers in Deutschland. Windkraftanlagen mit 138 Metern Nabenhöhe, drei Millionen Euro teuer und mit zwei Megawatt Leistung drehen sich nur an der Küste und im Binnenland an ausgesuchten Standorten. Wer von Neuburg, Burgheim oder Donauwörth anfährt – das Windrad auf dem 500 Meter hohen Jurahügel bei Kienberg-Rennertshofen ist weithin sichtbar.

Bauherr Herbert Kugler (65) ist Einheimischer und kennt sich aus mit Windkraft. Das Aufstellen seiner neuesten, größten Anlage vor der Haustür entwickelt sich zum Geduldsspiel, weil immer wieder Defekte den 800-Tonnen-Kran lahmlegen. Als dann endlich der Rotor mit drei 40 Meter langen Flügeln aus Spezialkunststoff nach oben schwebt und sofort "passt", löst sich die Spannung. Kuglers Familie verteilt Wurstsemmeln, die Enkel haben schulfrei bekommen. Etwa 300 Zuschauer verfolgen den besonderen Moment, darunter auf Bierbänken etliche Rentner aus Nachbardörfern wie Kienberg, Ammerfeld, Emskeim oder Gansheim. 
 
Burgmannshofen ist schwach vertreten. Dort gilt das Windrad des Ingenieurs als Monstrum, das man um keinen Preis vor der Haustüre haben will. "Unsere Befürchtungen haben sich bestätigt", beschreibt Bürgermeister Alois Schiegg seinen ersten Eindruck von der vollmontierten Anlage. Im Dorf der Protestführer ist sie rundum hochaufragend zu sehen. "Es bleibt abzuwarten, wie sich die Geräuschentwicklung darstellt", meint der Bürgermeister. Einen Gang zur letzten Gerichtsinstanz kann er sich derzeit allerdings nicht mehr vorstellen.
 
Drei Klagen hatten die Windkraftgegner eingereicht. Das Verwaltungsgericht München und der VGH wiesen sie ab. Ein letztes Urteil des VGH steht noch aus. Womöglich schafft es das Kienberger Windrad bis zum Bundesverwaltungsgericht.
 
"Es ist immer das gleiche", sagt Joachim Käuerleber, "man hat nichts gegen Windkraft, will aber am eigenen Wohnort keine Anlage stehen sehen". Käuerleber vertritt Enercon in Bayern und Baden Württemberg. Der deutsche Marktführer aus Aurich liefert zunehmend Großanlagen auch in den Süden. Natürlich sind auch Standorte gescheitert. "In Freiburg haben sie uns tote Fledermäuse unter das Windrad gelegt", berichtet der Enercon-Mann. Windkraft weckt Emotionen.

Auch Herbert Kugler musste teure Gutachten über Fledermäuse und Milan finanzieren. Er durchlief mehrjährige Genehmigungsverfahren und bezahlte über 20 000 Euro Gebühr nur für die Baugenehmigung. Das finanzielle Kreditrisiko einzelner "Windmüller" hängt hoch.

Wenn die Niedersachsen-Anlage auf dem Kienberg die erwartete Ausbeute von vier Millionen Kilowattstunden Strom jährlich schafft, kann sie rechnerisch 80 Prozent des Marktes Rennertshofen versorgen. Und in zehn Jahren ist die Anlage abbezahlt. Für Bauherr Kugler handelt es sich um sauberen Strom: "Photovoltaik geht in die Fläche und beeinträchtigt unsere Landschaft viel mehr".

Während der hochsubventionierte Sonnenstrom gerade mal ein Prozent des deutschen Energiebedarfs abdeckt, steuert die Windkraft bereits sieben Prozent bei. Der Kienberger Rotor wäre beinahe die Jubiläumsanlage zur Marke 25 000 Megawatt Leistung in Deutschland geworden. Dieses Etikett gebührte vor zwei Wochen einer Enercon-Anlage in Ochsenfurt-Durlach.

Der (Noch-)Bundesminister und künftige SPD-Parteichef Siegmar Gabriel erneuerte in Franken sein Bekenntnis zur Windkraft. Sie sei die umweltfreundlichste und ausgereifteste Schlüsseltechnologie und habe bundesweit 200 000 neue Arbeitsplätze geschaffen. Neues Ziel, so Gabriel, sei nun die Mobilisierung von weiteren 25 000 Megawatt Leistung durch Offshore-Windräder in Nord- und Ostsee.

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