Eichstätt

"Bet’ Kindlein bet’, morgen kommt der Schwed’"

01.06.2011 | Stand 03.12.2020, 2:46 Uhr

Spaziergänger und Radfahrer kommen täglich an der kleinen Pforte in der Mariensteiner Klostermauer vorbei, durch die im Dreißigjährigen Krieg unzählige Male die Nonnen von Marienstein um ihr Leben rannten und im Altmühlkahn zum Schloss (Burg) oder nach Hoff (Stadt) flohen. - Fotos: Pfaller

Eichstätt (EK) Der Dreißigjährige Krieg wütete bereits seit 1618 in Europa, als das feindliche Heer sich dem Hochstift Eichstätt gefährlich näherte. Eichstätt sollte nicht verschont bleiben. Noch heute erinnern Bauwerke und Berichte an die Schrecken dieser Zeit.

Tilly, der Heerführer der Liga, war tödlich am 16. April 1632 bei Rain am Lech verwundet worden und Bischof Christoph von Westerstetten mit Teilen seines Domkapitels nach Ingolstadt geflohen. Der Schwedenkönig Gustav Adolf zog am 17. Mai 1632 in München ein, wo er von der Bürgerschaft demütig empfangen wurde. Da die Stadt die 300 000 Taler Kontribution nicht aufbringen konnte, gab er sich mit weniger zufrieden, nahm aber 42 Geiseln mit sich fort, die erst nach drei Jahren wieder freigelassen wurden.

Der Beschreibung eines alten Kriegsregisters nach soll Gustav Adolf am 14. Juni 1632 abends 5 Uhr mit seiner Armee am Blumenberg gestanden haben, er ließ die Stadt durch einen Trompeter zur Unterwerfung und Brandschatzungszahlung von 90 000 Talern auffordern. Eingeschüchtert willigten die Eichstätter ein, das Geld nahmen die Schweden mit. Gustav Adolf ließ sich wenig Zeit und kam selbst nicht in die Stadt, da er erfahren hatte, dass der Feind Churfürst Max von Bayern sich mit Wallenstein vereinigen wollte. In Eilmärschen ging es nach Fürth, um dort bis 18. Juni 1632 zu stehen. Er fiel später in der Schlacht bei Lützen am 16. November 1632.

Für Eichstätt war die akute Gefahr vorüber, doch die Angst saß den Menschen in den Knochen. Die Eltern mahnten ihre Kinder: "Bet’ Kindlein bet’, morgen kommt der Schwed’".

Bernhard von Weimar unter schwedischen Fahnen war der nächste, der seine Kriegskasse in Eichstätt auffüllte, nachdem er die Städte Eschenbach und Herrieden am 2. April 1633 übel zugerichtet hatte. Die durch den langen Krieg zügellos gewordenen Heerscharen unter Herzog Bernhard von Weimar zogen durch das Hochstift.

Am 26. April 1633 erschienen die Schweden in Wasserzell, und der Weimarer ließ durch einen Trompeter auffordern, binnen 24 Stunden 18 000 Taler zu hinterlegen, andernfalls werde geplündert. Während der Verhandlungen der Deputierten, die nach Neuburg zum Herzog geschickt wurden, gab es bereits die ersten Scharmützel.

Am 4. Mai 1633 kam der Weimarer selbst, stellte seine Armee am Petersberg auf und beschoss die Willibaldsburg. Nach tagelangem tapferen Widerstand und Verhandlungen vom 12. bis 20. Mai lautete der am 31. Mai 1633 vom schwedischen Obrist Sperreith aufgenommene Interimsakkord die Besetzung der Burg. Eichstätt bezahlte die 18 000 Taler Kontribution und wurde dafür wieder verschont. Außerdem wurden von der Stadt 20 Kanonen, 2 Möser, 8 Zentner Pulver, 30 Zentner Lunten, 10 000 Musketenkugeln und 1280 Säcke Mehl und viel anderes Getreide ins schwedische Lager nach Neuburg abgeführt. Noch während der Belagerung der Burg wurden Beilngries und Berching geplündert. Das gleiche Los traf die Klöster Rebdorf und Marienstein.

Die rettende Pforte

Clara Staiger beschreibt in ihrem Tagebuch, wie dramatisch sie oft durch den Garten zum "Törlein" flohen, um zu ihrem Altmühlkahn zu gelangen, der sie nach "Schloss" (Burg) oder nach "Hoff" (Stadt) hinter die sichere Mauer der Stadt brachte. Noch heute kommen Spaziergänger und Radler an der kleinen Pforte in der Mariensteiner Klostermauer vorbei.

Als Obrist Johann von Werth die Schweden nächst Mehring bei Augsburg schwächen konnte und das Regiment von Obrist Sperreith fast zugrunde gerichtet hatte, zog dieser rasch über Neuburg nach Eichstätt. Am 7. Dezember 1633 frühmorgens stand er mit 600 Mann plötzlich vor der schlecht verteidigten Stadt, überrumpelte die Wachen und steckte die Stadt teilweise in Brand. Obrist Sperreith, der durch die verloren gegangene Willibaldsburg und den Verrat des schwedischen Oberst Klas von Rasche im Oktober zuvor einen zerstörerischen Hass auf die Bischofstadt hatte, konnte sein Vorhaben nicht umsetzen. Die Garnison auf der Willibaldsburg unternahm nämlich einen Ausfall und vertrieb die Schweden. Diese nahmen den Rektor und einen Jesuitenpater mit und gaben ihn erst gegen ein Lösegeld von 1100 Talern wieder heraus.

Ingolstadt und die Wülzburg waren durch kaiserliche und bayerische Truppen besetzt, wobei die Willibaldsburg das Zwischenglied in der Kette war und den Schweden natürlich ein Dorn im Auge.

Stadt in Flammen

Da die Vorräte auf der Wülzburg zu Neige gingen, schickte der Festungskommandant von Ingolstadt einen Transport in Begleitung von 3000 Mann dorthin. Dieses Korps musste sich durch die feindlichen Truppen einen blutigen Weg erkämpfen und kam mit herben Verlusten auf der Wülzburg an. Auf dem Rückweg am 25. Januar 1634 gerieten sie auf der Jurahochfläche bei Raitenbuch in einen schwedischen Hinterhalt. 300 Mann ließen ihr Leben, 800 wurden samt Befehlshabern gefangen. Geschütze, Standarten, Munition und 25 Wagen gingen verloren. Ein Feldmarterl mit Abbildung steht an der Stelle, wo hunderte Soldaten der Liga ihr Leben verloren

In Eichstätt blieb Dompropst Bernhard von Gemmingen Statthalter. Er beschrieb in seinem Bericht vom 24. März 1634 an Bischof Christoph von Westerstetten, den die Pest von Ingolstadt nach München verjagt hatte, die traurigen Ereignisse. Am 6. Februar 1634 um 8 Uhr begannen die Schweden unter Landgraf Johann und Oberst Haßfurt die Stadt zu stürmen. Der Feind setzte zuerst am Westen-, dann am Ostentor an, wobei er im Osten durchs Jesuitenkolleg (heute Priesterseminar) eindrang, im Westen durch den St. Michaelsfriedhof, da die Truppen vom Hochgericht herabkamen. Nach einer Stunde besetzten sie die Stadt und sogleich das Spitaltor, um Hilfe von der Burg abzuschneiden.

Plünderung, Raub, Schändung der Frauen, Jungfrauen und Nonnen, Ertränken der halb Erschlagenen in der Altmühl und alle erdenklichen Zügellosigkeiten wurden von der Soldateska der Schweden verübt. Am 7. Februar um 7 Uhr ritt ein Trompeter vor die Burg und verlangte im Namen von Herzog Bernhard von Weimar die Übergabe der Feste, ansonsten Eichstätt in Flammen aufginge. Dies wurde verweigert, und so wurde die Stadt schonungslos niedergebrannt. Die Ereignisse sind bis heute unvergessen.

Zu den Oberbayerischen Kultur- und Jugendkulturtagen erinnert der Schlossleutnant-Krach-Spiele e.V. unter Federführung von Florian Schmidt mit dem Theaterprojekt "Der Schwedenbrand" daran. Die Workshops dazu laufen bereits auf Hochtouren, Premiere ist am 25. Juli auf der Seminarwiese.

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