Burgheim

Klosterfrau und Kriegszeit

Hilde Gellrich wird 103 und erzählt aus ihrem bewegten Leben

13.02.2013 | Stand 03.12.2020, 0:30 Uhr

 

Burgheim (r) „Lassen Sie sich nicht unterkriegen“. Hildegard Gellrich hat immer einen guten Wunsch für Pfarrer, Bürgermeister und Landrat parat. Am Aschermittwoch bevölkerten die Gratulanten ihre Wohnküche.

Die Rentnerin feierte den 103. Geburtstag.

Hilde Gellrich wohnt selbstständig in ihrer Mietwohnung in Burgheim. Die Nachbarin schaut täglich mehrmals vorbei und erledigt die Einkäufe. Nach einem Oberschenkelhalsbruch mit 99 musste sie kurzzeitig in die Geriatrieklinik. Sie hielt nicht lange aus. Nach einem Gespräch mit dem Psychologen stellte sie fest: „Der gehört eingewiesen“. Als sie in der Testküche einen Krauthobel bedienen sollte, lehnte sie ab: „Die spinnen doch, ich koche seit 90 Jahren“. Die Burgheimer Jubilarin stellt nicht nur den Anspruch auf ein selbstbestimmtes Leben, sie lebt es auch. „Ein Phänomen“, staunten Landrat Roland Weigert, Bürgermeister Albin Kaufmann und Bezirksrat Klaus Brems. Eineinhalb Stunden lauschten sie den Ausführungen von Hilde Gellrich.

„Auf und ab“ habe sich ihr Leben bewegt, „aber ich bin immer einen geraden Weg gegangen“. Aus ihrer Heimat im Böhmerwald landete sie im Kloster der Barmherzigen Schwestern des Heiligen Borromäus in Prag. Die junge Schwester Berthilde hatte bereits die erste Profess abgelegt, da lernte sie Werner Gellrich kennen. Sie verließ das Prager Kloster und heiratete im September 1939. „Das war wenige Tage, nachdem Hitler den Krieg begonnen hatte“, so die Jubilarin. Als OP-Schwester habe sie zu rauchen begonnen, das hätten die Ärzte zur Entspannung so gemacht. Ob sie noch rauche, fragte Landrat Weigert. „Mithin“, antwortete Hilde Gellrich, auch einem Glas Bier oder einem Asbach Uralt (mit Würfelzucker) sei sie nicht abgeneigt.

Ihr Lebensmotto hieß aber auch: „Arbeiten und arbeiten“. Seit 1988 ist sie Witwe. In die Burgheimer Pfarrkirche ging sie, solange die Füße trugen. Mit Dekan Werner Dippel pflegt Hilde Gellrich ein besonderes Verhältnis. „Wie Sie gebaut sind, werden Sie auch 103“, stellte sie gestern fest. Selber würde sie gern noch ein bisschen leben, „denn der da oben vergisst mich nicht“.

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