Ingolstadt

Mehr Platz für die Donau

Naturschützer Rudolf Wittmann fordert auch in Ingolstadt Konsequenzen aus der Flutkatastrophe

20.06.2013 | Stand 03.12.2020, 0:00 Uhr

»Mahnmal schlechter Flusspolitik«: Die Donau ist nach Ansicht Rudolf Wittmanns nicht nur, aber auch in Ingolstadt bedroht. Für einen besseren Hochwasserschutz müsse sie mehr Freiraum haben - Foto: oh

Ingolstadt (DK) Die Stadt Ingolstadt ist bei der großen Flutkatastrophe wieder einmal glimpflich davongekommen. Also alles bestens? Ganz im Gegenteil, sagt Rudolf Wittmann vom Landesbund für Vogelschutz (LBV). Höchste Zeit umzusteuern. Das Bayernoil-Gelände biete dazu die einmalige Chance.

„Jetzt haben wir doch die geniale Situation, dass die Bebauung verschwunden ist“, findet der örtliche LBV-Vorsitzende. Gerade nach den Erfahrungen der vergangenen Tage an der Donau in Niederbayern müssten jetzt Deiche zurückverlegt und damit die „Ausbreitungsräume des Flusses“ vergrößert werden.

„Wir brauchen wieder eine Situation, bei der das Wasser in der Landschaft bleibt und erst gar nicht abläuft“, fordert Wittmann. Einfach nur die Dämme immer höher zu bauen, sei keine Lösung. „Das hat auch was Unsoziales, weil die Lage für die Unterlieger immer bedrohlicher wird.“ Stattdessen sollte die Stadt die Neubebauung des ehemaligen Raffineriegeländes noch einmal überdenken. „Das ist einfach ein Donauraum, in den wir erneut reinbauen würden“, warnt der LBV-Chef. „wir brauchen nur das Gewerbegebiet und das Fußballstadion zu schützen.“ Das Bayernoil-Areal sei „ökologisch potenziell extrem wertvoll“ und als Ausgleichsfläche sehr gut geeignet. Die Rückverlegung des Deiches wäre ein „echter Schritt hin zum Hochwasserschutz“.

Ohnehin sei die Donau geradezu ein „Mahnmal schlechter Flusspolitik“, zitiert Wittmann eine Studie des World Wildlife Funds (WWF), in der schon 2007 eine Rangliste der am stärksten bedrohten Flüsse aufgestellt wurde. Durch die Zerstörung von Auen und Feuchtgebieten, aber auch andere menschliche Eingriffe gehöre die Donau zu den traurigen „Top Ten“, in einer Reihe etwa mit Jangste und Mekong, Ganges und Indus. Der Verlust weiterer Auenflächen verschärfe zudem die Gefahr extremer Überflutungen.

Vor diesem Hintergrund bewertet der LBV-Chef auch den jüngsten Antrag der Freien Wähler im Stadtrat: „Der erneute Vorstoß zum Straßen- und Tunnelbau im westlichen Auwald verkommt angesichts der Fluten in den Häusern von Fischerdorf und Natternberg zu einem schlechten Witz.“

Wittmann erinnert den Stadtrat an seinen Beschluss von 2009 zur Biodiversitätsstrategie. „Der ist verpflichtend“, mahnt er die Politik. Ingolstadt gehöre bei der Flächenversiegelung zu den Spitzenreitern unter den bayerischen Kommunen. Deswegen habe es nun einen „faden Beigeschmack“, wenn der Stadtrat einen neuen Schlüssel für die Berechnung ökologischer Ausgleichsflächen absegne und für das große Neubaugebiet Friedrichshofen-West plötzlich statt zehn nur noch 3,7 Hektar ausweise, verteilt auf sechs Grundstücke – „aus der Sicht des Artenschutzes ein unbedeutender Fleckerlteppich“. Die neuen Richtlinien für den Ökoausgleich seien im Übrigen ohne die Mitwirkung der Umweltverbände zustande gekommen, bemerkt Wittmann.

„Wir brauchen den Wasserrückhalt auf der Fläche“, appelliert er an die Stadträte, „mehr extensiv genutztes Grünland, feuchte Wiesen und Moorschutz.“ Landwirtschaftliche Intensivkulturen wie Maisanbau zehrten dagegen an der Humusschicht der Ackerböden und führten zu Bodenverdichtungen. „Dies hat einen schnellen Wasserabfluss zur Folge.“ Da 62 Prozent der Bauerneinnahmen aus Steuergeldern stammten, könnten die Bürger auch Forderungen an die Landwirtschaft stellen. „Auf unseren Äckern wächst nicht unser Wohlstand“, widerspricht der LBV-Vorsitzende einer Aussage von CSU-Stadtrat Franz Wöhrl, sondern dort „beginnt die Katastrophe“.

 

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