Eichstätt

Besuch in der Heimat

Vor fünf Jahren wurde der Eichstätter Adolf Bittschi Weihbischof im bolivianischen Sucre

28.06.2013 | Stand 02.12.2020, 23:58 Uhr

Wirkt seit genau 30 Jahren in Lateinamerika: Adolf Bittschi. Mittlerweile ist er Weihbischof. 1977 feierte Bittschi (3. von links) im Eichstätter Dom seine Primiz (unten). - Fotos: smo/Archiv Kirchenzeitung

Eichstätt/Sucre (EK) Im Mai 2008 ernannte der damalige Papst Benedikt XVI. Adolf Bittschi zum Weihbischof in Sucre – tausende Kilometer weit von der Heimat entfernt. Der gebürtige Eichstätter lebt seit rund 30 Jahren in Bolivien, wirkte dort ein Vierteljahrhundert lang als sogenannter Fidei Donum-Pfarrer, ehe er vor nun fünf Jahren in die Bistumsleitung von Sucre berufen wurde. Derzeit ist Bittschi (62) – er ist Titularbischof der erloschenen Diözese Nigizubi/Afrika – auf Heimaturlaub.

Herr Weihbischof, Sie sind vor 30 Jahren von der Diözese Eichstätt freigestellt worden und als Priester nach Bolivien gegangen. Vor fünf Jahren hat sie der Papst zum Weihbischof berufen. Was verspüren Sie, wenn Sie zurückblicken?

Adolf Bittschi: Ich bin von Eichstätt nicht weggegangen, weil es mir hier nicht mehr gefallen hat. Es war vielmehr eine Berufung von oben, die ich aber nicht mit Freuden aufgenommen habe. 1976 war die Gebetsmeinung von Papst Paul VI. „Priester für Lateinamerika“. Da hat es „klick“ gemacht und ich habe gespürt, ich muss gehen. Ich wollte dann eigentlich nach Peru, aber man hat mir damals erklärt, dass dort schon Priester aus der Diözese eingesetzt sind.

Aber wenn, dann sollte es nach Südamerika gehen. 1983 drüben angekommen, eröffnete man mir, dass ich eine Pfarrei auf den Bergen auf 3000 Metern Höhe übernehme. Ich konnte die Einheimischensprache Ketschua nicht. Da sind mir die Tränen gekommen. Ich habe mich nicht in der Lage gefühlt, zu gehen.

Aber Sie sind dann doch gegangen, oder?

Bittschi: Ja. 1985 bin ich nach Incahuasi gekommen, nach einem Grundkurs in Ketschua. Die Leute dort haben aber gemeint, dieser „Gringo“, also dieses „Bleichgesicht“, wird es vielleicht zwei, maximal drei Jahre aushalten. Dann geht er wieder. Ich hab eine Zugabe machen können von über 20 Jahren. Was mich dort gehalten hat, das war der Hunger der Menschen nach dem Wort Gottes.

Hatten Sie dort die Leitung einer Pfarrei, wie wir sie aus unseren deutschen Strukturen kennen, inne oder lag der Schwerpunkt anders?

Bittschi: Eine der Hauptaufgaben, die ich hatte, war die Schulung der Katechisten. Bei der ersten Begegnung mit ihnen haben sie mir gesagt: ,Dein Vorgänger wollte nicht, dass wir in der Messe klatschen. Aber wir wollen Charismatische Erneuerung.‘ Denen war klar, dass es da um mehr geht, als nur äußerlich lebendig dabei zu sein. Man muss schon sagen, dass die meisten Ideen in der Pfarrei von den Laien gekommen sind, etwa Bibelabende oder Andachten. Zu den Katechistenschulungen haben wir am Schluss gar nicht mehr einladen müssen. Da sind bis zu 150 Leute gekommen um Lichtmess herum. Wir hatten gar nicht so viele Betten zur Verfügung. Es ging da natürlich in erster Linie um Glaubensvermittlung, aber auch um das Gemeinschaftserlebnis. Da haben die Leute gespürt, eine große Gemeinschaft zu sein. Das ist den Leuten geblieben. Von diesen Kursen wird heute noch erzählt.

Haben Sie nicht einmal die Koffer packen wollen und gesagt: Jetzt reicht’s, ich gehe?

Bittschi: Ich hatte Krisen. Aber die große Stütze in diesen Zeiten, wenn ich drauf und dran war, die Koffer zu packen und zu sagen, ich gehe zurück nach Eichstätt, waren die jungen Leute, die dem Ruf Gottes gefolgt sind wie die heilige Walburga. Sie war übrigens auch für mich die Bestärkung meiner Berufung. 24 junge Mädchen sind ins Ordensleben eingetreten, die Hälfte leider wieder ausgetreten. Aber es sind immer noch an die 13 junge Frauen im Kloster, teils auch schon mit Verantwortung. Ich habe auch fern von Bolivien Unterstützung, die mich trägt, etwa das Gebet der Benediktinerinnen von St. Walburg. Es gehört natürlich mittlerweile als Weihbischof und Generalvikar dazu, dass ich mich darum kümmere, dass wir unsere Projekte verwirklichen können. So soll demnächst ein Pfarrzentrum entstehen – ich habe die Pläne mit nach Deutschland gebracht. Die Kirche steht schon. Da bin ich sehr zuversichtlich. Hier müssen natürlich auch die Menschen vor Ort ihren Beitrag leisten. 7000 Dollar sind schon gesammelt.

Aber da gehört dann auch die Zusammenarbeit mit der Politik dazu. Wie ist denn das Verhältnis der Kirche zur bolivianischen Regierung und umgekehrt?

Bittschi: Dieses Verhältnis war schon immer gespannt. Aber die Kirche sagt, was Sache ist, sie legt den Finger in die Wunden. Zuletzt etwa, weil der jetzige Regierungspräsident durch das Indianerreservoir Isiboro Secure eine Straße bauen lässt mit dem Vorwand, die Menschen dort besser anzubinden. Dann hätten sie nicht mehr so weit zum Arzt oder in die Klinik. Nur, diese Straße, die schon gebaut wird, geht mitten durch das Gebiet, aber für die Leute ist es keine Hilfe, weil sie eher am Rand wohnen – weit weg von der Straße. Da stehen andere Interessen dahinter. Unsere Regierung vertritt die gleiche Linie wie die Regierung in Ecuador und Kuba, den Sozialismus des 21. Jahrhunderts. Und wir wissen inzwischen, dass das nichts anderes ist als der Kapitalismus nach Marx und Engels aus dem 19. Jahrhundert. Und wer kundig ist, weiß: Es ist ein Ziel, der Kirche den Garaus zumachen, sie an den Rand zu drängen. Die Regierung rückt jetzt überall da rein, wo die Kirche bislang unterstützend und helfend da war, etwa im Gesundheitswesen. Wir können aber schon noch Gutes tun.

Sie wurden vor fünf Jahren von einem Landsmann zum Weihbischof ernannt. Inzwischen hat ein Lateinamerikaner auf dem Stuhl Petri Platz genommen.

Bittschi: Ich habe mich schon gefreut, dass mit Papst Benedikt ein Landsmann meine Ernennung zum Bischof unterschrieben hat. Und jetzt die Wahl von Kardinal Bergoglio hat uns natürlich auch Auftrieb gegeben in Bolivien. Viele haben einen lateinamerikanischen Papst erwartet, ich selbst auch. Allerdings hatte ich an den Kardinal von Buenos Aires nicht mehr gedacht, sondern eher an einen brasilianischen Bischof. Aber es war eine schöne Überraschung, eine riesige Freude für uns.

Jetzt sind Sie für einige Wochen in Ihrer Heimat, wo Sie 1950 geboren und 1977 zum Priester geweiht wurden. Abseits verschiedener Verpflichtungen – ist es trotzdem ein bisschen Urlaub?

Bittschi: Mir geht’s sehr gut in Bolivien, aber das schönste Urlaubsland ist für mich Deutschland. Hier sind die Menschen, die ich seit Langem kenne, die sich für meine Arbeit interessieren, die mit mir in Kontakt geblieben sind über die Rundbriefe, über Skype und jetzt auch über Facebook. Ich freue mich, dass ich da sein darf. Ich unterstütze unseren Bischof Gregor natürlich auch gerne bei den Firmungen, weil mir die Diözese sehr wichtig ist. Sie hat mir in den 30 Jahren immer wieder geholfen. Die Firmungen sind praktisch ein Dankeschön für diese Unterstützung.

Das Gespräch führte Marco Schneider.

URL: https://www.donaukurier.de/archiv/besuch-in-der-heimat-4549564
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