Ingolstadt

Keine klaren Beweise für Suizidabsicht

Mordversuch vom Tisch: Nach folgenschwerem Verkehrsunfall erhält der Verursacher eine Haftstrafe zur Bewährung

13.05.2014 | Stand 02.12.2020, 22:42 Uhr

Ingolstadt (DK) Für den ursprünglichen Mordversuchsvorwurf hatte letztlich sogar der Staatsanwalt keine klaren Beweise mehr gesehen, und der Schwurkammer des Landgerichts ging es ebenso: Sie hat gestern den 39-jährigen Mann aus dem südlichen Landkreis Eichstätt, der im Februar 2011 unter Alkoholeinfluss einen folgenschweren Frontalzusammenstoß auf der B 13 nahe der Gabel verursacht hatte, wegen fahrlässiger Verkehrsgefährdung und fahrlässiger Körperverletzung zu einer einjährigen Bewährungsstrafe verurteilt.

Für die Annahme, dass der Angeklagte diesen Unfall in selbstmörderischer Absicht herbeigeführt und den Tod seines Unfallkontrahenten billigend in Kauf genommen haben könnte (DK berichtete mehrfach), haben sich laut Vorsitzendem Jochen Bösl keine eindeutigen Hinweise gefunden. Es habe sich aber um einen „erheblichen, gewichtigen Verkehrsverstoß“ gehandelt, der unbedingt mit einer Haftstrafe zu ahnden gewesen sei, so Bösl. Die Aussetzung dieser Strafe zur Bewährung könne jedoch ohne Bedenken erfolgen, weil der Verurteilte zuvor nie straffällig geworden war und in geordneten Verhältnissen lebt.

Wegen der besonders langen Verfahrensdauer – immerhin sind seit dem Unfall schon über drei Jahre vergangen – und den damit verbundenen mentalen Belastungen für den Angeklagten hat das Gericht im Urteil festgehalten, dass ein Viertel der Haftstrafe bereits als verbüßt gilt. Die Kammer hatte den Fall lange vertagt, weil immer wieder andere kapitale Strafsachen mit (wahrscheinlichen) Hafturteilen angestanden hatten und der Angeklagte nicht in U-Haft saß.

Eine – vom Verteidiger geforderte – finanzielle Entlastung des Angeklagten durch Abwälzung der Pflichtverteidigerkosten auf die Staatskasse lehnte das Gericht ab. Der Mann muss die vollen Verfahrenskosten tragen und bekommt seinen nach dem Unfall eingezogenen Führerschein frühestens in drei Monaten zurück.

In seiner Urteilsbegründung ging der Vorsitzende mehrfach auf den lange im Raum stehenden Verdacht ein, der Angeklagte könne in Suizidabsicht auf den Gegenverkehr zugehalten haben. Für eine Kurzschlusshandlung hat sich aber laut Kammer in der Beweisaufnahme kein Hinweis gefunden. Ein Sachverständiger hatte hierfür keine schlüssigen Anhaltspunkte gesehen, und Zeugen hatten ausgesagt, dass der (durch ein zugeschwollenes Auge auch sehbehinderte) Unfallverursacher nur allmählich auf die Gegenfahrbahn geraten sei. Dass der Angeklagte in den Stunden vor dem Unfall nach einem vorausgegangenen wilden Familienstreit Selbstmordabsichten gehabt und auch einen Abschiedsbrief geschrieben hatte, mochte die Kammer nicht als Beweis für ebensolche Gedanken unmittelbar vor dem Unfall werten.

Was zweifelsfrei bleibt, sind die erheblichen Folgen des Geschehens für den Unfallgegner, der jetzt mit einer 30-prozentigen Erwerbsminderung leben muss. Dies allein, so das Gericht, rechtfertige schon eine spürbare Strafe für den Angeklagten. Dass es nicht noch schlimmer ausgegangen war, ist wahrscheinlich reiner Zufall. Jochen Bösl: „Es hätte auch mehrere Tote geben können.“

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