Pfaffenhofen

"An der Grenze zum Sittenwidrigen"

Verwaltungsgericht kippt Vorgaben des Landesamts für Denkmalschutz

14.05.2014 | Stand 02.12.2020, 22:41 Uhr

Bei archäologischen Grabungen hatte der Bauherr bisher kaum ein Mitspracherecht. Doch dafür gibt es offenbar keine rechtliche Grundlage. Arch - foto: Kraus

Pfaffenhofen (DK) Das Landesamt für Denkmalpflege, dessen Ausgrabungspraxis in der Pfaffenhofener Altstadt immer wieder in der Kritik steht, ist gestern vom Verwaltungsgericht München in die Schranken gewiesen worden: Das Gericht hat unter anderem die gängigen Denkmalschutzauflagen für Bauherren gekippt.

Es dürfte eine weitreichende Entscheidung sein, die das Verwaltungsgericht gestern bei einem Ortstermin in Pfaffenhofen getroffen hat: Die Praxis des Landesamts für Denkmalpflege, archäologische Arbeiten ohne Mitspracherecht des Bauherrn anzuordnen, entbehre jeder Rechtsgrundlage. Und auch die üblichen denkmalschutzrechtlichen Anordnungen seien in ihrer derzeitigen Form rechtswidrig. Die vorsitzende Richterin Cornelia Dürig-Friedl fand drastische Worte: „Die Auflagen grenzen ans Sittenwidrige.“

Das Gericht empfiehlt dringend, den Auflagenkatalog für Bodeneingriffe rechtlich zu überarbeiten, bevor das Landesamt weiter auf einer Umsetzung der Vorgaben besteht. Damit können Bauherrn erst einmal aufatmen – wenn nicht gar jubeln. Die Entscheidung dürfte Auswirkungen für ganz Bayern haben. Die Leitung der Denkmalschutzbehörde wollte sich gestern aber noch nicht zur Sache äußern: Man wolle erst die Urteilsbegründung abwarten, teilte die Behörde mit.

Wer bisher in der Pfaffenhofener Altstadt bauen wollte, musste durch archäologische Grabungen monatelange Verzögerungen und Mehrkosten im gut und gerne mal oberen sechsstelligen Bereich in Kauf nehmen. Der Pfaffenhofener Bauträger Karl Böswirth kann ein Lied davon singen. Gerade baut er ein neues Wohn- und Geschäftshaus – und das war der Auslöser der gestrigen Verhandlung: Für die Bodenplatte wurde ein halber Meter abgetragen und archäologisch untersucht. Und obwohl laut Grabungsbericht kein Bodendenkmal zu erwarten war, wurden in der denkmalschutzrechtlichen Erlaubnis für den Neubau strenge Auflagen festgesetzt. Dagegen hat der Bauherr nun geklagt – mit Erfolg. „Es geht darum, Rechtssicherheit für künftige Vorhaben zu schaffen“, erklärt Böswirths Rechtsanwalt Thomas Schönfeld.

Die Hoffnung der Bauträger: Wenn sie Grabungsfirmen künftig vielleicht selbst aussuchen dürfen und die Denkmalschützer keine möglicherweise unnötigen Arbeiten mehr in Auftrag geben können, sollen die Grabungen billiger werden: „Mindestens 50 Prozent der Grabungsarbeiten sind völlig überflüssig und rechtswidrig“, kritisiert Rechtsanwalt Schönfeld. „Und in der Praxis hat der Grundstückseigentümer nichts zu melden.“ Gegraben würde natürlich trotzdem noch: „Bei einem echten Bodendenkmal habe ich ja nichts dagegen, es ausgraben zu lassen und diese Arbeiten zu bezahlen“, stellt Mandant Böswirth klar. Doch bei seiner letzten Baustelle seien von fast 780 Funden nur zehn Prozent überhaupt als Bodendenkmal relevant gewesen. „Es ist wirklich ein Wahnsinn“, kritisiert er.

Das Verwaltungsgericht sah das gestern ähnlich: Es teile die Auffassung, dass die Auflagen des Denkmalschutzes überwiegend rechtswidrig sind, fasste die Richterin Dürig-Friedl zusammen. „Inhaltlich sind sie unterirdisch – eine wilde Mischung aus sinnvollen Dingen und Hinweisen, die für den Bauherrn überhaupt keinen Sinn ergeben.“ Verbindliche Auflagen und bloße Hinweise müssten künftig aber getrennt werden. Auch was das Auftreten der Denkmalschützer betrifft, ging die Richterin mit der Behörde hart ins Gericht: „Im Raum Ingolstadt herrscht die Einstellung, dass das Landesamt bestimmt und die anderen zu folgen haben“ – doch dafür gebe es keine rechtliche Grundlage. Die Denkmalschützer seien keineswegs zu „hoheitlichem Handeln gegenüber Dritten“ befugt. Dass die Behörde sich vorbehält, den Bauherren Grabungsfirmen vorzuschreiben, entbehre ebenfalls jeder Rechtsgrundlage. Mehr als fragwürdig sei auch, dass die weitere Verantwortung der Ausgrabungen auf den Bauherrn abgeschoben werde: Die Denkmalschützer behielten sich vor, den Bauherren „zu knebeln und ihn zugleich haftbar zu machen“, so die Richterin.

Zum Hintergrund: Rechtlich gesehen ist allein das jeweilige Landratsamt als sogenannte „Untere Denkmalschutzbehörde“ dafür zuständig, Bodeneingriffe bei vermuteten Denkmälern denkmalschutzrechtlich zu genehmigen – gegen Auflagen wie vorherige archäologische Grabungen, versteht sich. Die Zustimmung des Landesamts für Denkmalpflege ist dafür nicht zwingend notwendig. Sie hat als Fachbehörde eigentlich nur eine beratende Funktion. Doch wie bei der Verhandlung gestern deutlich wurde, sieht die Praxis anders aus: Vertreter des Landesamts würden dem Landratsamt Auflagen diktieren und mündlich Grabungsarbeiten, Dokumentationen und Vermessungen auf Kosten der Bauherren anordnen, hieß es.

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