Ingolstadt

"Wir sind schwer zu halten"

FC-04-Trainer Hasenhüttl spricht vor letztem Test gegen Köln über Laufwege, die Bundesliga und Ziele

25.07.2014 | Stand 02.12.2020, 22:25 Uhr
Trainer Ralph Hasenhüttl −Foto: Oliver Strisch

Ingolstadt (DK) Am 2. August beginnt für den FC Ingolstadt mit dem Auswärtsspiel beim FC St. Pauli die Punktspielsaison. Vor der Generalprobe am Samstag gegen Bundesliga-Aufsteiger 1. FC Köln (15.30 Uhr im Audi-Sportpark) zieht Trainer Ralph Hasenhüttl ein Resümee der Vorbereitung.

Herr Hasenhüttl, Sie sind mit Ihrer Mannschaft in sieben Testspielen noch ungeschlagen und haben zuletzt sogar den Aufstiegsfavoriten 1. FC Nürnberg mit 2:1 bezwungen. Dürfen die FC-04-Fans nun darauf hoffen, dass die Schanzer in dieser Saison vorne mitspielen?

Ralph Hasenhüttl: Wir wissen die Ergebnisse richtig einzuordnen. Wir haben eine sehr junge Mannschaft. In der Meisterschaft kommen Druck, Stress und Zuschauer dazu.

 

Aber die Art und Weise muss Ihnen doch gefallen haben, wie Ihre Mannschaft gegen den Club Chancen erspielt hat?

Hasenhüttl: Ich glaube schon, dass wir den Gegner am Anfang überrascht haben. Mit ein bisschen Fußballspielen kann man uns nicht wehtun. Wir können laufen, wir können dagegenhalten und wir können schnell umschalten. Wir wissen aber, dass wir keine Übermannschaft sind, allerdings brutal lernwillig.

 

Sehen Sie in den Abläufen bei den Testspielen Ihre Arbeit bestätigt?

Hasenhüttl: In der Vorbereitung haben wir gegen sehr gute Gegner kein Spiel verloren. Das zeigt, dass wir unangenehm zu spielen sind. Auch Red Bull Salzburg, das dann im ersten Punktspiel gegen Rapid Wien gleich 6:1 gewonnen hat, konnte sich gegen uns kaum Chancen herausspielen, weil wir Automatismen erarbeitet haben. Im Spiel nach vorne haben wir noch nicht alles gezeigt, was wir können. Chancen waren aber in allen Spielen da.

 

Liegen Sie in der Vorbereitung im Plan?

Hasenhüttl: Unser Fitnessgrad ist gut. Wir müssen ein bisschen aufpassen, weil wir durch den kleinen Kader eine höhere Belastung haben, beispielsweise in der Zweikampfschulung. Da haben gerade die jungen Spieler mit der Intensität noch Probleme. Aber die Mannschaft hat super Aussichten auf eine gute Saison, auch wenn es immer wieder Rückschläge in unserer Entwicklung geben kann.

 

Was stimmt sie positiv?

Hasenhüttl: Wir haben eine sehr gute Mentalität in der Truppe und Spieler, die unbedingt gewinnen wollen. Unser Stamm aus dem vergangenen Jahr weiß, wo wir hinwollen und die neuen Spieler werden einfach mitgerissen. Es macht enorm viel Spaß, das zu sehen.

 

Sie geben auch den jungen Spielern eine Chance.

Hasenhüttl: Man hat gegen den Club gesehen, dass nicht wichtig ist, welche Namen auf dem Platz stehen, sondern was jeder bereit ist, zu investieren. Wir hatten auch mit Steffen Jainta und Julian Günther-Schmidt mehr Chancen als der Gegner. Robert Bauer spielte das erste Mal in seinem Leben linker Außenverteidiger und machte das gut. Und Michael Zant spielt mit 19 Jahren in der Innenverteidigung, als ob er schon ewig dabei wäre. Ich will die Jungs fordern und Reize setzen.

 

Und die Jungen sehen, dass sie mithalten können und von ihren Mitspielern akzeptiert werden?

Hasenhüttl: Genau. Die älteren Spieler wie Marvin Matip oder Andre Mijatovic zum Beispiel loben die jungen Spieler und freuen sich über jede gute Aktion von ihnen. Das hilft ihnen sehr. Sie werden sich an das Tempo und die Spielweise gewöhnen. All das erhöht unsere Gesamtqualität. Wir haben in unserem System einfache Abläufe, und wenn wir das abrufen, schaffen wir es als Mannschaft immer gut dazustehen.

 

Sehen Sie die Geschwindigkeit oder die defensive Stabilität als größtes Plus der Mannschaft?

Hasenhüttl: Wir sehen, dass wir physisch sehr gute Spieler haben, auch Speed auf vielen Positionen. Ein Mathew Leckie ist eine Waffe, wenn er in die Tiefe geht. Wir brauchen aber auch Spieler, die den Ball spielen. Ich erwarte von Pascal Groß, Alfredo Morales und Roger, dass sie unser Herzstück werden, ein Bollwerk, das nach hinten nichts durchlässt und nach vorne immer Lösungen findet.

 

Ist Roger der Chef im zentralen Mittelfeld?

Hasenhüttl: Ja, absolut. Roger hält den anderen den Rücken frei. Er ist sehr zweikampfstark und hat gelernt, wie viel Risiko er gehen kann. Mal den Ball blind nach vorne schlagen, ist für mich völlig okay. Roger weiß jetzt, dass für mich ein geklärter Ball immer ein guter Ball ist. Dann passiert nichts und wir orientieren uns neu. Roger ist ein Riesenkicker und Chef, den jeder akzeptiert. Da ist viel Qualität auf dieser Position.

 

Wie zufrieden sind Sie mit den neuen Spielern?

Hasenhüttl: Lukas Hinterseer hat mich positiv überrascht. Er ist ein sehr fleißiger Spieler, muss aber vor dem Tor noch abgezockter werden. Benjamin Hübner ist einer, der sich nie schont. Den muss man ein bisschen bremsen. Er ist mit seiner Größe und Zweikampfstärke eine absolute Verstärkung in der Innenverteidigung. Robert Bauer hat wunderbare Anlagen, ist rotzfrech und hat eine gute Schusstechnik. Mathew Leckie hat keine volle Vorbereitung gehabt. Wir versuchen, ihn durch die Spiele fit zu bekommen. Er hat mit seinen Sprints einen sehr intensiven Spielstil und braucht manchmal Pausen. Dann müssen Morales, Groß oder Wannenwetsch mehr laufen.

 

Leckie hatte durch die WM-Teilnahme fast keinen Urlaub. Wie lange wird es dauern, bis er bei 100 Prozent ist?

Hasenhüttl: Er muss sich in den ersten Spielen herantasten. Aber Leckie ist robust und scheint nicht verletzungsanfällig.

 

Bereitet Ihnen die Abschlussschwäche Sorgen?

Hasenhüttl: Nein. Vielleicht deshalb nicht, weil ich selbst Stürmer war und immer gesagt habe, solange ich Chancen habe, ist das Ding irgendwann einmal drin. Wir hatten bisher schon viele Chancen. Elfmeter sollten wir ein bisschen besser schießen, da haben wir schon zwei verschossen. Ich will tendenziell, dass Offensivspieler die Elfmeter schießen, das tut den Stürmern gut, wenn sie treffen.

 

Werden Sie einen Schützen bestimmen?

Hasenhüttl: Ja. Aber der steht noch nicht fest. Es ist wichtig für die Hierarchie, dass sich keiner um den Ball streitet. Fakt ist, dass wir schon viele Elfmeter bekommen haben. Das zeigt, dass wir mit unseren Laufwegen schwer zu halten sind.

 

Sie haben einen kleinen Kader und wollen noch neue Spieler holen. Anderseits wissen Sie, dass irgendwann die Langzeitverletzten wie Engel, Cohen, Jessen, Gunesch oder Eigler wiederkommen. Wo setzen Sie Prioritäten?

Hasenhüttl: Das ist die Schwierigkeit. Wir wollen für verletzte Spieler nur Spieler holen, die keine Ablöse kosten und ihre Rolle akzeptieren. Für den Offensivbereich wollen wir den Transferüberschuss aus den Abgängen von Caiuby und Hofmann einsetzen.

 

Klappt das noch bis zum Saisonstart?

Hasenhüttl: Das kann schon eng werden. Aber meine Truppe steht, ich habe keine Angst, so in die Saison zu starten.

 

Ist die Mannschaft nach dem Weggang Caiubys geschlossener?

Hasenhüttl: Caiuby war angesehen in der Mannschaft. Wir haben noch nicht so viele Spieler an die Bundesliga verloren, insofern ist das auch eine Auszeichnung und ein Fortschritt für den Verein. Jeder will nach oben. Es gibt keinen Spieler, der immer in der 2. Liga spielen will. Für uns Trainer ist es nicht anders.

 

Sie haben in einem Interview gesagt, die Bundesliga läuft Ihnen nicht davon. Haben Sie einen Zeitplan?

Hasenhüttl: Das Schöne ist, dass ich in Ingolstadt nichts vermisse, was mir die Bundesliga bieten könnte. Natürlich verdient man mehr Geld, und die Stadien sind voller. Aber meine tägliche Arbeit hier füllt mich mit Freude aus. Vielleicht ist es noch schöner, wenn 5000 Zuschauer im Training dabei sind. Aber ich finde es wunderbar, dass ich hier in Ruhe arbeiten kann. Ich bin zufrieden und fühle mich wohl in diesem Verein.

 

Hat im Sommer ein Bundesligist angeklopft?

Hasenhüttl: Das ist kein Thema. Und selbst, wenn es so wäre, habe ich hier einen Vertrag ohne Ausstiegsklausel.

 

Sie waren vor der WM im Trainingslager der Nationalmannschaft, um das Training zu beobachten. Gab es etwas, das Sie von Jogi Löw übernommen haben?

Hasenhüttl: Ja, schon. Passformen oder Übungen beim Torabschluss zum Beispiel. Ich habe auch eigene Ideen, aber ich probiere gerne andere Dinge aus.

 

Hatte die WM Einfluss auf Ihre Spielidee?

Hasenhüttl: Natürlich schaut man hin, welcher Fußball erfolgreich ist. Ich fand es fantastisch, was die deutsche Nationalmannschaft gespielt hat. Sie hat nicht einfach nur stur ihr System durchgedrückt, sondern sich auch dem Gegner angepasst. Gegen Frankreich zum Beispiel hat sie bei der Hitze einfach auf die Chance gewartet und weiter zurückgezogen gespielt. Das hätte sie früher vielleicht nicht gemacht. Mir gefällt, wenn man auf die Situation reagiert und seine Schlüsse zieht. Das fand ich von Löw weltmeisterlich. Endlich hört das Gerede auf, dass die Goldene Generation keinen Titel gewinnt. Jetzt ist Deutschland mit einer Art Fußball Weltmeister geworden, wie man ihn hier noch nie gesehen hat. Und das ist nicht nur ein Lob für die Nationalmannschaft, sondern auch für alle Ligen und Trainer, die dazu beitragen, dass solche Spieler entstehen.

 

Ist es auch für Sie wichtig, Ihr Spiel auf den jeweiligen Gegner abzustimmen?

Hasenhüttl: Das wird immer entscheidender im Fußball, weil die Unterschiede so minimal sind. Man wird nicht immer den richtigen Plan finden, aber man darf auch nicht immer auf seinem System beharren. Das ist eine Art von Schwäche, wenn man meint, man muss den Gegner an die Wand spielen. Wenn das nicht möglich ist, muss man sich etwas anderes überlegen. Es reizt mich als Trainer, mit einer vermeintlich schwächeren Mannschaft gegen eine bessere zu bestehen.

 

Wie geht es weiter mit Tamas Hajnal, der ja noch bis 2016 unter Vertrag steht?

Hasenhüttl: Das ist für mich kein Thema mehr. Er ist jetzt nicht mehr bei mir, sondern trainiert bei der U 23. Es ist für ihn unglücklich gelaufen, aber wir haben deswegen keine Probleme miteinander.

 

Ist der Kampf um die Nummer eins im Tor entschieden?

Hasenhüttl: Wir sind in der glücklichen Lage, dass wir zwei Toptorhüter haben. Ramazan Özcan ist der Mann im Tor, an dem man vorbei muss, wenn man spielen möchte. Er hat eine sehr ordentliche Rückrunde gespielt. André Weis zeigt aber auch immer wieder, dass er den Konkurrenzkampf nicht aufgeben will. Das ist eine absolute Luxussituation für mich.

 

Pascal Groß spielt zentral, schießt die meisten Ecken und Freistöße. Ist er auf dem Weg, Ihr Schlüsselspieler zu werden?

Hasenhüttl: Von Pascal erwarte ich, dass er in dieser Saison noch weiter reift. In puncto Physis ist er für mich jetzt schon der beste Spieler der Liga. Es gab keinen, der in fast jedem Spiel 14 Kilometer gelaufen ist. Der Bursche macht das einfach, weil es sein Antrieb ist. Er ist ein Straßenfußballer, der auch viel von seinen Mitspielern verlangt. Pascal ist für mich ein ganz wichtiger Spieler, der mit dem Verein einiges erreichen will. Er hat seine Freiheiten im Mittelfeld und ich hoffe, dass er das, was er in der Vorbereitung angedeutet hat, auch in der Meisterschaft bringt.

 

Ihr Team fiel in der vergangenen Saison mit acht Platzverweisen negativ auf. Haben Sie das thematisiert?

Hasenhüttl: Ja, das habe ich in der Vorbereitung getan. Ich will kein Grätschen mehr haben, das ist von vorgestern. Ich glaube aber, dass wir da schon dazugelernt haben.

 

Macht es Ihnen Mut, wenn Sie sehen, dass Klubs wie Fürth, Braunschweig oder Paderborn den Sprung in die Bundesliga geschafft haben?

Hasenhüttl: Schon, das ist wichtig für die 2. Liga. Wenn man die Gunst der Stunde nutzt, kann man auch vor Mannschaften stehen, die mehr Geld, größere Stadien oder mehr Zuschauer haben. Das ist ein Ansporn. Wenn in einem Jahr alles passt, kann man vielen Mannschaften Probleme bereiten. Dazu sind auch wir in der Lage. Wir sind nicht umsonst fast ein Jahr lang auswärts ungeschlagen.

 

Wie lautet Ihr Saisonziel?

Hasenhüttl: Wir wollen besser sein als in der vergangenen Saison. Und da haben wir schon das beste Ergebnis bisher erreicht. Aber wir wollen nicht am zehnten oder 20. Spieltag besser sein, sondern am 34., und das traue ich uns absolut zu.

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