Bedrohte Freiheit: Deutsche haben Angst vor Überwachung

07.10.2014 | Stand 02.12.2020, 22:09 Uhr

Berlin (DK) Die Digitalisierung großer Bereiche des täglichen Lebens führt zum Teil zu widersprüchlichen Einschätzungen. Die Deutschen haben Angst vor Überwachung – gehen aber zugleich höchst sorglos mit ihren Daten um. Nur eines der widersprüchlichen Ergebnisse aus dem "Freiheitsindex Deutschland 2014", den heute das John-Stuart-Mill-Institut für Freiheitsforschung gemeinsam mit dem Institut für Demoskopie Allensbach und dem Institut für Publizistik der Universität Mainz in Berlin vorgelegt hat.

Demnach fänden es nur elf Prozent der Befragten in Ordnung, wenn der Staat die Telefon- und Internetverbindungen der Bürger über mehrere Monate speichern würde, um seine Bürger möglichst gut zu schützen. Eine verdachtsunabhängige Telefonüberwachung würden nur sieben Prozent der Befragten dem Staat zubilligen. Hingegen fänden es 20 Prozent richtig, wenn der Staat auf der Straße Bürger kontrollieren würde, „wenn sie verdächtig aussehen“. 25 Prozent halten die Todesstrafe für Schwerverbrecher für legitim. Die Studienleiterin Ulrike Ackermann vom John-Stuart-Mill-Institut aus Heidelberg räumte Widersprüche ein. „Viele wollen Datenschutz, gehen selbst aber leichtfertig mit den Daten um.“

Die Allensbacher Meinungsforscher führten für die Untersuchung 1550 Einzelinterviews. Zusätzlich wurde eine Medienanalyse erstellt. In diesem Jahr ging es vor allem darum, wie sich das Freiheitsverständnis der Deutschen im Zeitalter der digitalen Revolution verändert. Insgesamt habe die Wertschätzung der Freiheit gegenüber der letzten Untersuchung erheblich abgenommen, heißt es in der Analyse. Die Freiheit gerate immer mehr ins Hintertreffen zu anderen Werten wie Gleichheit, Gerechtigkeit oder Sicherheit. So ziehen 36 Prozent der Befragten die Gleichheit der Freiheit vor. Umgekehrt halten nur 34 Prozent die Freiheit für wichtiger.

Ältere vertrauen beim Umgang mit gespeicherten Daten eher dem Staat, Jüngere dagegen würden ihre Daten im Zweifelsfall lieber privaten Unternehmen überlassen. 48 Prozent der Befragten hätten einen Freiheitsbegriff, der Eigenverantwortung und Selbstbestimmung umfasse, berichtete Ackermann.

Die Sorge um ihre Daten treibt dabei viele Deutsche um – die Enthüllungen Edward Snowdens über die Aktivitäten der NSA hatten das Bewusstsein wachsen lassen. 67 Prozent der Befragten sehen die Freiheit vom Ausspähen von Daten durch ausländische Geheimdienste bedroht. 61 Prozent halten es für bedenklich, dass Unternehmen im Internet persönliche Daten sammeln und weitergeben. Erst danach kommt die Furcht vor dem internationalen Terrorismus, den 60 Prozent der Befragten als Gefahr für die Freiheit sehen. Immerhin 43 Prozent haben Bedenken gegen die Verlagerung von Entscheidungen auf die europäische Ebene.

Während es 73 Prozent der Befragten nicht in Ordnung finden, wenn Unternehmen Daten über sie sammeln und auswerten, sind sie oft nicht bereit, selbst etwas für ihre Datensicherheit zu tun. So verwenden zwar noch 86 Prozent der Befragten ein Virenschutzprogramm – zum regelmäßigen Ändern des Passworts reichte es dann aber nur bei knapp 40 Prozent der Befragten. Nur 29 Prozent lesen immer die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) durch, 23 Prozent verschlüsseln ihre E-Mails und nur sechs Prozent haben einmal bei Unternehmen nachgefragt, welche persönlichen Daten über sie gespeichert seien. Mehr als die Hälfte der Deutschen hat hingegen eine oder mehrere Kundenkarten, mit denen auch erhebliche Datenmengen über das Konsumverhalten ihrer Nutzer gesammelt werden.

Überraschend sei es auch, so ein Ergebnis der Studie, dass die Befragten dem Staat dann doch weitgehend große Rechte zugestehen würden, um die Sicherheit der Bürger zu schützen. 68 Prozent wären damit einverstanden, wenn der Staat Internetseiten mit radikalen Inhalten sperren würde. 45 Prozent fänden eine Internetüberwachung vertretbar, um die Verbreitung von Kinderpornografie zu verhindern.
 

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