Bremen

"Ich bin das Gesicht der Partei"

AfD-Parteitag in Bremen ebnet Lucke den Weg zum alleinigen Vorsitz

01.02.2015 | Stand 02.12.2020, 21:42 Uhr

 

Bremen (DK) Auf einmal geht alles ganz schnell. Bernd Lucke hat sich überraschend klar durchgesetzt. Der AfD-Chef in Siegerpose, Daumen nach oben, dann reißt er die Arme hoch, ist fast am Ziel. Die Basis hat entschieden. Kurz vor 15 Uhr am Samstag steht der Gewinner des Parteitags fest.

 Ab Dezember soll nur noch einer an der Spitze der Partei stehen, und der – das wird hier in Bremen klar – dürfte Lucke heißen. Standing Ovations für den Hamburger Wirtschaftsprofessor hier im Theatersaal und auch ein paar hundert Meter weiter im Congresszentrum. 1700 Parteimitglieder sind gekommen. Vom größten Parteitag in der Nachkriegsgeschichte ist die Rede. Weil der Andrang so groß ist, musste eine zweite Halle her.

Am Ende fällt das Ergebnis deutlicher aus als erwartet. Lucke setzt seine Parteireform durch, weg vom Führungstrio, dem neben ihm noch Frauke Petry und Konrad Adam angehörten, hin zur Einzelspitze – die große Mehrheit, etwa zwei Drittel der Parteitagsbesucher, steht hinter ihm und seinem Plan, ab Dezember den Parteivorsitz zu übernehmen und das bisherige Sprecherteam zu ersetzen.

Bis Ende des Jahres, so der mühsam mit seinen Gegnern in der Parteiführung ausgehandelte Kompromiss, soll es noch eine Doppelspitze geben, danach nur noch einen Vorsitzenden und einen Generalsekretär. Co-Chefin Frauke Petry, die Vorsitzende des Landesverbandes Sachsen, die die Partei bis Dezember an der Seite Luckes führen will, scheint sich noch nicht geschlagen zu geben. Ihre Rede klingt wie eine Kampfansage, auch wenn sie offiziell eine Kandidatur gegen Lucke ausschließt. Zuvor hat Lucke kein gutes Haar an der Arbeit des bisherigen Führungstrios gelassen. „Was wir gemacht haben, das war stümperhaft“, kritisiert der starke Mann der AfD und schließt sich selbst mit ein. „Keine Strategie, keine Vorbereitung, keine Abstimmung“, klagt Lucke. „Wir sind kein Kegelklub oder Karnickelzuchtverein“, sagt er. „Wir dürfen nicht so weitermachen“, ruft der Parteisprecher in den Saal, und die Basis applaudiert. Der Erfolg der Partei sei damit verbunden, welches Ansehen sie in der Mitte der Gesellschaft genieße und nicht an den Rändern, so Lucke. „Die einzige Gefahr, die uns droht, geht von uns selbst aus“, ruft er kämpferisch, und die Mitglieder jubeln.

Seine beiden Co-Sprecher und Rivalen, Frauke Petry und Konrad Adam, rühren kaum eine Hand, wirken wenig begeistert. Ihm gehe es nicht um persönliche Macht, versichert Lucke, er wolle „den Erfolg für diese Partei“. Zwar hatte er es bisher stets noch offen gelassen, ob er Ende des Jahres nach dem Parteivorsitz greifen will, doch bleiben hier in Bremen nur noch wenig Zweifel daran: „Ich bin so etwas wie das Gesicht der Partei“, sagt er. Lucke formuliert seinen Machtanspruch, und die Mehrheit der Mitglieder auf dem Parteitag folgt ihm.

Stundenlang ringen die Mitglieder der Alternative für Deutschland von Freitagabend bis Sonntag, liefern sich heftige und kontroverse Schlachten. Vor allem die Diskussion zur Parteireform und Satzungsänderung wird ein offener Schlagabtausch. Buhrufe wechseln sich mit Bravos ab. Da wird es laut und turbulent. Jubel und Beschimpfungen, Streit und Misstrauen, Kampf um Macht und Einfluss. Ein Geschäftsordnungsantrag jagt den nächsten.

Da tun sich Gräben auf, zeigen sich die Partei und ihre Flügel tief gespalten. Euro-Gegner, Nationalkonservative, Wirtschaftsliberale, Rechtsaußen und Liberale – sie liefern sich Wortgefechte über Richtung, Führung und Programm. Es geht hin und her, die Partei ist zerrissen, versammelt sich am Ende hinter ihrem Hoffnungsträger Lucke.

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