Hut ab, Herr Präsident! Barack Obama hat den ersten Teil seiner Abschiedstournee mit einer bemerkenswerten Rede beendet. Vielleicht bedarf es tatsächlich eines solchen Blickes von außen, um zu erkennen, wie großartig dieses Europa ist und weshalb es in diesen Tagen und Wochen manchmal an sich selbst zu scheitern droht.
Obama hat den großen Bogen geschlagen von Konrad Adenauer über John F. Kennedy und dessen Bekenntnis zum freien und friedlichen Europa bis in die Gegenwart. Sein Weckruf sollte die Europäer aufrütteln, ihnen Mut machen. Der Präsident, den der alte Kontinent zuletzt, vorsichtig formuliert, kaum interessiert hatte und für den Asien näher zu liegen schien, wandelt auf neuen Pfaden. Er warnt die Briten eindringlich vor dem historischen Fehler eines Rückzugs aus dem Club der Europäer und mahnt die großen Staaten der Union zu echter Problemlösung - um den Rechtspopulisten nicht noch mehr Angriffsfläche zu bieten.
Obamas Mahnungen kommen zur richtigen Zeit. Nach den Zerwürfnissen von Brüssel über den Kurs in der Flüchtlingskrise braucht Europa frischen Wind und vor allem Gewissheit darüber, was auf dem Spiel steht. Doch eine starke Europäische Union benötigt auch einen starken Partner in Washington. Der amerikanische Präsident und die deutsche Bundeskanzlerin haben in Hannover in beeindruckender Weise die Bedeutung der transatlantischen Freundschaft beschworen.
Obama werden in den letzten Monaten, die ihm im Weißen Haus bleiben, sicherlich keine Wunder gelingen. Doch angesichts eines amerikanischen Wahlkampfes, in dem ein Donald Trump für die Forderung nach einem Austritt aus der Nato Applaus erhält und die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin als irre bezeichnet, ist es gut, den Geist der Gemeinschaft zwischen Amerikanern und Europäern zu pflegen.
Es kommen schließlich eher größere als kleinere Herausforderungen auf die Partner zu. Von Syrien über Libyen bis hin zum Konflikt um die Ost-Ukraine ist die Allianz gefordert. Die Europäer werden Obamas Forderung von Hannover nach einem stärkeren, auch militärischen Engagement nicht einfach in den Wind schlagen können.