Ingolstadt

Unternehmensziel Gemeinwohl

Neues Wirtschaftssystem? Ein Publizist aus Salzburg zeigt bei ÖDP-Abend eine Alternative auf

25.03.2016 | Stand 02.12.2020, 20:02 Uhr

Teils sehr gestenreich erörterte Christian Felber in der Sportgaststätte des TSV Nord seine Idee von der Gemeinwohlökonomie. - Foto: Brandl

Ingolstadt (DK) Der Souverän hat entschieden: Jeder Erwerbstätige darf höchstens das Fünffache des Mindestlohns verdienen. Fünf Minuten hat es gedauert, bis das Ergebnis bei der Veranstaltung der ÖDP zum Thema Gemeinwohlökonomie feststand. Wie lange eine staatliche Instanz dafür gebraucht hätte, darüber wollte der eingeladene Referent Christian Felber am Mittwochabend nur spekulieren.

Der gebürtige Salzburger war auf Einladung der ÖDP in die Schanz gekommen, um über Gemeinwohlökonomie zu sprechen. Der kleine Abstecher hin zur souveränen Demokratie sollte auf spielerische Weise demonstrieren, wie der Souverän - in diesem Fall die anwesenden Zuhörer - durch das Signalisieren von Widerstand gegen einen Vorschlag per Handzeichen eine Entscheidung im Sinne des Gemeinwohls herbeiführen kann.

In der gängigen wirtschaftlichen Praxis sieht das natürlich anders aus. Nicht der zu erwartende Ertrag für das kollektive Wohlbefinden dominiert in der Regel die Vorgänge in den Machtzentralen von Konzernen, Banken und Unternehmen, sondern die erzielbare Profitmaximierung. "Es liegt vieles im Argen", attestierte der Publizist dem vorherrschenden Wirtschaftssystem. Und untermauerte diese These sogleich mit handfesten Zahlen und Argumenten: Demnach wünschten sich 88 Prozent der Deutschen und 90 Prozent der Österreicher laut einer Umfrage der Bertelsmann-Stiftung von 2010 ein neues Wirtschaftssystem. Die Gründe dafür sieht der Publizist und Initiator der Gemeinwohlökonomie-Bewegung in bestehender immaterieller Armut und dem Verlust von Werten und einer intakten Umwelt. Er spricht von einer "Verwechslung von Ziel und Mitte".

Von Studierenden ernte er Kopfschütteln auf die Frage, wer und mit welcher Begründung denn sage, dass der Profit das oberste Ziel wirtschaftlichen Handels sei. Die Antwort: "Das lernen wir so."

Recht gibt Felber - zumindest theoretisch - der Artikel 151 der Bayerischen Verfassung, den er zitiert. "Die gesamte wirtschaftliche Tätigkeit dient dem Gemeinwohl", heißt es dort einleitend. Aber auch historische Beispiele - von Aristoteles bis Adam Smith, Begründer der freien Marktwirtschaft, - zieht er heran, um seine Idee der Gemeinwohlökonomie zu veranschaulichen.

Doch wie sieht diese Alternative aus? Felber beschreibt sie einerseits in seinem gleichnamigen Buch, das in mehrere Sprachen übersetzt wurde. Andererseits habe die Bewegung in den fünf Jahren ihres Bestehens bereits "schöne Anfangserfolge" erzielt, bescheinigte Ingolstadts ÖDP-Vorsitzender Franz Hofmaier dem Besuch aus Österreich. Dort ist Felber Mitbegründer der Bank für Gemeinwohl, zu deren Statuten unter anderem der Ausstieg aus dem Zinssystem, eine ökosoziale Kreditprüfung und der Verzicht auf eine Gewinnausschüttung zählen. Bislang haben mehr als 3000 Genossenschafter über zwei Millionen Euro an Kapital gezeichnet.

1900 Unternehmen zählen mittlerweile zu den Unterstützern der Gemeinwohlökonomie, heißt es auf der Internetpräsenz der Organisation www.ecogood.org" class="more" rel="nofollow"%>. 250 veröffentlichen inzwischen freiwillig eine Gemeinwohlbilanz. Der Finanzgewinn sei darin nur noch Mittel zum Zweck: die Mehrung des Gemeinwohls. Der Gewinn dürfe demnach nicht mehr maximiert und nicht mehr um jeden Preis erhöht werden. "Mit der Gemeinwohlbilanz wird endlich das gemessen, was wirklich zählt", sagt Felber, der sich anschließend noch dem Austausch mit dem Publikum stellte.

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