Eichstätt

Gefängnis gleicht einem Rohbau

Eine Mammutaufgabe für die Mitarbeiter

06.06.2016 | Stand 02.12.2020, 19:43 Uhr

Auf Rohbauniveau zurückgefahren: Die Größe der Einzelzellen ist - selbst wenn sie komplett leer sind - überschaubar.

Eichstätt (EK) Der Umbau der Justizvollzugsanstalt (JVA) Eichstätt zu Bayerns einziger Abschiebehaftanstalt soll im Januar 2017 abgeschlossen sein. Derzeit ist der über 100 Jahre alte Gebäudekomplex eine Großbaustelle. Dienstleiter Hubert Schlamp und sein Team stehen vor einer Mammutaufgabe.

Die JVA Eichstätt löst, wie bereits berichtet, die JVA Mühldorf am Inn als einziges Abschiebegefängnis in Bayern ab. An der Grenze zu Österreich benötigt man nämlich wieder Platz für Straftäter, vor allem für die zahlreichen Schleuser von Flüchtlingen. Der Standort Eichstätt liegt im Zentrum Bayerns und nahe an Manching mit seinem Flugplatz und der dortigen Ankunfts- und Rückführungseinrichtung für Asylbewerber.

"Wir machen das im Rahmen der Amtshilfe für das Innenministerium, das eigentlich für Abschiebung zuständig ist", sagt Hubert Schlamp, Dienstleiter der Justizvollzugsanstalt Eichstätt. Insgesamt werden Sanierung und Umbau rund sieben Millionen Euro kosten, Ende März sind die letzten Strafgefangenen verlegt worden. Momentan gleiche das Eichstätter Gefängnis einem Rohbau: Böden, Decken, Fenster, Dächer und Türen werden erneuert, Zuwasser-, Abwasser- und Elektroleitungen saniert.

Zehn Beamte wurden bis zur Eröffnung der Abschiebeeinrichtung in andere Gefängnisse nach Neuburg, Kaisheim oder Aichach abgeordnet. Für die verbliebenen 15 Mitarbeiter ist der Arbeitsalltag zäh: Ihre Aufgaben heißen derzeit Objektschutz, Logistik und Verwaltung.

Nach dem Umbau ist geplant, in Eichstätt bis zu 100 Flüchtlinge, 90 männliche und zehn weibliche, "in Haft zu nehmen". Die Mehrheit bekommt Einzelzellen, einige werden aber auch in Zweier- und Viererzimmern untergebracht sein. Die Insassen werden eine deutlich größere Freiheit innerhalb der Mauern genießen als die Gefängnisinsassen bisher - schließlich sind sie keine Straftäter. Fernsehräume, Gemeinschaftsräume, eine eventuelle Einrichtung des Internets und ein größeres Sportangebot erweitern die Freizeitmöglichkeiten um ein Vielfaches.

"Wir werden unser Bestes geben, angenehme Rahmenbedingungen zu schaffen und auf die Bedürfnisse der Leute einzugehen. Dafür nimmt der Staat auch sehr viel Geld in die Hand", erklärt der Dienstleiter der JVA, Hubert Schlamp. Männer und Frauen müssen strikt voneinander getrennt sein. "Das ist wichtig für die Sicherheit und Ordnung." Sanitärräume, Schlafräume und vieles mehr muss in doppelter Ausführung errichtet werden, sogar ein separates Treppenhaus für die Frauen wird entstehen.

Der Tagesablauf wird in der Abschiebehaftanstalt deutlich anders aussehen als bisher: Denn im Gegensatz zu Straftätern werden die Flüchtlinge nicht auf ein Leben nach dem Gefängnisaufenthalt vorbereitet, sie können bis zu ihrer Abschiebung tagsüber ohne größere Verpflichtungen ihren eigenen Interessen nachgehen. Tätigkeiten, die die Strafgefangenen selbst übernommen haben, wie Geschirr spülen, Kleidung waschen, Hof säubern oder Essen kochen, müssen nun von Fremdfirmen übernommen werden. Das bedeutet neben einer intensiveren Organisation auch einen erheblich größeren finanziellen Aufwand. Außerdem werden interne und externe Fachdienste wie Psychologen, Sozialarbeiter, Dolmetscher und Rechtsberater benötigt. "Es kommen viele bürokratische und juristische Feinheiten auf uns zu. Jeder Fall ist anders, auch aufgrund der unterschiedlichen Länder, in die die Menschen eventuell zurück müssen", sagt Schlamp. Manch Beamter steht seinem Job in der Abschiebeeinrichtung deshalb durchaus kritisch gegenüber. "Der Aufgabenbereich wird umfangreicher. Unsere Ausbildung zielte auf die Resozialisierung von Strafgefangenen ab, nicht auf das Sichern der Abschiebung und die soziale Betreuung von Flüchtlingen", erklärt Oberinspektor Hubert Spenninger, stellvertretender Dienstleiter der JVA Eichstätt. "Das restriktive Verhalten mancher Gefangener, die sich nicht mit der Abschiebung abfinden wollen, kann zu Problemen führen." Auch die Integration der Insassen wird wohl deutlich schwieriger als zuvor. Sie sollen in der Regel zwischen vier und sechs Wochen in der Einrichtung absitzen. In einer so kurzen Zeit können die Beamten nur schwer eine Beziehung zu ihnen aufbauen - dazu kommt dann noch die Sprachbarriere.

Schlamp ist sich bewusst, dass eine Abschiebehaftanstalt auch in der Gesellschaft auf geteilte Meinung stößt. "Ich könnte mir schon die ein oder andere kleine Demonstration vorstellen. Dem sehen wir aber gelassen entgegen", so Schlamp. "Wir werden das jetzt einfach einmal starten. In Mühldorf lief das die meiste Zeit reibungslos."

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