München

Zu viel Heimat, zu wenig weite Welt

Münchens Traditionsbrauereien hinken trotz ihres Weltrufs international hinterher

22.04.2016 | Stand 02.12.2020, 19:55 Uhr

München (DK) Münchens Brauereien genießen einen absoluten Weltruf. Und dennoch sind sie im internationalen Vergleich recht kleine Lichter. Warum der Unterschied zwischen Renommee und Marktmacht bei den Oktoberfest-Platzhirschen so groß ist.

Das Bayern-Klischee ist fest verankert: ein lederhosentragender, schnauzbärtiger Biertrinker. Dazu noch ein Bierzelt, Blasmusik und eine Weißwurst und fertigt ist der typische Bayer, wie ihn Ausländer, Preißn (und auch die Bayern selbst gerne) sehen. Und niemand schlachtet dieses Klischee so genüsslich aus, wie die Münchener Brauereien, die in Werbespots, auf Plakatwänden oder auf ihren Homepages weiß-blauen Prachthimmel präsentieren und Biergartenidylle mit Trachtenparade inszenieren, als ob der Münchner nichts anderes im Kleiderschrank hätte.

Nicht zuletzt aufgrund dieses internationalen Klischees der Gemütlichkeit und natürlich wegen der riesigen Biertempel auf der Wiesn und der globalen Popularität des Oktoberfestes genießt das Münchner Bier weltweit einen einzigartigen Ruf. Doch jenseits des jährlichen Biermassenkonsums auf der Theresienwiese haben die Münchner Brauereien einen vergleichsweise bescheidenen Bierausstoß (siehe Infokasten) und sind zudem teilweise in Besitz großer internationaler Konzerne.

Die Augenhöhe mit den Global Playern ist längst passé. Grund ist nach Einschätzung des Experten Meik Forell, dass der heimische Biermarkt bis vor 20 Jahren sehr gut lief. "Deutsche Brauereien und vor allem auch die Münchner waren lange Zeit zu heimatorientiert. Es war kein Druck da, ins Ausland gehen zu müssen. Deshalb haben sie den Anschluss verpasst", sagt der Hamburger Unternehmensberater, der sich auf Getränkekonzerne spezialisiert hat.

Bereits in den 80er-Jahren hätten ausländische Konzerne mit internationalen Expansionen begonnen, erklärt der 42-Jährige. Anfang der 2000er-Jahre folgten dann die großen Übernahmen in München. Komplett unabhängig von den großen Weltkonzernen sind heute nur noch Augustiner-Bräu, das von zwei Brauerfamilien dominiert wird, und das Staatliche Hofbräuhaus. Paulaner, zu dem heute auch die Marke Hacker-Pschorr gehört, ist nach eigenen Angaben zumindest noch zu 75 Prozent in Privatbesitz der Unternehmerfamilie Schörghuber. Ein Viertel der Anteile aber gehört dem niederländischen Heineken-Konzern - der Nummer drei der Welt in Sachen Bierausstoß. Von der weltweiten Nummer eins ABInBev aus Belgien wurde 2003 die Spaten-Löwenbräu-Gruppe aufgekauft, zu der auch Franziskaner gehört.

Trotz dieser Abhängigkeiten sieht der Verein Münchener Brauereien, in dem sich die sechs Traditionsbrauereien der Landeshauptstadt zusammengeschlossen haben, seinen Gerstensaft weltweit gut vertreten. Dass die Münchner den Anschluss verpasst hätten, könne er nicht erkennen, sagt Geschäftsführer Manfred Newrzella. "Die Marke ,Münchner Bier' ist auf der ganzen Welt als Spezialität bekannt und vertreten." Der Export sei zudem seit dem Zweiten Weltkrieg kontinuierlich gestiegen.

Eine internationalere Orientierung ist aus Sicht von Forell für viele auch dringend notwendig. Denn der heimische Bierkonsum sinkt seit Jahren. "In Deutschland werden die Absätze weiter zurückgehen. Insofern ist Export für viele fast überlebensnotwendig", prophezeit er. Zwar wachsen auch die Biermärkte in vielen anderen Ländern insgesamt kaum noch, die Nachfrage nach deutschem Bier scheint aber vielerorts noch nicht gesättigt. "Inzwischen merkt man, dass gerade Richtung Asien und Nordamerika eine sehr gute Entwicklung da ist. Das ist ein riesiges Wachstumspotenzial für die Deutschen", erklärt Forell. Im Großen und Ganzen seien die Weltmärkte aber verteilt, die Zeit für einen Großangriff auf internationaler Bühne ist wohl vorbei: "Die Münchner Brauereien können den Status der Weltkonzerne jetzt nicht mehr erreichen", betont der Experte.

Dennoch machen schon heute mehrere der Münchner Brauereien einen Großteil ihres Umsatzes im Ausland. Bei Paulaner liegt der Exportanteil bei rund einem Drittel, bei der Marke Löwenbräu sind es sogar zwei Drittel. Das Hofbräuhaus verkauft rund die Hälfte seines Bieres jenseits der Grenzen - vor allem in den USA, wo insgesamt sechs Franchise-Objekte des berühmten Brauhauses betrieben werden. Augustiner hält sich bei Zahlen bedeckt. Laut Fachmagazin "Inside" lag der Exportanteil 2014 bei unter vier Prozent.

Ein Problem auf fremden Märkten sind für die Münchner Brauereien die Exportkosten. Schließlich darf das Bier aufgrund der geschützten geografischen Angabe "Münchner Bier" ausschließlich innerhalb der Stadtgrenzen gebraut werden. Produktionsstätten an fremden Orten sind dadurch tabu, was die Preise in die Höhe treibt.

Dennoch arbeiten die Brauereien an ihrem Auslandsauftritt - zumindest manche. Augustiner, das im nationalen Markt sehr erfolgreich ist und zudem weitgehend auf Werbung verzichtet, werden wenig internationale Ambitionen nachgesagt. Paulaner dagegen schon eher. "Unser Exportanteil ins Ausland steigt seit Jahren kontinuierlich an. Hier sehen wir auch für die Zukunft weitere Wachstumschancen", heißt es aus dem Unternehmen. "Die Mengen sind im Vergleich zu den Top-Konzernen dieser Welt überschaubar, aber Paulaner geht das Thema sehr professionell an und ist seit Jahren für deutsche Verhältnisse sehr erfolgreich", sagt Experte Forell.

Auch wenn sich die Biermärkte im Jubiläumsjahr des Reinheitsgebots also schwierig gestalten, sind die Aussichten speziell für die Münchner Traditionsbrauereien nicht schlecht. Weitere Übernahmen durch ausländische Großkonzerne sind im Moment zumindest unwahrscheinlich: Derzeit schnitten die Münchner Brauereien im Markt gut ab und hätten keine finanzielle Not, sagt Forell. Und auch Newrzella betont: "Wir Münchner Brauer schauen zuversichtlich in die Zukunft."

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