Ingolstadt

Naturnah statt Kahlschlag

Vogelschützer und ein Ingolstädter Jäger fordern, dass Feldwege und Brachflächen nicht gemäht werden

22.05.2017 | Stand 02.12.2020, 18:05 Uhr

Foto: DK

Ingolstadt (DK) In diesen Tagen wird auf Wiesen und Feldern wieder gemäht, was die Maschinen hergeben. Dabei wäre es für Insekten und Wildtiere so wichtig, hier und dort Blumen und Gräser weiter wachsen zu lassen, um ausreichend Deckung und Nahrung zu bieten. Ein Plädoyer für naturnahe Landschaftspflege.

Sauber muss alles sein. Akkurat auf Kante geschnitten. Kein Halm soll auch nur einen Zentimeter zu weit in die Höhe stehen. Was viele Deutsche in ihren Hausgärten praktizieren, ist auf Feld und Flur oft ebenfalls gängige Praxis. Im Mai und Juni fahren die Bauern hinaus und schneiden das Gras. Leider, so sagen Naturschützer, passiert das allzu oft auch dort, wo es gar nicht notwendig wäre. An Böschungen, Feldrändern oder auf Wegen, selbst brachliegende Flächen werden mitunter "gepflegt", anstatt sie sich selbst und der Natur zu überlassen. Arbeit, die nicht sein müsste und noch dazu wertvollen Lebensraum zerstört.

Ackerrandstreifen kommt in unserer leer geräumten Kulturlandschaft eine hohe ökologische Bedeutung zu. Insekten, Reptilien, Säugetiere und Vögel finden hier Nischen, wie es sie sonst kaum noch gibt. Dasselbe gilt für viele heimische Pflanzenarten wie Huflattich, Kamille, Klee, Löwenzahn, Salbei, Steinnelke, Wegerich oder Wiesenthymian - eine wahre Naturapotheke für die Tiere, sofern der Mensch nicht aus falsch verstandenem Ordnungssinn eingreift und dieses Gefüge stört.

"Alte Strukturen gehen immer weiter verloren", bedauert Ulrich Lanz vom Landesbund für Vogelschutz (LBV) in Hilpoltstein. Er ist im Artenschutzreferat tätig. "Mit den Pflanzensorten verschwinden auch immer mehr Brutarten wie Lerche, Rebhuhn, Stieglitz oder Wiesenpieper." Die Ackerränder könnten doch, wenn es überhaupt sein muss, im Spätherbst gemäht werden und nicht gerade jetzt, wenn sie Unterschlupf und Sämereien als Nahrung bieten.

Einer, dem das Thema seit Jahrzehnten am Herzen liegt, ist der Ingolstädter Jäger Wendelin Schleicher. "Fasane und Rebhühner finden oft nichts mehr zu fressen, weil wir ihnen die Futterquellen vor dem Schnabel wegmähen", schimpft er. "Dem Hasen geht es kaum anders. Ich kann mich nur ärgern über so viel menschliche Unvernunft." Dabei meint Schleicher nicht unbedingt allein die Landwirte. "Die Städte und Gemeinden könnten mit gutem Beispiel vorangehen. Muss an Straßenrändern und Bahnlinien auf fünf Meter Breite oder sogar mehr alles weggeschnitten werden" Die Kommunen besitzen nach seiner Ansicht viele ungenutzte Grundstücke, die sich für die Renaturierung eignen. "Warum lässt man nicht an Spielplätzen, Schlittenbergen oder neben den Skaterbahnen ein wenig Wildwuchs aufkommen? Stattdessen herrscht Kahlschlag fast überall." Wenn Schleicher sich in Rage redet, steigt ihm schon mal die Zornesröte ins Gesicht.

Geschniegelte Landschaften und wie mit der Schnur gezogene Felder mit Monokulturen sind dem Ingolstädter Waidmann ein Graus. "Wenn du so einen Maisacker einzäunen und ein paar Rebhühner reinsetzen würdest, verhungern sie glatt. Da wächst doch nichts anderes mehr. Umso wichtiger wäre es, dass wenigstens die Wegränder und Brachflächen naturbelassen bleiben", sagt Schleicher. "Es kostet ja nicht einmal etwas, naturfreundlich zu sein. Bauern und Kommunen sollten ihre ungenutzten Flächen einfach sich selbst überlassen. Das spart Arbeit, Zeit und Geld."

Der LBV-Artenschutzexperte Lanz kann das nur unterstreichen. "Wo Niederwild und Kleinsäuger keinen Lebensraum finden, bleiben auch Falke, Milan und andere aus." Höchste Zeit also, umzudenken.

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