Berlin

"Die griechische Regierung hat geliefert"

EU-Währungskommissar Pierre Moscovici plädiert für die Auszahlung weiterer Hilfsgelder an Athen

14.06.2017 | Stand 02.12.2020, 17:56 Uhr

EU-Währungskommissar Pierre Moscovici spricht sich für Schuldenerleichterungen für Griechenland aus. ‹ŒArch - foto: Pizzoli/AFP

Berlin (DK) Griechenland steht erneut auf der Tagesordnung, wenn sich die Euro-Finanzminister an diesem Donnerstag in Luxemburg treffen. Dabei geht es um eine weitere Tranche aus dem dritten, bis zu 86 Milliarden Euro umfassenden Rettungspaket für das hoch verschuldete Land. Im Juli braucht Athen rund 7 Milliarden Euro, um Schulden zu begleichen. Aber noch immer ringen die internationalen Geldgeber um Schuldenerleichterungen und die künftige Beteiligung des Internationalen Währungsfonds (IWF). Wir sprachen mit EU-Währungskommissar Pierre Moscovici über Griechenland und andere Probleme in der Euro-Zone.

Herr Moscovici, es kommt zum Showdown bei der Griechenland-Rettung: Wird Athen von den Euro-Finanzministern frisches Geld bekommen?

Pierre Moscovici: Ich bin zuversichtlich, dass die Euro-Guppe grünes Licht für die Auszahlung der nächsten Tranche geben und Griechenlands gewaltige Anstrengungen belohnen wird. Ich erwarte auch eine Verabredung oder Bestätigung über Maßnahmen, um die griechische Schuldenlast in Zukunft zu erleichtern. Der gute Wille ist da.

 

Aus Sicht der Kommission hat Athen alle Hausaufgaben gemacht?

Moscovici: Ja, die griechische Regierung hat geliefert. Wir stellen Athen ein positives Zeugnis aus. Das sollte den Weg zur Auszahlung freimachen.

 

Griechenland brauche Schuldenerleichterungen, sagt Regierungschef Alexis Tsipras. Wie frustriert sind Sie, dass Bundesfinanzminister Schäuble hierbei schon so lange auf der Bremse steht?

Moscovici: Wolfgang Schäubá †le hat verstanden, dass Schritte zur Schuldenerleichterung notá †wendig sind, davon bin ich überzeugt. Ich hoffe, dass er sich für einen guten Kompromiss einsetzt.

 

Wie könnte der Kompromiss aussehen?

Moscovici: Wir sprechen über eine Verlängerung der Rückzahlungsfristen und über eine Senkung der Kreditzinsen. Wir wissen, was notwendig ist und was getan werden kann. Die Arbeit an einer Einigung dauert nun schon ein Jahr. Jetzt ist die Zeit reif für eine Lösung.

 

Muss der Internationale Währungsfonds (IWF) mit an Bord bleiben, wie es Berlin verlangt?

Moscovici: Seit sechs Jahren ist der IWF an der Griechenland-Rettung beteiligt. Und wir wollen alle, dass es dabei bleibt.

 

Das dritte Rettungspaket läuft Ende August 2018 aus. Wie kann das notwendige Vertrauen der Märkte in Griechenland erreicht werden, damit das Land ohne ein viertes Hilfsprogramm auskommen wird?

Moscovici: Das ist genau die Aufgabe für das Euro-Finanzministertreffen in Luxemburg: Wenn Athen seine Auflagen erfüllt, muss es frisches Geld und eine Verabredung für Schuldenerleichterungen geben. Dann wird es Griechenland gelingen, an den Kapitalmarkt zurückzukehren und sich wieder selbst Geld zu leihen. Ich bin sicher, dass ein viertes Hilfsprogramm nicht erforderlich sein wird. Wir hätten dann Zeit, das Wachstum in Griechenland zu stärken. Die EU-Kommission wird dazu bald Vorschläge machen, sodass die griechische Bevölkerung endlich Licht am Ende des Tunnels sieht.

 

Ohne Schuldenerleichterungen wird es nicht gehen?

Moscovici: Ohne Maßnahmen zur Verringerung der Schuldenlast überwinden wir die Krise nicht. Wir brauchen jetzt eine umfassende Lösung.

 

Frankreichs neue Regierung warnt, die Einhaltung der Neuverschuldungsgrenze von drei Prozent könnte gerissen werden. Wird die EU-Kommission Paris erneut mehr Zeit geben?

Moscovici: Die französische Regierung macht gerade Kassensturz. Paris muss die Kriterien wieder einhalten. Dazu werden wohl zusätzliche Anstrengungen notwendig werden. Wir planen nicht, Frankreich weiteren Aufschub zu gewähren.

 

Präsident Emmanuel Macron verlangt ein Euro-Budget, aus dem Investitionen in den schwächelnden Ländern finanziert werden sollen. Muss Deutschland mehr Geld geben?

Moscovici: Wir brauchen ein Investitionsbudget für die Euro-Zone. Die Ungleichgewichte in der Währungsunion müssen abgebaut werden. Bei den Investitionen liegen wir immer noch um zehn Prozent unter dem Wert von vor der Krise. Wenn wir nicht mehr tun, werden wir in zehn Jahren nicht mehr in der ersten Liga spielen. Darüber hinaus brauchen wir einen Euro-Finanzminister. Als dritten Schritt brauchen wir ein Europarlament, um das Budget und den Chef der Währungsunion zu kontrollieren.

 

Zu den Vorschlägen der EU-Kommission gehört eine Vergemeinschaftung neuer Schulden. Warum sollte der deutsche Steuerzahler für Schulden anderer Länder geradestehen?

Moscovici: Wir brauchen zunächst eine gemeinsame Einlagensicherung. Aber Euro-Bonds gehören nicht zu unseren Vorschlägen. Wir wollen keine Transferunion aufbauen, sondern die Risiken begrenzen und teilen. Eine gemeinsame Emission von Schuldtiteln könnte auf lange Sicht erst dann Sinn machen, wenn die Euro-Zone stärker integriert ist.

 

Wird Italien das neue Griechenland, wenn die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Unterstützung zurückfährt?

Moscovici: Italien wird niemals zum nächsten Griechenland. Es ist das drittgrößte Land der Euro-Zone. Aber Rom muss seine Wirtschaft reformieren, seine Ausgaben kontrollieren und den Bankensektor stabilisieren.

 

Die Fragen stellte

Tobias Schmidt.

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