Nürnberg

Politprominenz vor Immobilienkarren gespannt

Praktiken der Branche sorgen für Schlagzeilen – Fragwürdige Akquise für vermeintliches Uniprojekt im Nürnberg Norden

28.08.2017 | Stand 02.12.2020, 17:35 Uhr
„Inakzeptable Geschäftsgebaren“ wirft Nürnbergs Oberbürgermeister Ulrich Maly der „Schultheiß Projektentwicklung AG“ vor. −Foto: Pelke

Nürnberg (HK) Aufregung um Immobilienunternehmer: Für Schlagzeilen in Nürnberg sorgt seit Tagen die Schultheiß Projektentwicklung AG. Firmeninhaber Konrad Schultheiß soll mit fragwürdigen Methoden bei der Akquise von Grundstücken vorgegangen sein. ¶

Im Kampf um Grundstücke gehen Immobilienentwickler nicht immer zimperlich vor. In Nürnberg soll sich der Immobilienunternehmer Konrad Schultheiß besonders fragwürdiger Methoden bedient haben. Nach einem „sehr scharfen Brief“ von Oberbürgermeister Ulrich Maly (SPD) könnten die Methoden der Branche und insbesondere deren gute Vernetzung zur Politik zum Wahlkampfthema werden.

Darin distanziert sich das Stadtoberhaupt von Geschäftsbeziehungen zu dem Unternehmer. Konkret geht es um eine angebliche Zusammenarbeit zwischen der Stadtverwaltung und der Schultheiß Projektentwicklung AG bei der Suche nach einem neuen Standort für die geplante Universität. Zunächst soll der Immobilienentwickler laut Medienberichten einige Grundstückseigentümer im Norden der Stadt zu einem persönlichen Treffen in den repräsentativen Firmensitz des Unternehmens eingeladen haben. Bei einem leckeren Abendessen sollten die Besitzer zum Verkauf ihrer Grundstücke an der Erlanger Straße und der Marienbergstraße in der Nähe des Flughafens überredet werden.

Mit am Tisch an diesem Abend saß auch Günter Beckstein. Der ehemalige CSU-Ministerpräsident ist Mitglied des Aufsichtsrats der Schultheiß Projektentwicklung AG. Beckstein soll laut Teilnehmern von dem geplanten Projekt als „Bereicherung für den Nürnberger Norden“ geschwärmt haben. Ins Detail soll er dabei nicht gegangen sein. Klar scheint jedoch, wohin diese Strategie führen sollte. Die Grundstückseigentümer sollten am Ende des Abends wohl dazu gebracht werden, ihre wertvollen Äcker zu verkaufen. Erst später haben die Eigentümer in einem Schreiben davon erfahren, dass auf ihren Grundstücken eventuell Gebäude für die Universität gebaut werden sollten.

Eine Familie hat in einer Nürnberger Zeitung nun berichtet, was danach geschehen ist. Der Immobilienentwickler habe der Familie in einem Brief indirekt gedroht. „Für Sie hoffen wir nicht, dass es zu Enteignungen kommt“, soll Konrad Schultheiß den renitenten Grundstückseigentümern geschrieben haben. Daraufhin hat sich die verunsicherte Familie an Oberbürgermeister Ulrich Maly (SPD) in einem Schreiben gewandt. Der distanzierte sich umgehend und geißelte das „inakzeptable Geschäftsgebaren“ der Firma. Daraufhin räumte Konrad Schultheiß öffentlich Fehler ein. Er habe der Familie nicht drohen wollen, als er von „Enteignungen“ in dem Brief an die Eigentümer schwadronierte. Schultheiß verteidigte sein Verhalten damit, dass er über die mangelnde Verkaufsbereitschaft der Eigentümer frustriert gewesen sei.

Empört über die offensichtlichen Geschäftspraktiken in der Immobilienbranche zeigten sich auch viele Nürnberger. Besonders frustriert äußerten sich viele Leserbriefschreiber in den lokalen Medien über den engen Schulterschluss zwischen der Politik- und Immobilienwelt. „Es ist eine Schande, dass sich Honoratioren aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft dafür hergeben, einer auf Gewinnmaximierung tätigen Bauträgergesellschaft als Aushängeschild zu dienen“, schreibt ein erboster Leserbriefschreiber und fragt weiter: „Haben es ein ehemaliger bayerischer Ministerpräsident, der vormalige Chef der Nürnberger Bauamtes und eine noch tätige Stadträtin nötig, sich in solche problematischen Situationen zu begeben?“

Thorsten Brehm, Nürnberger SPD-Chef, kritisiert insbesondere die amtierende CSU-Stadträtin Kerstin Böhm, die im Aufsichtsrat des in die Schlagzeilen geratenen Immobilienunternehmers sitzt. „Ich würde das nicht tun. Wir entscheiden als Stadtrat schließlich über Flächennutzungs- und Bebauungspläne“, erklärt Brehm auf Nachfrage unserer Zeitung. Alle Stadträte hätten die Pflicht, jeden Anschein von Interessenkonflikten tunlichst zu vermeiden.

Derweil ist das Konkurrenzunternehmen von Barbara Schultheiß noch nicht in das Visier der Öffentlichkeit geraten. Nicht weit vom Unternehmenssitz von Konrad Schultheiß residiert die von ihm getrennt lebende Frau des in die Schlagzeilen geratenen Unternehmens mit ihrer eigenen Immobilienfirma. Diese Schultheiß Wohnbau AG kann ebenfalls auf eine ganze Reihe prominenter Mitglieder im Aufsichtsrat wie den ehemaligen Nürnberger Baureferenten, Wolfgang Baumann, verweisen. Indes droht das Thema Schultheiß sogar in den Wahlkampf zu geraten. Verena Osgyan, grüne Landtagsabgeordnete, hat eine entsprechende Anfrage an die Staatsregierung gestellt, um herauszufinden, ob es zwischen dem Freistaat und der Firma von Konrad Schultheiß offizielle Kontakte bei der Suche nach einem neuen Standort für die Universität gegeben habe. Pikant daran dürfte sein, dass der ehemalige Präsident der Universität Erlangen-Nürnberg, Karl-Dieter Grüske, ebenfalls im Aufsichtsrat der Schultheiß Projektentwicklung AG sitzt.

Prominenter Aufsichtsrat

Konrad Schultheiß: Die Firma von Konrad Schultheiß in der Kilianstraße wirbt mit dem Slogan „Wir bauen auf Ihr Vertrauen“. Nun stehen die Geschäftspraktiken der „Schultheiß Projektentwicklung AG“ durch Recherchen von Journalisten am Pranger. Die Öffentlichkeit kritisiert in Leserbriefen derweil besonders den offensichtlich engen Schulterschluss zwischen der Politik- und Immobilienbranche. Im Aufsichtsrat der „Schultheiß Projektentwicklung AG“ sitzen zahlreiche amtierende und ehemalige Politiker und kommunale Behörden- und Verwaltungschefs wie Walter Anderle – Baureferent der Stadt Nürnberg a. D. (Aufsichtsratsvorsitzender), Günther Beckstein – Ehemaliger Ministerpräsident, Siegfried Balleis – Alt-Oberbürgermeister der Stadt Erlangen oder Kerstin Böhm – amtierendes Nürnberger Stadtratsmitglied. Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CSU ist sogar stellvertretende Vorsitzende des Aufsichtsrats.
Internet: Alle Mitglieder des Aufsichtsrates der „Schultheiß Projektentwicklung AG“ findet man im Internet unter www.schultheiss-projekt.de/ unternehmen/aufsichtsrat/.

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