Neuburg

Freiheit beginnt im Kopf

Bayerns Justiz will Häftlinge gegen islamistische Anwerbeversuche wappen - Modellprojekt in Neuburg

18.05.2018 | Stand 02.12.2020, 16:22 Uhr
Anwerbeversuchen der Salfisten trotzen: In der JVA Neuburg-Herrenwörth lernen Häftlinge in einem wegweisenden Projekt des Justizministeriums, mit welchen Methoden Islamisten vorgehen. −Foto: Richter

Neuburg (DK) Ein Projekt zur Islamismusbekämpfung und Radikalisierungsprävention im Strafvollzug stellte Bayerns Justizminister Winfried Bausback am Freitagnachmittag in der Justizvollzugsanstalt Neuburg-Herrenwörth vor. Es trägt den Titel "ReStart - Freiheit beginnt im Kopf".

Es besteht aus inhaltlich aufeinander aufbauenden Workshops, die jungen Menschen Informationen an die Hand geben sollen, wie sie Anwerbeversuchen von Salafisten widerstehen können. Es sei eines von ganz wenigen Projekten dieser Art in ganz Europa, hieß es. Der Vorstoß des Ministeriums kommt nicht von ungefähr, die Lage in Bayern gibt durchaus Anlass zur Sorge. "Derzeit stehen 180 Gefangene wegen extremistischer Bezüge unter besonderer Beobachtung", sagte Winfried Bausback. Das seien 1,5 Prozent aller Insassen im Freistaat. 91 der 180 Häftlinge würden dem rechtsextremen Spektrum zugerechnet, 7 dem linken Rand und 82 seien mit Kontakten zur islamistisch-salafistischen Szene aufgefallen. "Wir sind uns der Gefahr extremistischer Radikalisierung in Gefängnissen schon seit Langem bewusst", erklärte der Minister.

Deshalb jetzt also dieses 2017 gestartete Projekt: "Mit ,ReStart' wollen wir ganz speziell junge Gefangene erreichen, um gerade sie, die noch besonders leicht beeinflussbar sind, vor jeglicher Radikalisierung zu schützen", sagte Bausback. Das Konzept wurde von der im Justizministerium angesiedelten Zentralen Koordinierungsstelle für Maßnahmen gegen Salafismus/Islamismus im Justizvollzug und der Mansour-Initiative für Demokratieförderung und Extremismusprävention (kurz "Mind prevention") speziell für die Bedürfnisse des bayerischen Strafvollzugs entwickelt. Bisher flossen rund 700000 Euro an Haushaltsmittel in das Vorhaben.

In den Workshops erhalten die Teilnehmer Orientierung zu diversen Themen wie Geschlechterrollen und religiöse Geschlechterverhältnisse, patriarchalische Strukturen in Bezug zum Islamverständnis, Aufbrechen bestimmter Denkmuster, die den ideologischen Nährboden für Extremismus bilden sowie Erlernen von verschiedenen Kommunikationsstrategien, Erziehung in den Familien und ihre Konsequenzen für Radikalisierungsprozesse und Fragen der eigenen Identität.

Diplom-Psychologe Ahmad Mansour, Geschäftsführer von Mind prevention, erläuterte: "Unser Ziel ist es, schneller zu sein als Radikale und den Jugendlichen einen neuen Start auf Basis unseres Grundgesetzes zu ermöglichen." Zum Einsatz kämen speziell geschulte Pädagogen und Psychologen. "So können wir bestimmte Tabuthemen und Wertevorstellungen, die den Nährboden für extremistische Radikalisierungstendenzen bilden, auf Augenhöhe diskutieren. Auf diese Weise sollen junge Leute zum Hinterfragen bestehender Denkmuster und Wertesysteme ermutigt und soweit gestärkt werden, um sich gegen extremistisches Gedankengut und Radikalisierungsversuche zu wehren."

Das ist leichter gesagt als getan. Wie aggressiv Salafisten vorgehen, Sympathisanten anzuwerben, zeigten drei Mitarbeiter des Projekts in einer Spielszene - eine beklemmende Vorstellung, dass es so oder ähnlich immer wieder in der Realität vorkommt. In Neuburg-Herrenwörth sitzen derzeit 165 Gefangene im Alter zwischen 15 und 22 Jahren ihre Strafen ab. "Wir wollen eine Bindung zu ihnen schaffen und ihnen Halt geben", sagte Ahmad Mansour. JVA-Leiter Ernst Meier-Lämmermann ist dankbar, dass es ein solches Angebot gibt, nicht zuletzt, weil derzeit ein regelrechter "Islam-Hype" herrsche. Neun Workshops mit 95 Gefangenen ließ er durchführen, "auch unsere Mitarbeiter werden geschult, um zu erkennen, wenn jemand Gefahr läuft, sich zu radikalisieren".

Minister Bausback sprach am Freitag von einem positiven Echo der bisherigen Projektteilnehmer und Verantwortlichen. Seit Beginn der Pilotphase seien fast 30 Workshops in Bayern angeboten und bis zu 400 Gefangene erreicht worden. "Es geht nicht nur darum, Gefangenen eine Lebensperspektive nach der Haft zu bieten, die nicht von Gewalt und ideologischer Engstirnigkeit geprägt ist. Es geht letztlich um die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger."

 

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