Ingolstadt

Bauboom mit Folgen

Schäden auf drei angrenzenden Grundstücken - Ein Beispiel aus dem Südosten

26.06.2018 | Stand 23.09.2023, 3:34 Uhr
Ein Trümmerhaufen: Gerda Holm zeigt, was von der Garage auf dem Anwesen ihrer Mutter übrig geblieben ist. Beim Setzen der Spundwände für den angrenzenden Neubau bekam die an der Grundstücksgrenze stehende Garage Risse. Der Treppenaufgang zum Eingang des nebenstehenden Hauses ist durch die Erschütterung regelrecht weggekippt (Foto unten). Auch andere Nachbarn haben Schäden. −Foto: Fotos: Hauser

Ingolstadt (DK) Wohnungen sind in Ingolstadt Mangelware. Nicht zuletzt deshalb heißt die Devise: Immer höher, immer enger bauen. Was mitunter unangenehme Folgen für die Nachbarn haben kann, wie ein Beispiel aus dem Südosten zeigt, wo die Anwesen gleich dreier Nachbarn Schaden genommen haben. Vorneweg: Der Bauherr hat nicht gegen das Baurecht verstoßen - und er hat angekündigt, für die entstandenen Schäden aufzukommen.

Autofahrer, die öfter im Südosten unterwegs sind, kennen die Baustelle. An der Asamstraße, neben der St.-Canisius-Apotheke, ist die Straße für ein paar Meter nur halbseitig befahrbar. Die andere Hälfte nimmt ein Baukran ein. Wo früher viele Jahre lang ein "Schlecker"-Drogeriemarkt war, entsteht ein privater Wohnbaukomplex mit vier Appartements, sechs Eigentumswohnungen und einer Tiefgarage. Eigentlich eine schöne Sache. Wohnungen - vor allem bezahlbare - werden in Ingolstadt dringend benötigt, wie auch die Zahl der steigenden Baugenehmigungen zeigt (siehe Kasten). Doch für die angrenzenden Hausbesitzer hat das Neubauprojekt in der Asamstraße auch Schattenseiten.

"Da steht in der Zeitung, man muss ,in die Höhe bauen', was das für die Nachbarn heißen kann, sieht man hier", sagt Gerda Holm. Dabei scheint in ihrem Fall nicht so sehr die Höhe, sondern eher die Bodenbeschaffenheit das Problem, wie der Bauherr sagt. Die Mutter Holms hatte 56 Jahre lang das direkte Nachbarhaus des Neubaus bewohnt. Vom weitläufigen Garten aus hat man einen herrlichen Blick auf den Kirchturm von St. Canisius. Zu dem Häuschen, 1961 erbaut, kam 1977 eine Garage, direkt an die Grundstücksgrenze gebaut. Holms' Mutter ist 90 und lebt mittlerweile in einem Seniorenheim. Das Haus steht leer. Gott sei Dank, möchte man sagen angesichts des Trümmerhaufens, der einst eine Garage war - und der Tatsache, dass die Treppe zum Eingang des alten Hauses durch die Erschütterungen beim Setzen der für den Bau der Tiefgarage nötigen Spundwände für den Neubau regelrecht weggekippt ist.

"Es geht mir nicht darum, den Bauherrn anzugreifen", betont Gerda Holm, wie übrigens auch die beiden weiteren geschädigten Nachbarn, die allesamt über ein gutes Einvernehmen mit dem Bauherrn, den Brüdern Martin und Stefan Hackner, berichten. Was Holm wundert ist, dass man überhaupt so dicht ans Nachbarhaus bauen darf. Die geforderten Mindestabstandsflächen werden eingehalten. Doch die rechts vom Wohnhaus, neben der Grundstücksgrenze später hinzugesetzte Garage war nach dem Setzen der Spundwände so stark beschädigt, dass sie eingerissen werden musste. Der Bauherr habe eine neue Fertiggarage schon bestellt, sagt Holm. Auch die Treppe am Eingang werde repariert, sei ihr zugesagt worden. So gesehen, kann sich Gerda Holm nicht beklagen. "Aber es ist schon traurig", sagt sie und blickt auf den Trümmerhaufen.

Nicht nur das Grundstück Holms hat durch die Spundwände Schaden genommen, auch die anderer Nachbarn. "Unsere Einfahrt wurde zerstört", berichtet Franz Fehringer. Und das sei nicht das Einzige: "Wegen des Baus haben wir 46 Jahre alte Bäume rausgemacht, unter anderem eine Schwarzkiefer." Denn die Spundwände seien direkt am Zaun gesetzt worden, deshalb habe er die Bäume gefällt, so Fehringer. Bei einem weiteren Nachbarn hat sich das Grundstück abgesenkt. Der Kanal habe kein Gefälle mehr und müsse erneuert werden, sagt die Besitzerin. "Aber wir sind mit dem Architekten und der Baufirma in regem Austausch."

Wirklich sauer wirken die Nachbarn nicht. Auch aus einer im Haus neben dem Neubau untergebrachten Zahnarztpraxis ist über den Bauherrn und die ausführenden Firmen nur Gutes zu hören. Sie seien "sehr entgegenkommend", heißt es auch hier.

Dass es Schäden gab, räumt Thomas Hackner, einer der beiden Bauherren, ein. "Wir werden dafür aufkommen", sagt er gegenüber dem DK. Ursache für die Probleme sei in diesem Fall aber nicht die Verdichtung, sondern "die Bodenbeschaffenheit", so Hackner. Das Grundwasser in diesem Bereich sei so tief, dass man mit den Spundwänden statt normalerweise 9 Meter 14 Meter tief in die Erde musste. Dadurch seien die Schäden entstanden, sagt er.

Er habe vor Baubeginn ein Gutachten erstellen lassen, in dem bereits bestehende Schäden aufgenommen worden seien. Dass es bei der direkt an die Grundstücksgrenze gebauten Garage Probleme geben werde, sei von Anfang an klar gewesen. Denn die Spundwände mussten extrem nah davon gesetzt werden. Im Grunde, sagt er, habe es die Besitzerin, wenn die Schäden behoben seien, aber besser als vorher.

Für unterirdisches Bauen, etwa für Tiefgaragen, gibt es keine Mindestabstandsflächen, so Stadtbaurätin Renate Preßlein-Lehle. Direkt bis zur Grunstücksgrenze zu spunden, stelle deshalb auch keinen Rechtsverstoß dar. Um solchen Problemen entgegenzuwirken, stimmt der Stadtrat am Donnerstag über eine Freiflächengestaltungssatzung ab. Damit sollen Komplettunterbauungen eines Grundstücks verhindert werden.
 

Ruth Stückle

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