Thalmässing

"Antrag stellen, begründen, kassieren"

Willi Weglehners neues Buch "Die Geschäftsstelle" führt in die Welt des Beamtentums

06.07.2018 | Stand 23.09.2023, 3:39 Uhr
Über sein gelungenes Werk freut sich der Thalmässinger Schriftsteller Willi Weglehner. −Foto: Foto: Karch

Thalmässing (HK) Und schon folgt der nächste Streich: Der Thalmässinger Schriftsteller Willi Weglehner präsentiert im Jahresrhythmus seine Werke. "Die Geschäftsstelle" lautet der Titel des neuen Buches, das er am 14. Juli bei einer Lesung in Greding der Öffentlichkeit vorstellt.

Wenn der Leser nach über 260 Seiten das Buch weglegt, bleiben die Zweifel. War das jetzt wirklich nur eine Beamtenposse, wie der Autor sein Werk selbst nennt, oder ist da etwas dran? Manche Projekte, die Weglehner genüsslich und voll Freude am Fabulieren vorstellt, klingen so unwahrscheinlich und abwegig, dass vielleicht doch - zumindest ein Fitzelchen - Wahrheit drinsteckt. Auf jeden Fall werden die Leser des Buches künftig jedes Schriftstück einer Behörde genau unter die Lupe nehmen und vor allem beim Namen der Geschäftsstelle, die es geschickt hat, genau hinsehen.

Wenn römisch IV/01 - 09 auf dem Schreiben steht, dann kann es brenzlig werden. Denn diese Geschäftsstelle ist eine ganz besondere. Hier sind vier ehemalige Regierungsdirektoren gelandet, allesamt mit ganz eigenartigen Schrullen ausgestattet und für den Staat nicht mehr von Wert. Der niederbayerische Finanzbeamte Ungnadner, ein penibler Betriebsprüfer, oder der Berliner Magnussen, Mitarbeiter der Gauck-Behörde, nehmen mit jedem Wort Weglehners vor dem inneren Auge Gestalt an. Spitz überzeichnet, aber doch mit Anleihen an real existierende Personen. Dass der Staat sie loswerden will, wundert also nicht. Dass am Ende ihrer Karriere dann ein Untergebener statt von einer Verabschiedung von einer Verabschiebung spricht, kann Zufall sein, muss es aber nicht.

Eigentlich wollen die Vier gar nicht in Ruhestand gehen und wehren sich erbittert dagegen. Deshalb wird extra für die Vier eine neue Geschäftsstelle geschaffen, ohne besonderen Geschäftsbereich.

Dass sie plötzlich offiziell gar nicht mehr existieren, trifft die vier Beamten zu Beginn schwer. Aber auch wenn es weder die Beamten noch die Geschäftsstelle offiziell gibt, so werden doch die Rechnungen, die die Geschäftsstelle an das Innenministerium schickt, anstandslos bezahlt. Ob es um Papier für das Büro oder um den fränkischen Schweinebraten geht, den sich Ungnadner jeden Tag von einem Landgasthof in der Rhön nach Frankfurt liefern lässt - alles wird bezahlt. Für die vier ausgemusterten Beamten ist das ein eindeutiges Signal: Sie genießen Narrenfreiheit. Der nächste Schritt nach dieser Erkenntnis. "Es gibt viel zu packen, tun wir es ihnen an." Flugs wird als ganz wichtiges Utensil ein Dienststempel angeschafft und die Geschäftsstelle zur geheimen Bundesbehörde erklärt. Und die Ideen, mit was man seine Zeit verbringen könnte, sprudeln. Je irrwitziger Entscheidungen sind und je üppiger Bauvorhaben ausfallen, umso mehr Mittel werden ihnen zugestanden. Ein Uwe-Barschel-Damm nach Sylt, ein Ballonflughafen in Thüringen oder eine öffentliche Bedürfnisanstalt auf einer Aussichtsplattform in jeder deutschen Großstadt, die Kreativität der Beamten kennt keine Grenzen. Damit die Mittel dafür auch zügig bewilligt werden, muss das jeweilige Vorhaben nur gut begründet werden. "Doch Ungnadner kannte den Stellenwert einer Begründung, war sie noch so sehr an den Haaren herbeigezogen. Hauptsache, gut verklausuliert und daher den meisten unverständlich. Keiner jedoch würde zugeben, er verstünde es nicht." Der Dreiklang "Antrag stellen, begründen, kassieren" wird bis zur Perfektion getrieben, die Vorhaben werden immer gigantischer.

Schließlich steigt die Geschäftsstelle römisch IV/01 - 09 sogar ins internationale Waffengeschäft ein. Ihr gelingt es dabei, zwei Waffenlobbyisten auszuschalten. Kein Wunder, dass die Geschäftsstelle bis in höchste Regierungskreise den Nimbus der Unantastbarkeit auf Geheimdienstebene erhält.

Letztlich gibt es nur eines, was die erfolgreichste Institution in Deutschland ausbremst: d Mitarbeiter selbst, ihre Rivalitäten, die nicht überwunden wurden, Misstrauen, Streitigkeiten. Bevor sie aber zu Fall kommen, landen sie noch einen europäischen Coup: Ungnadner, zuvor Vorsteher eines niederbayerischen Finanzamts, erfindet den Euro. Dass die Welt überhaupt von dieser geheimen Geschäftsstelle erfährt, ist einem Alkoholiker namens Leo zu verdanken, der ihre Geschichte aufgeschrieben hat und Lesungen hält - zuletzt im Gemeinschaftsraum einer psychiatrischen Einrichtung. Alles Erfindung oder sind wir noch mittendrin?

Andrea Karch

URL: https://www.donaukurier.de/archiv/antrag-stellen-begruenden-kassieren-3096037
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