Allersberg

Erinnerung an Flucht, Vertreibung und Deportation

Ausstellung "Mitgenommen. Heimat in Dingen" im Allersberger Gilardihaus eröffnet

06.07.2018 | Stand 23.09.2023, 3:39 Uhr
17 Tafeln geben eine Übersicht über die Geschichte der Deutschen im östlichen Europa und erklären die politischen Hintergründe der Flucht, Deportation, Vertreibung und Aussiedlung. −Foto: Foto: Unterburger

Allersberg (HK) Eine Sonderausstellung des "Haus des Deutschen Ostens" mit dem Titel "Mitgenommen. Heimat in Dingen" wirft einen Blick zurück auf die Zeit des Ankommens der Heimatvertriebenen. Zu sehen ist sie im Foyer des neuen Saals im Gilardi-Anwesen noch bis Dezember.

Nach dem Zweiten Weltkrieg kamen zahlreiche Heimatvertriebene nach Allersberg. Sie waren das Opfer von Flucht, Vertreibung und Deportation der Deutschen aus dem östlichen Europa. Die Zugezogenen leisteten einen großen Beitrag zum wirtschaftlichen Aufstieg des stark zerstörten Allersberg.

Zahlreiche Nachfahren von Heimatvertriebenen und Interessierte aus dem ganzen Landkreis Roth waren zur Ausstellungseröffnung gekommen. Kreisheimatpflegerin Annett Haberlah-Pohl erläuterte die historischen Hintergründe und die Konzeption der Ausstellung.

"Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges kamen etwa zwölf Millionen Flüchtlinge und Vertriebene sowie Spätaussiedler nach Bayern", berichtete sie. Heute nehme das "Haus des Deutschen Ostens" mit Sitz in München vor allem eine Brückenfunktion für das Verhältnis des Freistaates Bayern insbesondere zu Ostmitteleuropa und Osteuropa wahr. "Statistischen Erhebungen zufolge hat etwa jeder dritte Bundesbürger Vorfahren im Osten Europas", sagte die Kreisheimatpflegerin.

17 Tafeln geben eine Übersicht über die Geschichte der Deutschen im östlichen Europa und erklären die politischen Hintergründe der Flucht, Deportation, Vertreibung und Aussiedlung. So wird die schon seit dem 12. Jahrhundert bestehende Verbindung der Deutschen mit dem östlichen Europa erklärt und auf die Regionen Ostpreußen, Pommern und Schlesien näher eingegangen.

"Als 1945 der Krieg beendet war, endete das kriegsbedingte Sterben von zivilen Opfern, aber auch in den Folgejahren litten noch viele Menschen an den direkten Folgen des Krieges", sagte Haberlah-Pohl, "Millionen von Menschen wurden Opfer von Flucht, Vertreibung und Deportation". Diese Katastrophe habe viele Gründe gehabt: Es sei kein Prozess gewesen, der plötzlich 1945 begann, sondern der vielmehr seine Anfänge im Krieg gehabt habe. Zu nennen sei die bereits vor 1945 geschehene Zwangsmigration im Nationalsozialismus. Ein eigenes Thema sei ferner das Schicksal der osteuropäischen Juden.

"Die Ausstellungskonzeption sieht vor, Betroffene und ihre Nachkommen eng mit einzubeziehen", informierte die Kreisheimatpflegerin. "Für viele Familien ist das Schicksal des Heimatverlustes bis heute bekannt und Teil der eigenen Identität". An zahlreichen Dingen des täglichen Lebens hänge die Erinnerung an das erlittene Unheil und die verlorene Heimat. Als Beispiel nannte sie Irma Kraus, die auf ihrer Flucht eine Zither nach Allersberg mitgebracht hatte. Irma Kraus hatte dieses Musikinstrument mitgebracht und zeigte sie den Zuhörern. "Diese Zither ist über 100 Jahre alt, sie war mein Weihnachtsgeschenk 1942, als ich zehn Jahre alt war", erzählte sie, "ich spiele immer noch gerne darauf".

"Es ist kein Zufall, dass sich diese Ausstellung in Allersberg befindet", berichtete Annett Haberlah-Pohl, "hierher kamen sehr viele Flüchtlinge, das Gros der Vertriebenen kam im Herbst 1946 ins Land." So habe sich in den ersten fünf Jahren nach Kriegsende die Einwohnerzahl Allersbergs um ungefähr 17,7 Prozent gesteigert, konkret von 2387 im Jahr 1945 auf 2906 Einwohner im Jahr 1950.

Für 1950 gebe es eine detaillierte Aufschlüsselung der Herkunftsregion aller hier lebenden Flüchtlinge und Vertriebenen (es waren insgesamt 415): 296 aus dem Sudetenland, 110 aus dem Oder-Neiße-Raum und 5 Deutsche aus Österreich.

"Einige der Flüchtlinge gründeten neue Industriebetriebe in Allersberg, eine Liste des Bürgermeisters Lehner vom Jahr 1952 führt 15 Unternehmen in Allersberg auf, die von Flüchtlingen gegründet wurden". Als Beispiele nannte sie Josef und Rudolf Palme (Holzgroßhandel), Gustav Fuchs (Erzeuger von Handklöppelspitzen und Vertrieb derselben) und Hans Zink (Stoff-, Metall-, Nutzeisen- und Rohprodukthandel).

Anlässlich der Feier zum 30-jährigen Bestehen einer Sudetendeutschen Landsmannschaft in Allersberg habe der damalige stellvertretende Bürgermeister Franz Glier 1979 betont, dass die Sudetendeutschen aus der Allersberger Wirtschaft nicht mehr wegzudenken seien. Die Sudetendeutsche Landsmannschaft Allersberg ist 1949 gegründet worden. 1950 schlossen sich die Mitglieder zur "Wohnungsbau-Genossenschaft" zusammen, um neue eigene Wohnhäuser zu errichten. Noch im Herbst 1950 nahm man die Grundsteinlegung zur Sudeten-Siedlung unweit des "Fiedler'schen Gutes" vor. Diese entstand im Norden des Ortskernes zwischen dem Weinberg und der Eppersdorfer Straße. Andere Bauten folgten an der sogenannten Langweide, das heißt der heutigen Neuburger Straße.

Die Ausstellung ist sehenswert und informativ. Schade nur, dass sie nicht durch Exponate ergänzt wurde, die die Heimatvertriebenen nach Allersberg mitgebracht haben und die heute in der Heimatstube der Sudetendeutschen Landsmannschaft aufbewahrt werden.

Robert Unterburger

URL: https://www.donaukurier.de/archiv/erinnerung-an-flucht-vertreibung-und-deportation-3095890
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