Ukraine-Krise

Scholz meldet sich mit Ankündigung einer Moskau-Reise zurück

03.02.2022 | Stand 04.02.2022, 3:03 Uhr

Bundeskanzler Olaf Scholz - Bundeskanzler Olaf Scholz hat in der Ukraine-Krise zuletzt eher Zurückhaltung geübt. - Foto: Kay Nietfeld/dpa-Pool/dpa

Wo ist Scholz? Das haben sich viele in den letzten Tagen vor allem wegen der Zurückhaltung des Kanzlers in der Ukraine-Krise gefragt. Jetzt meldet er sich mit einer Reiseankündigung zurück.

Kurz nach seinem Treffen mit US-Präsident Joe Biden am Montag in Washington will Bundeskanzler Olaf Scholz auch zum russischen Präsidenten Wladimir Putin nach Moskau reisen.

Der Russland-Besuch werde «in Kürze» stattfinden, kündigte der SPD-Politiker im ZDF-«heute journal» an, ohne einen konkreten Termin zu nennen. Für die Olympischen Winterspielen in Peking habe er dagegen keine Reisepläne. «Deshalb kann man nicht davon ausgehen, dass ich plötzlich da auftauche und sage: Hallo, hier bin ich.» In den vergangenen Wochen hatte Scholz die Frage, ob er nach Peking reisen werde, immer wieder unbeantwortet gelassen.

Deutsch-russisches Verhältnis am Tiefpunkt

Die Moskau-Reise wird nicht nur wegen des Ukraine-Konflikts eine echte Krisenmission für Scholz. Am Donnerstag stürzte das ohnehin schwer angeschlagene deutsch-russische Verhältnis auf einen neuen Tiefpunkt. Das russische Außenministerium erklärte, dass die Ausstrahlung der Deutschen Welle in Russland gestoppt und das Korrespondentenbüro des deutschen Auslandssenders geschlossen wird. Damit reagierte Moskau auf ein Sendeverbot des deutschsprachigen Programms seines Staatssenders RT DE.

Vermisstenanzeigen auf Twitter

Scholz war in den vergangenen Tagen wegen seiner Zurückhaltung in der Ukraine-Krise international in die Kritik geraten. Erst nach langem Zögern legte er die die umstrittene Gas-Pipeline Nord Stream 2 als mögliches Sanktionsinstrument auf den Tisch - und das auch nur verdeckt, ohne sie beim Namen zu nennen. Gleichzeitig erteilte er Waffenlieferungen an die Ukraine eine klare Absage, was ihm nun von der Ukraine und östlichen Nato-Bündnispartnern übel genommen wird. Auch in den USA werden Zweifel an der Verlässlichkeit Deutschlands laut.

Das tagelange Schweigen des Kanzlers dazu hat in sozialen Medien die heiß diskutierte Frage aufgeworfen: «Wo ist Scholz?» Vor allem über Twitter werden Vermisstenanzeigen geschickt und gefragt: «Hat er auch vergessen, dass er Kanzler ist?»

Versuch, aus der Defensive zu kommen

Mit dem fast zehnminütigen Interview versuchte er nun, aus der Defensive zu kommen und den diversen Vorwürfen zu begegnen:

- Kritik der Bündnispartner? Dass Deutschland als unzuverlässig angesehen wird, bestreitet Scholz: «Das geschieht nicht. (...) Unsere Verbündeten wissen ganz genau, was sie an uns haben.» Der Kanzler verweist auf den deutschen Beitrag zur Abschreckung der Nato gegenüber Russland und auf Finanzhilfen für die Ukraine von fast zwei Milliarden Euro in den letzten Jahren.

- Uneinigkeit in der SPD? «Die SPD ist sehr einig und sie steht hinter der Politik, die der Kanzler verfolgt», sagt Scholz dazu. Er bekräftigt die gemeinsame Linie seiner Partei und seiner Regierung in der Ukraine-Krise: Sanktionsdrohung gegen Russland für den Fall eines Einmarsches in die Ukraine und Bereitschaft zu Gesprächen über Deeskalation. Viele Menschen fürchteten einen Krieg mitten in Europa, sagt Scholz. «Es ist unsere gemeinsame Aufgabe, mit dieser Doppelstrategie dafür zu sorgen, dass es dazu nicht kommt.»

- Äußerungen von Altkanzler Gerhard Schröder zur Ukraine-Krise? «Wenn ich die Verfassungsordnung der Bundesrepublik Deutschland richtig verstehe, gibt es nur einen Bundeskanzler, und das bin ich», sagt Scholz. Ein Machtwort. Schröder hatte am Freitag die Forderungen der Ukraine nach Waffenlieferungen als «Säbelrasseln» kritisiert. Scholz sagt dazu: «Ich habe ihn nicht um Rat gefragt, er hat mir auch keinen gegeben.»

Macron telefoniert regelmäßig mit Putin

In den nächsten Wochen will sich der Kanzler sichtbarer in die diplomatischen Bemühungen um Deeskalation der Ukraine-Krise einschalten. Am Sonntag bricht er nach Washington auf. Bevor es nach Moskau geht, wird möglicherweise in Berlin ein Treffen mit den Präsidenten Frankreichs und Polens, Emmanuel Macron und Andrzej Duda, stattfinden. Das wurde aber am Donnerstag vom Elysée-Palast in Paris angekündigt. Das ist bezeichnend für das Bild, das Europa derzeit in der Krise abgibt. Macron schreitet medienwirksam voran, und von Scholz ist nicht viel zu sehen.

Macron hat in den vergangenen Tagen zwei Mal mit Putin telefoniert. Für Donnerstag war ein drittes Gespräch geplant. Auch eine Reise Macrons nach Moskau ist in Planung. Aber auch der italienische Regierungschef Mario Draghi und der britische Premierminister Boris Johnson haben am Dienstag und Mittwoch schon mit dem Kremlchef gesprochen. Scholz lässt in dem ZDF-Interview unbeantwortet, wann er zuletzt mit Putin telefoniert hat. «Natürlich habe ich auch mit dem russischen Präsidenten gesprochen», sagt er lediglich.

Nach den offiziellen Mitteilungen der Bundesregierung fand seit dem Amtsantritt des Kanzlers ein Telefonat mit Putin statt, am 21. Dezember. Auf eine Anfrage der Deutschen Presse-Agentur, ob es darüber hinaus Gespräche gegeben habe, antwortete ein Regierungssprecher: «Über die öffentlich kommunizierten Termine hinaus haben wir gegenwärtig nichts mitzuteilen.»

Miese Umfrage-Werte für Scholz' Ukraine-Engagement

In der SPD wird der Vorwurf, Scholz trete in der Krise nicht ausreichend in Erscheinung, mit dem generellen Politikstil der Kanzlers erklärt: Ihm gehe es nicht darum, Schlagzeilen zu produzieren, sondern er wolle seine Arbeit machen, heißt es.

In der Bevölkerung kommt das aber offensichtlich nicht an. In einer Forsa-Umfrage im Auftrag des Redaktionsnetzwerks Deutschland antworten 69 Prozent der Befragten mit «Nein» auf die Frage, ob Scholz sich in ausreichendem Maße engagiere. Lediglich 16 Prozent sagen «Ja».

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