Enderndorf

Einfach guter Rock 'n' Roll

"Lieder am See" lassen 5000 Fans in der Vergangenheit schwelgen - Gut gelaunte und überzeugende Bühnenveteranen

06.08.2018 | Stand 23.09.2023, 4:19 Uhr
Matthias Hertlein
  −Foto: Fotos: Hertlein

Enderndorf (HK) Ein 30-minütiges Unwetter mit kräftigen Regenschauern und ein Mini-Gewitter sind bei "Lieder am See" in Konkurrenz zu den Musikern getreten, doch weder die britischen Altrocker von Wishbone Ash, die betroffen waren, noch die rund 5000 Besucher samt den Veranstaltern ließen sich aus der Ruhe bringen, geschweige die Laune verderben.

Die Erfrischung kommt aber gut an, die Schwüle ist dabei nämlich baden gegangen. Nach einer kurzen Verlängerung der Umbaupause geht es programmgemäß weiter. Mit dem Auftritt der Boogie-Rocker von Status Quo geht das Lieder am See-Festival entspannt zu Ende - inklusive romantischem Sonnenuntergang.

Was macht den Reiz, den Charme von Lieder am See aus? Einer hat das Festival lieb gewonnen, er ist zum zweiten Mal in Folge da und kann es mit seinen Freunden unerkannt genießen. Stefan Müller, der Aufsichtsrats-Vize des 1. FC Nürnberg: "Es ist faszinierend hier, weil diese Veranstaltung die Festivals der 70er-Jahre repräsentiert. Man ist nah dran am Geschehen, keine Mega-Shows, einfach guter Rock 'n' Roll halt." Er sei wegen "Lieder am See" da, nicht wegen einer bestimmten Band. "Aber die Gipsies und Status Quo zusammen, das ist schon irgendwie cool. Wie letztes Jahr Uriah Heep und Suzie Quatro." Abhängen und da sein, wo die Musik ist, er werde jetzt jedes Jahr herkommen. Und Musikerin Fee aus Nürnberg schwärmt ähnlich: "Lieder am See ist was zum Verlieben, wenn ich es nicht grad schon wäre, würde ich mich fast hier verlieben."

Schwimmen, Schifffahren auf der MS Brombachsee, Freunde treffen, das Festival hat sich in der achten Auflage wieder als musikalisches Familienfest bewährt. Als Fan muss man da flexibel, tolerant sein, wenn man sich auf Lieder am See einlässt. Beim größten Heavy Metal-Festival Europas in Wacken diskutieren die Schwermetall-Freaks darüber, ob ein Sondergastspiel von Otto Waalkes passt, am Brombachsee darüber, ob die Gipsy Kings passen.

Trotz Familienclan-Streitigkeiten um den Bandnamen und dergleichen (ein Gericht in Frankreich hatte ihnen die Namensnennung Gipsy Kings untersagt), dem Besucher ist dies letztendlich egal. In der 13-Mann-Combo, die in Enderndorf auf der Bühne steht, steckt 100 Prozent Flamenco-Pop-Musik drin. Und nach anfänglichen Soundcheck-Problemchen entwickelt sich eine klasse Party-Stimmung. Die Katalanen aus Südfrankreich treffen mit "Bamboleo", "Djobi,Djoba", "Baila Me" oder "Volare"" den Urlaubsnerv der Fans gewaltig. Im Herbst starten sie eine Welttournee, während der sie am 3. Oktober in der Philharmonie am Gasteig in München auftreten. Das wiederum verschafft den Musikern am Tag vor Lieder am See einen TV-Auftritt in der BR-Abendschau mit Hinweis Enderndorf.

Vor den Gipsies kommen altgediente Bayern-Rocker auf die Bühne, nicht tot zu kriegen, unverwüstlich. Die Spider Murphy Gang um Bandleader Günther Sigl lässt es krachen - mit Spaß und mit Augenzwinkern. Und Kalauern: "Wir treten jetzt immer nachmittags auf, weil wir um zehn Uhr wieder im Heim sein müssen." Ein Hit-Potpourrie mit dem krönenden Abschluss "Sperrbezirk" geben sie zum Besten. Selbstredend sind die Fans bei der Sache und singen mit der Band um die Wette. Die Spiders haben am Brombachsee das Bläser-Trio dabei, das würzt den Auftritt ungemein. "Vergesst uns nicht, wir sind eine bayerische Band", ruft Sigl zum Abschied ins Publikum. Dem Applaus nach wird diese Freundschaft wohl noch ein Weilchen anhalten. 40 Jahre hat die Band auf dem Buckel. "Wir spielen noch 10, 20 , 30 Jahre zusammen." Mit oder ohne "Schwammerl in die Knie". Auf jedem Fall mit einer Überdosis Rock 'n' Roll."

The Strayin Sparrows aus Regensburg eröffnen das Festival, dann servieren Ray Wilson und Band akustische Memories von Genesis, wo der gebürtige Schotte ab 1996 auch kurzfristig Sänger und Nachfolger von Phil Collins war. "No Son Of Mine", "Follow Me Follow You," und "Carpet Crawlers" sind ebenso zu hören wie Peter Gabriels "Solsbury Hill".

Auf den Schotten mit Wahlheimat Polen folgen die witterungsgeschädigten Briten um das Urgestein und den Flying-V-Gitarristen Andy Powell. Sie lächeln das schlechte Wetter-Intermezzo einfach weg, verkünden stattdessen Klassiker wie "The King Will Come" und "Throw Down The Sword". Wishbone Ash sind eine feste Bank und kommen wie immer prächtig an.

Kaum von der Partystimmung der Gypsies "befreit" geht es in den Rock-'n'-Roll- und Boogie-Modus über. Status Quo und Francis Rossi sind in großer Spiellaune. Rossi treibt seine Späßchen mit den Kollegen, die Schritt- und Bewegungsabläufe auf der Bühne stimmen noch immer. Scheinbar spielend leicht tänzeln und rocken die Jungs drauf los. Hits, nichts als Hits. Gesanglich greift Bassist John "Rhino" Edwards Rossi unter die Arme. Mit "Caroline" geht es los, mittendrin der Mitsing-Brüller "In The Army Now", dann "What-ever You Want" und "Rockin' All Over The World" als Schlusslied des Sets. Es folgen nur noch ernüchternde Zugaben wie "Burning Bridges" und "Bye Bye Johnny". Ein etwas dürftiger Abgang.

Ansonsten ein familientaugliches, angenehmes und abwechslungsreiches Festival, für jeden ist was dabei, die meisten der 5000 Besucher sind zufrieden. Fazit von Veranstalter Guido Glöckler: "Aus unterschiedlichen Gründen konnten wir die beiden Headliner erst sehr spät ankündigen, die Veranstaltung war etwas unter einem schwierigen Stern gestanden. Was soll's. 5000 Leute waren da, von daher wollen wir nicht jammern." Und 2019 weitermachen. Mit einem zweiten Konzertabend neben Lieder am See. Gerüchteweise, so war zu hören, soll da eine Spitzen-Combo im Anmarsch sein.

Matthias Hertlein

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