Kottingwörth

Viel Applaus beim Heimspiel

Michael Mathis trifft in Kottingwörth mit seinem neuen Programm den Nerv des Publikums

09.10.2018 | Stand 23.09.2023, 4:36 Uhr
Josef Wittmann
Heimspiel mit neuem Programm: Musikkabarettist Mathis ist zum zweiten Mal im Kottingwörther Treffer-Stadel aufgetreten. −Foto: Wittmann

Kottingwörth (DK) Gleich zu Beginn seines Auftritts am Samstagabend im Kottingwörther Treffer-Stadel hat der heimische Musikkabarettist Michael Mathis folgende Feststellung ausdrücklich bekräftigt: "Alkohol ist keine Lösung!". Schmunzelnd strafte er somit den Titel seines neuen Programms "Nüchtern betrachtet hilft nur Alkohol" Lügen. Damit war klar: Es ist natürlich nicht alles ernst gemeint, was an diesem Abend behauptet wird - aber die Lage ist ernst.

Was hilft denn nun angesichts unserer verrückten Welt mit Donald Trump, Recep Tayyip Erdogan und Verkehrsminister Andreas Scheuer, "der eine App einführen will, mit der du melden kannst, dass du kein Netz hast"? Ein Patentrezept hatte auch Mathis nicht zu bieten. Alkohol sorge immerhin für gute Stimmung, man könne sich ja beispielsweise auch sein Programm "schönsaufen". Dazu sahen die 125 Besucher im sehr gut gefüllten Stadel jedoch keinerlei Anlass, wie der tosende Schlussapplaus sowie die vielen Lacher und der wiederholt spontane Beifall zwischendurch deutlich zeigten.

Mathis hatte zu seinem Heimspiel in Kottingwörth ein etwa zweistündiges, klar strukturiertes Programm mitgebracht: Nacheinander wurden einzelne Themen abgehandelt, wobei immer wieder satirische Spitzen gegen aktuelle Politiker, Schlagersänger und andere VIPs eingestreut waren, beispielsweise gegen den allgegenwärtigen nervtötenden TV-Starkoch Alfons Schuhbeck ("Wenigstens singt er nicht!"). Den Abschluss der Sequenzen bildeten dann jeweils Lieder, deren Texte die Thematik nochmals pointiert zusammenfassten - garniert mit weiteren Spitzen. Hier konnte der Kabarettist zusätzlich mit seinem hervorragenden Gitarrenspiel glänzen. Letztlich kam er dann doch immer wieder notgedrungen zu dem Schluss: "Nüchtern betrachtet ?".

Dem praktizierenden Arzt haben es verständlicherweise vor allem die Themen Gesundheit, Älterwerden, Wellness und Ernährung angetan. Mit Witz und beißender Ironie geißelte er die damit einhergehende verbreitete Hysterie, vor allem bei den Deutschen, die durchschnittlich 18-mal im Jahr zum Arzt rennen - Weltrekord! Besonders die "Gesundheitsapostel", für die überall Gefahren lauern, bekamen ihr Fett weg: Plastikkügelchen in der Zahnpasta, Glyphosat im Bier, Aluminium im Deo und natürlich die gesundheitsschädlichen Wasseradern unterm Bett - eines gefährlicher als das andere. Gar nicht zu sprechen von den verschiedenen Ausprägungen des Burn-out und dem Kampf um die richtige gesunde Ernährungsstrategie. Überall nur übersteigerte Hysterie! Erholung und Ruhe suchen die Gestressten dann ausgerechnet im 400-Betten-Wellness-Hotel. Die einzige Freude sei da der Prosecco zum Frühstück, denn "Nüchtern betrachtet ?".

Böse Seitenhiebe gab es auch auf die Religionen, "die sich alle gegenseitig des Irrtums bezichtigen", wie der Vergleich der "Jenseitsangebote" vom christlichen Fegefeuer bis zur buddhistischen Wiedergeburt aufzeigte. Wenig Schmeichelhaftes für das Christentum resultierte auch aus der "Karriere eines Katholiken" von der Taufe über Kommunion und Firmung zu weiteren prägenden Stationen. Und der Rundumschlag gegen den manchmal bizarren Heiligenkult gipfelte im Lied "Sprechts me bloß ned heilig!" Der Islam wurde mit der kategorischen Feststellung "Minarett und Kabarett vertragt se ned" den einschlägigen Erfahrungen entsprechend treffend abgewatscht.

Daneben widmete sich Mathis auch den jetzt möglichen vielen Zahlungsmöglichkeiten beim Einkaufen, die einen Normalsterblichen an der Supermarktkasse in den Wahnsinn treiben können. Für "Jameda", das Ärztebewertungsportal im Internet, hatte er nur Hohn und Spott übrig. Auch dem abschließenden Thema "Heimat" vermochte er trotz googeln unter dem Motto "Unser Dorf soll schöner werden" kaum Positives abzugewinnen. Angesichts des Oktoberfestes konnte sich der Kabarettist eine pikante Spitze (Tracht als "Vollrauschlegitimationsg'wand") gegen die Heimattümelei nicht verkneifen.

Die Besucher aus nah und fern erlebten einen höchst vergnüglichen Abend mit vielen offenen und versteckten Seitenhieben gegen einige vorherrschende Strömungen des Zeitgeists. Ausgehend von Alltagsbeobachtungen fand Mathis auch immer wieder kritische Zugänge zu Missständen in der großen Politik. Gutes Kabarett strapaziert nicht nur die Lachmuskeln, sondern auch den Verstand - so wie an diesem Abend.
Gerhard Paulus, der Vorsitzende des Vereins für Tradition und Kultur in Kottingwörth, hatte schon bei der Begrüßung mitgeteilt, dass Michael Mathis den gesamten Ertrag der Veranstaltung großzügig dem Verein überlässt. Der wiederum wird die Summe seinen Worten nach gänzlich einer infolge eines Schicksalsschlags hilfsbedürftigen Familie in unserer Region spenden. Nüchtern betrachtet hilft eben am ehesten Menschlichkeit und Selbstlosigkeit.

Josef Wittmann

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